Engen Freunden war nicht verborgen geblieben, daß Schopenhauer ein persönliches "Journal intime" führte, das er sorgfältig unter Verschluß hielt. Nach seinem Tod hat man vergeblich danach gesucht. Der Testamentsvollstrecker Wilhelm von Gwinner ließ durchblicken, er habe das Journal auf Wunsch des Verstorbenen vernichtet. In Wahrheit wurden die Texte im Blick auf eine künftige Biographie des verblichenen Philosophen umfänglich durchforstet. Aufgrund dieser Notizen und der wörtlichen Abschriften ganzer Seiten war es möglich, Schopenhauers Originaltext zu rekonstruieren. Die autobiographischen Notizen, Erinnerungen, Gedankensplitter, Lebensmaximen, Zitate und Sinnsprüche bilden geradezu ein Nachschlagewerk zu Schopenhauers ganz persönlicher Lebensweisheit: der Kunst, sich selbst zu erkennen, das Zusammenleben mit anderen Menschen zu meistern und sich in der Welt zurechtzufinden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Andreas Dorschel begrüßt diese Sammlung von nachgelassenen Reflexionen und Maximen Arthur Schopenhauers, die Franco Volpi aus Aufzeichnungen des Philosophen rekonstruiert und herausgegeben hat. Erfreulich scheint ihm an dieser dritten Rekonstruktion von Schopenhauers "Geheimheft", dass sie diesmal nicht in einer größeren Ausgabe versteckt ist, sondern als ein Bändchen für sich steht. Zwar bietet diese Edition im Vergleich zu den vorangegangenen nach Einschätzung Dorschels keine "aufsehenerregenden Entdeckungen". Aber sie glänzt seines Erachtens durch eine "sinnvolle Anordnung des Materials" und durch eine solide Darstellung der Geschichte des Manuskripts und seiner Rolle für Schopenhauers philosophisches Lebensprojekt. Inhaltlich und stilistisch erreicht der Band für ihn die Qualität der von Schopenhauer zu Lebzeiten selbst veröffentlichten Werke. Und so würdigt er die Sammlung als "bildkräftig", "klug" und "stolz".
© Perlentaucher Medien GmbH
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