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Gibt es überhaupt eine christliche Kunst in der Moderne? Aus theologischen Quellen, künstlerischen Zeugnissen und ästhetischen Theorien sowie anhand zahlreicher Beispiele entwirft dieses Buch einen Überblick über die mehr als 2000jährige spannungsreiche Beziehung zwischen Bilderverbot, Glaubensvermittlung und dem Autonomiestreben der Kunst. Phasen radikalen Bilderverbots und wirkungsvollen Bildgebrauchs prägen die spannungsreiche Beziehung von Christentum und bildender Kunst. Läßt sich die Frühzeit, bestimmt vom Bilderverbot der Kirchenväter, als Reaktion auf die antiken Bildkulte verstehen,…mehr

Produktbeschreibung
Gibt es überhaupt eine christliche Kunst in der Moderne? Aus theologischen Quellen, künstlerischen Zeugnissen und ästhetischen Theorien sowie anhand zahlreicher Beispiele entwirft dieses Buch einen Überblick über die mehr als 2000jährige spannungsreiche Beziehung zwischen Bilderverbot, Glaubensvermittlung und dem Autonomiestreben der Kunst. Phasen radikalen Bilderverbots und wirkungsvollen Bildgebrauchs prägen die spannungsreiche Beziehung von Christentum und bildender Kunst. Läßt sich die Frühzeit, bestimmt vom Bilderverbot der Kirchenväter, als Reaktion auf die antiken Bildkulte verstehen, so tritt in den nächsten Jahrhunderten das Kultbild wieder in den Dienst der Kirche. Zeiten der Bilderverneinung markieren der Bilderstreit des 8. und 9. Jahrhunderts, die Epoche der Reformorden und der Reformation und begegnen uns bis in die Gegenwart. Dazwischen liegen Phasen exzessiven Bildgebrauchs: von der Romanik bis zu den gewaltigen Bildprogrammen des Barock als propaganda fidei. Der Paradigmenwechsel des 19. Jahrhunderts löst Anspruch und verbindliche Ikonographie der christlichen Bildtraditionen auf. Darüber können weder die historisierenden Rückgriffe noch etwa die religiöse Ekstase der Naturmetaphern eines van Goghs hinwegtäuschen. Kunstwerke der Gegenwart schließlich transportieren zwar unverändert einen hohen religiösen Anspruch, verstehen sich allerdings nicht mehr "als Magd der Theologie". Dieses Buch entwirft die Geschichte der 2000-jährigen konfliktreichen Beziehung von Christentum und Kunst, nennt Forderungen und Vorstellungen und liefert Argumente für den streitbaren Diskurs der Gegenwart.
Autorenporträt
Horst Schwebel, geb. 1940, ist Professor für Praktische Theologie an der Universität Marburg und Direktor des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart. Er kuratierte Ausstellungen u.a. im Kontext der documenta und gibt neben anderem die Reihe Theologie und Ästhetik heraus.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.04.2002

Nach dem Bilderverbot
Horst Schwebels Versuch über Kunst und Christentum
Wenn die Speisekarte mehr verspricht, als die Küche zu halten bereit ist, kann man immer noch das Lokal wechseln. Auf ein Buch jedoch, dessen Titel mehr und anderes verspricht als der Text bietet, lässt sich nur mit Verweigerung reagieren. Der Theologe Horst Schwebel hat sich vorgenommen, die konfliktgeladene Beziehung zwischen Christentum und Kunst zu ergründen. Was dabei herauskam, ist jedoch kaum mehr als der wohlgemeinte Versuch, heutigen Priestern, Pastoren und Gemeindemitgliedern ihre Vorbehalte gegen die mitunter verstörende Botschaft gegenwärtiger Kunst auszutreiben und tapfer gegen jene kunstgewerblichen Banalitäten, die seit dem neunzehnten Jahrhundert unsere Kirchen vermüllen, zu Felde zu ziehen.
Ästhetik des Unsichtbaren
Das Plädoyer für die Begegnung von Kunst und Theologie auf gleichem, dem je erreichten Stand des Bewusstseins entsprechendem Niveau ist aller Ehren wert. Es wird allerdings kaum zum Ziel führen, wenn man quasi nur innerkirchlich argumentiert und die rege, fächerübergreifende Diskussion über Rolle und Funktion von Kunst im Bezugsrahmen des Christentums weitgehend ignoriert – will heißen: sich für jene mehr als tausend Jahre, in der die Kunst, bevor sie Kunst wurde und mit ihren Gegenstand identisch war, mit einem knappen und farblosen Überblick begnügt. Ohne historische Begründung bleiben Aussagen über die Gegenwart blind.
Seit den ebenso vielfältigen wie widersprüchlichen Versuchen, das biblische Bilderverbot für die kirchliche Praxis zu interpretieren, ist die Beziehung zwischen Kunst und Christentum so konfliktreich wie zugleich produktiv gewesen. Kunst und Kult, noch ungeschieden, hatten beide die Aufgabe, das Wort Fleisch werden zu lassen; das visuelle Medium diente im Wortsinn dazu, eine Ästhetik des Unsichtbaren zu schaffen. Das änderte sich, wie Schwebel auch deutlich macht, mit dem Einbruch der Moderne, als die Identität von Gesellschaft und Christentum auseinander fiel und die Kunst, autonom geworden, ihre Wahrheit in sich selbst suchte. Ob dies allerdings erst mit der Reformation, wie Schwebel meint, oder nicht schon in der italienischen Renaissance geschah, ist eine Standpunktfrage.
Für die Kunst im Kirchenraum bedeutete dies, dass sie weiterhin eine dienende Funktion einnehmen sollte, die ihrem Autonomieanspruch, ja ihrer mühsam erkämpften Definition von Kunst als Kunst widersprach. Dies ist das Dilemma moderner religiöser Kunst, die, in den Kirchenraum integriert, ihres eigentlichen „Gehalts” als autonome, nur sich selbst verpflichtete Wahrheit verlustig geht. Das Buch über die Konfliktgeschichte von Kunst und Christentum jedenfalls harrt noch immer seines Autors.
NORBERT H. OTT
HORST SCHWEBEL: Die Kunst und das Christentum. Geschichte eines Konflikts. Verlag C. H. Beck, München 2002. 250 Seiten, 29,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002

Blütenpollen statt Bilderbibel
Jesus ja, Kirche nein, Kunst vielleicht: Horst Schwebel erlöst mit Bildern statt mit Begriffen / Von Michael Gassmann

Hier tritt jemand für eine gute Sache ein. Horst Schwebel, Professor für Praktische Theologie an der Universität Marburg und Direktor des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart, möchte moderne Kunst und Kirche miteinander versöhnen. Er hält eine Verbindung von Christentum und autonomer Kunst für vorstellbar und fragt deshalb nicht nach den christlichen Inhalten in der Gegenwartskunst, sondern nach der Bedeutung der Kunst für das christliche Selbstverständnis. Das Buch hat also ein Anliegen.

Zunächst aber bemüht sich Schwebel um eine Darstellung des Verhältnisses von Kunst und Kirche durch die Jahrhunderte. Das kann auf rund zweihundertfünfzig Seiten nur recht summarisch geschehen, und manches würde wohl eine differenziertere Darstellung gut vertragen. Schwebel beginnt beim Bilderverbot der Urkirche, die er als Ausdruck des Nicht-Heimischwerdens in der Welt deutet, fährt fort mit der asketischen, Landschaft und Architektur meidenden Katakombenkunst, befaßt sich mit der Entwicklung des "Thronenden Christus" im vierten und den ersten Kreuzigungsdarstellungen im fünften Jahrhundert. Der Bilderstreit des achten Jahrhunderts kommt ebenso vor wie der Ikonenkult der Ostkirche und die im Westen von Papst Gregor dem Großen entwickelte Vorstellung, Bilder könnten der Unterweisung der Analphabeten dienen. Schwebel beschreibt den Übergang von den romanischen "Maiestas Domini"-Darstellungen zu den barmherzigen Erlöserfiguren der Gotik; er beschäftigt sich mit den verschiedenen reformatorischen Auffassungen zur Bildkunst und der tridentinischen Antwort darauf.

In Caspar David Friedrichs "Kreuz im Gebirge" (1807/8) erkennt er einen Bruch mit der Tradition christlicher Bildersprache, die im Barock ihren Höhepunkt erreichte, und den Beginn der Moderne. In ihr fallen Kunst und Kirchenkunst zunehmend auseinander. Die Einführung des Landschaftsbildes in die Sakralkunst durch Friedrich und die daraus resultierende Ablehnung des "Kreuzes im Gebirge" markieren den Beginn dieses Auseinanderdriftens. Das neunzehnte Jahrhundert wurde geprägt von gegen den künstlerischen Zug der Zeit gerichteten Bewegungen wie den Nazarenern, den Präraffaeliten und der Schule von Beuron.

Den Malern an der Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert, die sich mit christlichen Themen auseinandersetzten, widmet Schwebel äußerst kurze Werkbetrachtungen: Ensor, Corinth, Nolde, Rouault, Jawlensky, Schmidt-Rottluff. Ein Kapitel beschreibt die Reformbestrebungen der Dominikaner, die in der Kirche von Assy ihr schönstes Ergebnis zeitigten. Während die Abstraktion weithin gebilligt über die Fenster Einzug in die Kirche hielt, war sie im Bild weiterhin umstritten, so daß nach dem Zweiten Weltkrieg ein "Kirchenexpressionismus" zum Durchbruch kam, der an die ekstatisch-prophetische Kraft des Expressionismus, die als kirchengemäß empfunden wurde, anzuknüpfen versuchte. Im Kirchenbau praktizierte man Askese, bis 1968 der Ruf nach Umverteilung in die Dritte Welt Kunst im Kirchenraum vollkommen in Verruf brachte.

Bis hierhin ist Schwebels Buch fast ausschließlich referierender Natur, und nur gelegentlich blinzelt durch die ein oder andere Formulierung Sympathie oder Abneigung hindurch. Das ändert sich, als er auf "theologische Positionen zur Kunst der Moderne" zu sprechen kommt, und nun offenbart sich auch eine Schwäche des Buches.

Zunächst versichert sich Schwebel eines mächtigen Verbündeten, des Papstes nämlich: Johannes Paul II. hatte 1980 in einer Rede im Münchner Herkulessaal die Autonomie der Kunst als Ausdruck dessen gewürdigt, "daß die Welt in die Freiheit entlassene Schöpfung ist, dem Menschen zur Kultur übergeben und anvertraut". Demgegenüber läßt Schwebel den Theologen Hans-Eckhard Bahr noch einmal das Mißtrauen der Theologie gegen die Schöpferkraft des Künstlers bekräftigen: "Alle künstlerische Figuration ist also sub specie Dei nicht ein Vollenden der Schöpfung, sondern ein Nachbilden, das schöpferisch zu nennen unangemessen wäre." Hier hat man die uralten Einwände der Kirche gegen die wortlose Kunst, der man stets unterstellte, sich aus ihrem Dienst als "Magd der Kirche" unerlaubt selbst dispensieren zu wollen, in Reinkultur; der Subjektivismus der Kunst ist Bahr ein Greuel, bringt dieser doch etwa bei Christusdarstellungen leicht Humanitas und Deitas aus dem Gleichgewicht. Schwebel setzt sich mit dieser Position, die er wie der Papst nicht teilt, nicht argumentativ auseinander, sondern bittet um Nachsicht für die Künstler: Man solle von ihnen, die schließlich keine Theologen seien, kein "dogmatisch richtiges Christusbild" verlangen. So setzt Schwebel letztlich allen theologischen Einwänden gegen die autonome Kunst nichts als das Werben um Toleranz entgegen.

Im Hinblick auf die Kunst des zwanzigsten Jahrhunderts arbeitet er drei Arten der ihr eigenen Transzendenz heraus: Zunehmende Abstraktion, etwa bei Newman und Rothko, verweise auf eine Wirklichkeit jenseits der Wirklichkeit; das expressionistische Aufsprengen der Form, bei Schmidt-Rottluff und Rouault zum Beispiel, aber auch bei Hrdlicka und Rainer, sei ein ekstatisches Durchbrechen der Wirklichkeit; schließlich werde bei Künstlern wie Uecker, Tàpies und Viola "Sinn und Sein inmitten des Realen" transparent, was Schwebel als "Transzendenz innerhalb der Wirklichkeit" definiert. Diese drei Arten der Transzendenz ermöglichten eine religiöse Rezeption moderner Kunst.

Damit bestätigt Schwebel indirekt die Befürchtungen der Gegenseite, diese Kunst könne eben auch ganz anders verstanden werden. Um gegen diesen Einwand argumentatives Instrumentarium zur Verfügung zu haben, weicht Schwebel auf den Begriff des "wirklichen Kunstwerks" aus, den er vom "anwendungsbezogenen Objekt" unterscheidet: "Ein Bild in einem Kirchenraum ist erst dann als Kunstwerk anzusprechen, wenn ihm nach Abzug aller Funktionen noch ein Eigenwert als Kunstwerk zukommt". Der künstlerische Wert von Kunst im Kirchenraum ist also gewissermaßen Kompensation für die Uneindeutigkeit ihrer Aussage. Mit dieser Konstruktion verdeutlicht Schwebel das Dilemma zeitgenössischer Kunst zwischen künstlerischer Autonomie und dem seit Gregor dem Großen angenommenen oder unterstellten Auftrag der Kunst zur Verkündigung. Einen Ausweg kann Schwebel (aber wer hätte das auch erwartet?) nicht weisen.

Der Autor mag ein Ungenügen an seiner Strategie zur Verteidigung der Kunstmoderne empfunden haben. Jedenfalls ersetzt er zum Schluß, bedauerlicherweise, Argumentation durch Affirmation. Kirche müsse bereit sein, "Kunst als Kunst zu bejahen". Und: "Das Ja zum Kunstwerk ist ein Ja zur Kreativität". Wer hätte das gedacht.

Horst Schwebel: "Die Kunst und das Christentum". Geschichte eines Konflikts. Verlag C.H.Beck, München 2002. 288 S., 35 Abb., geb., 29,90 .

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Der Titel halte nicht, was er verspricht, resümiert die Rezensentin Ulrike Brunotte ihre Kritik. Der Autor verharre im größten Teil seiner Studie innerhalb eines kirchlichen Rahmens, den er kaum verlasse, um sich wirklich der Kunst zu öffnen. Der theologischen Kunsttheorie und der Begegnung von Kirche und Kunst nach 1945 wird zwar fast ein Drittel des Buches gewidmet, aber die Analysen der einzelnen künstlerischen Werke erreichen für Brunotte nicht das Niveau anderer fächerübergreifender Arbeiten. Der Überblick über die tausendjährige Geschichte des Bildes, bevor es Kunst wurde, wird zwar auch geschildert, doch dieser sei "eher spannungslos". Die These des Autors, dass die moderne Kunst ihren Ursprung in der Reformation habe, ohne dabei auf die Bedeutung der Renaissance einzugehen, scheint der Rezensentin charakteristisch für das ganze Buch und werfe doch deutlich Zweifel auf.

© Perlentaucher Medien GmbH