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Das Universum Anselm Kiefers birgt eine Vielzahl von Welten und Labyrinthen. Sie gemeinsam zu ergründen, unternehmen die Gesprächspartner Streifzüge durch die Gefilde der jüdischen Mystik, sie kreisen um die Geschichten des Alten und Neuen Testaments und gehen der Bedeutung von Langeweile und Leere nach. In der Auseinandersetzung mit der Wiederkehr des Vergangenen reflektieren die Gespräche die Stellung des Menschen im Kosmos und die Möglichkeiten künstlerischen Schaffens und offenbaren schließlich die tiefe Zuneigung eines der großen bildenden Künstler unserer Zeit zum Theater und zur…mehr

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Produktbeschreibung
Das Universum Anselm Kiefers birgt eine Vielzahl von Welten und Labyrinthen. Sie gemeinsam zu ergründen, unternehmen die Gesprächspartner Streifzüge durch die Gefilde der jüdischen Mystik, sie kreisen um die Geschichten des Alten und Neuen Testaments und gehen der Bedeutung von Langeweile und Leere nach. In der Auseinandersetzung mit der Wiederkehr des Vergangenen reflektieren die Gespräche die Stellung des Menschen im Kosmos und die Möglichkeiten künstlerischen Schaffens und offenbaren schließlich die tiefe Zuneigung eines der großen bildenden Künstler unserer Zeit zum Theater und zur Literatur, zu Tadeusz Kantor, Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Dabei findet Kiefer in Klaus Dermutz denjenigen, »der mich durch sein Fragen dazu bringt, mich selbst zu verstehen«.
Autorenporträt
Anselm Kiefer, 1945 in Donaueschingen geboren, studierte Jura und Romanistik, später Malkunst. Er war Schüler von Horst Antes und Joseph Beuys. Zu seinen bekanntesten Werken gehören Parsifal, Zweistromland und Mohn und Gedächtnis. 2015 ehrte ihn das Centre Pompidou in Paris mit einer großen Retrospektive. Klaus Dermutz, 1960 in Judenburg in der Steiermark geboren, studierte katholische Theologie und Philosophie in Graz und Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.01.2011

Die Intelligenz der Steine
Mit Pinsel, Feuer und Motorsäge Gottes unvollkommener Welt zu Leibe rücken: Der Künstler Anselm Kiefer im Gespräch mit Klaus Dermutz
Wie öffnet man einen Künstler, dessen Leidenschaft das Verbergen ist? Der Bücher aus Blei gießt, seine mehrfach geschichteten Gemälde in den Regen stellt, bis sie grau und unkenntlich sind, und am meisten auftaut, wenn er von dem esoterischen Kabbalisten Isaak Luria schwärmt. Ein Mann der Mythen, des Pathos und der Geheimwissenschaften, der dennoch mit Gerhard Richter, Sigmar Polke und Georg Baselitz zu den Deutschen Nationalkünstlern gezählt wird. Wie befragt man Anselm Kiefer, der das Schamanentum seines Lehrers Joseph Beuys mit dem monumentalen Kunststreben des 19. Jahrhunderts verbindet und damit bis heute Irritationen auslöst, so dass sich etwas klärt? Geht das?
Klaus Dermutz hat sich für den Gesprächsband „Die Kunst geht knapp nicht unter“ für einen sehr unjournalistischen Weg entschieden. Er stellt kaum Fragen, vor allem keine kritischen, sondern liefert Stichworte, die wie Fragen aussehen. Als energischen Ausweis seiner extrem guten Vorbereitung zitiertDermutz fortlaufend aus irgendwelchen Texten, von denen er weiß, dass sie dem Künstler gefallen, und hält diese Linie affirmativer Gesprächsführung in diversen Treffen über sieben Jahre aufrecht.
Ingeborg Bachmann, Paul Celan, Sekundärliteratur zu religiösen Mystikern, Richard Wagner, das Alte Testament, die Kabbalisten und das Lieblingsgenie von Dermutz und Kiefer, der Regisseur Tadeusz Kantor, wechseln sich als Souffleusen dieses Dialogs ab. Und bei dieser familiären Vorzugsbehandlung kann am Ende natürlich nur eines rauskommen: das fleckenfreie Bild einer sehr sympathischen, gebildeten, dabei diskreten und schöpferischen Persönlichkeit, die keinerlei Angriffsfläche für Skepsis bildet.
Kann das der ganze Anselm Kiefer sein? Der Kiefer, der sich selbst mit Hitlergruß porträtiert hat, den die Kunstkritik als super-deutsch und Überwältigungskünstler kritisierte, dessen Hang zu Größe und Dominanz vielen Betrachtern körperlich unangenehm ist, und dessen Kunst mit ihren Spuren gewalttätiger Bearbeitung und ihrer Verwendung nationaler und kriegerischer Symbole seit jeher eine hohe Aggressivität ausstrahlt? Kann man tatsächlich Kiefer befragen, ohne die Kiefer-Rezeption der letzten vierzig Jahre auch nur zu streifen? Etwa die zuletzt 2008 aufflammende Kritik an der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Kiefer?
Im gepflegten Bildungsgespräch, das Dermutz mit Kiefer über 250 Seiten führt, geht das. Nichts erfährt man hier über die prominenten Verrisse von Kiefers Ausstellungen, von den Schmähungen als teutonischer Mystifikator, aber auch kaum etwas über Kiefers politische Haltung und sein gesellschaftliches Sendungsbewusstsein. Auch alles Nichtkünstlerische, Private und Persönliche kommt höchstens zufällig mal zur Sprache. Über Freunde, Familie, Lebenskrisen, Umstände, die jeden schöpferischen Prozess prägen, wird in dieser Gesprächs-Biografie so wenig gesprochen, dass genau jenes Bild des Genie-Eremiten hier zementiert wird, gegen das sich Kiefer in anderen Interviews längst zur Wehr gesetzt hat.
In dieser Einseitigkeit bohrt das Buch dann tief an einer Stelle: die Frage nach dem Material, das Anselm Kiefer für seine Kunst transformiert, wird in kreiselnden Bewegungen immer weiter ausgeschöpft. Im Zentrum steht hier die Behauptung einer künstlerischen Wahrheit, die ähnlich wie das religiöse Denken ganzheitlichere Gültigkeit beanspruchen kann als die Wissenschaft. Das Unbestimmbare, Phantastische mythologischer Welterklärungen und das Unerklärliche bildnerischer und lyrischer Schaffensprozesse verbindet Kiefer in seiner Kunst wie in seinem Denken zu jener typischen düsteren Verfalls-Esoterik, die zweifelsohne eine große originäre Kunstschöpfung ist.
Dazu vernetzt er diverse konkurrierende Denksysteme zu einer gleichrangigen Materialordnung. Skurrile kabbalistische Schöpfungsmythen aus dem 3. Jahrhundert, von einem Gott, der 27 Versuche brauchte, um die Welt zu erschaffen, und sich dann zurückzog, damit der Mensch seine Schöpfung verbessert, stehen hier neben Stephen Hawkings Modell vom Universum, das sich rhythmisch ausdehnt und wieder zusammenzieht. Martin Heideggers „Lichtung“ leitet über zu Liliths Ruinen. Buddhistische Asche-Mönche und Trümmerfrauen, Alchemie und brennender Dornbusch, Gnosis und Golem, Propheten und Poeten bevölkern Kiefers egalitären Fundus der Sinnsuche, dem ein beharrlicher persönlicher Pessimismus gegenübersitzt.
Denn für Kiefer selbst ist „die Welt ohne Sinn“, der Frieden sei nur eine „Staubwolke“, die den Krieg verdeckt, und die Kunst vor allem eine persönliche Strategie des „Überlebens“. Das Positive und Ästhetische kann nur aus dem Zerstörten gedacht werden. So sind zerbombte Städte für Kiefer „die schönsten Bilder, die ich mir überhaupt vorstellen kann“, denn in ihnen komme zum Ausdruck „dass immer wieder etwas Neues entsteht, dass die alten Bezüge aufgehoben sind, dass etwas in einer bestimmten Zwischenlage ist: alles wird dadurch vergeheimnisst“. Ruinen, so Kiefer, seien „der wahre Luxus“.
Hier spricht weniger Zynismus, der über dem Bild das Leiden vergisst, als ein Mann, der seine Inspiration zeit seines Lebens aus einem morbiden Hang zum Fatalismus bezog. Was Kiefer immer wieder „vergeheimnisst“, sind die Verzweiflung und der „Schock“ der Unkenntnis, die alle Mythen und Erklärungsversuche begründen, denen aber immer auch eingeschrieben ist, dass sie das große Warum nie beantworten werden.
Deswegen liegt für Kiefer Glück und Erkenntnis grundsätzlich im Verborgenen, offenbart sich allenfalls, wenn es gerade verloren, zerstört, entschwunden ist. Und diesen Akt vollzieht Kiefer mit seiner patinierten Kunst immer wieder nach. Seine Techniken, neue Bilder alt, vergilbt und zerschlissen aussehen zu lassen, ist letztlich eine lange Litanei der Vergeblichkeit. Denn der Mensch, so Kiefer, ist eine „Fehlkonstruktion“, die Zivilisation nur eine dünne Schicht, aus der jederzeit wieder die Barbarei hervorbrechen kann.
Diese produktive Resignation als künstlerische Haltung wird in den langen Gesprächen sehr schön offen gelegt. Sie ist trotz ihres defätistischen Pathos dort, wo sie konkret wird, ausgesprochen humanistisch grundiert. Etwa, wenn Kiefer die katholische Kirche wegen ihrer Theologie der Sünde und des Leidens verdammt. Kiefers wesentliche Faszination gilt aber unzweifelhaft dem Unklaren, dem Geheimnis, der wunderlichen Abwehr von Bedrohung und Angst, die der Mythos verspricht.
Dass er alle Mythen gleich behandelt, mag in seiner Privat-Theologie von einer „allgemeinen Intelligenz“ begründet liegen, die alles durchdringt und in einem Stein ebenso wohnt wie im menschlichen Geist. Demonstriert wird in diesen Gesprächen aber vor allem eine spielerische Freude an der Offenheit, die alle großen Glaubenserzählungen ausmacht. Die Freiheit, die in der verworrenen, unvollständigen und unlogischen Überlieferung ritueller Welterklärung liegt, erlaubt der künstlerischen Nervosität immer wieder aufs Neue den Versuch, das Wunder der Schöpfung nachzuahmen.
So verbessert Anselm Kiefer Gottes unvollkommene Welt mit Pinsel, Feuer und Motorsäge, und schafft sich dabei seinen eigenen Mythos. Dessen Ideengeschichte hat man nach der Lektüre dann auch wirklich verstanden. Aber eigentlich wünscht man sich am Ende einer so ausführlichen Unterhaltung nicht nur einen Prometheus, sondern auch einen Menschen zu sehen. Der erscheint aus der Staubwolke friedlicher Konversation aber vermutlich nicht ohne den Schock kritischer Fragen. TILL BRIEGLEB
ANSELM KIEFER: Die Kunst geht knapp nicht unter – Im Gespräch mit Klaus Dermutz. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 270 Seiten, 24,90 Euro.
Kritik flammte auf, als Kiefer
2008 den Friedenspreis des
Deutschen Buchhandels erhielt
Der Friede ist für diesen
Künstler nur eine „Staubwolke“,
die den Krieg verdeckt
„Bedecke Deinen Himmel, Zeus, mit Wolkendunst . . . “: Anselm Kiefer in seinem Atelier im südfranzösischen Barjac Foto: picture/alliance, dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Till Briegleb will nicht sagen, dass man in diesem Gesprächsband nicht viel über das Weltbild und die daraus hervorgehende Kunst Anselm Kiefers erfahre. Nein, da sei der Band überaus gründlich, der Gesprächspartner Klaus Dermutz erweise sich ein ums andere Mal als bestens vorbereitet, wo es um die Lieblingsautoren und -künstler und -referenzen des Großkünstlers geht. Über den metaphysisch grundierten Hang zu Verfall und Morbidität, die aus Einsicht in generelle Sinnlosigkeit bei mythischer Aufladung dennoch humane Haltung von Kiefer: über all das erfährt man, so Briegleb, genug. Was fehlt, ist Distanz. Was fehlt, ist Kritik. Was fehlt, bedauert der Rezensent, ist eine Herausforderung des Fragenden an den Gefragten, aus der dann ein weniger monolithisches Kiefer-Bild entstünde. Darauf aber wolle Dermutz offenkundig an keiner Stelle hinaus. Interessant ist das Ergebnis für Briegleb sehr wohl. Aber es hätte noch interessanter sein können.

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