Ein Dorf in Nordbayern Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger, Zonenrandgebiet. Im Mittelpunkt dieses Zeit- und Familienbuchs steht die Weltaneignung eines Jungen, sein Versuch, einen Platz in seiner Großfamilie zu finden. Seine Entwicklungen, Beobachtungen und Erfahrungen stehen in Korrespondenz mit dem großen Zeitdurcheinander um ihn und in ihm. Fast mittelalterlich wirkt das Ochsengespann auf dem Feld nebenan, das Kartoffelnachklauben, die schwer durchschaubaren Gesetze der Dorfgemeinschaft, faszinierend und erschreckend zugleich die Modernität der allgegenwärtigen Militärtechnik, der Raumfahrt, der Terroristenjagd mit Maschinenpistolen und Datenverarbeitung. Der Weltkrieg ist im Wortsinne unheimlich präsent: in eindrücklichen Erzählungen der Eltern, der Verwandten und in merkwürdigen Gegenständen; die aktuellen Kriege lassen dabei den Frieden als eine Art von Pause erscheinen, die bald vorbei sein wird.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Mit staunender Bewunderung legt Michael Maar dieses Romandebüt von Rolf-Bernhard Essig aus der Hand, das er für die besseren "Schoßgebete" hält. Allerdings sind die Passagen über die erwachende Sexualität des Erzählers, der sich an seine Kindheit und Jugend in einem bayerischen Flecken erinnert, nur ein kleiner Teil dessen, was den Rezensenten begeistert. Aufrichtig ist das Buch für ihn vor allem, da der autobiografische Ansatz auch vor den unangenehmen Wahrheiten nicht haltmacht. Ängste, die übermächtige Vaterfigur, die Tränen der Mutter, der Unfalltod des kleinen Bruders - all das wird laut Maar vom Autor geadelt durch diskrete Komposition und einen ebensolchen Stil, vor allem aber durch eine akribisch genaue Erinnerung.
© Perlentaucher Medien GmbH
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