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Dienstleistungen und Inhalte aller Art - Musik, Texte, Bilder - werden durch das Internet immer billiger. Ihr Preis tendiert gegen null. Das ist ein Riesenproblem für alle, die vom Verkauf dieser Inhalte leben. Doch es gibt eine Lösung. Große Spielehersteller zum Beispiel wissen: Die meisten ihrer Nutzer sind nur an Gratisspielen interessiert. Doch einige wenige geben viel Geld aus für alle möglichen Zusatzprodukte. Wenn man diese Kunden an sich bindet, können davon ganze Unternehmen sehr gut leben. Lovell zeigt auf, wie sich diese Erkenntnis auf viele andere Branchen übertragen lässt. Für…mehr

Produktbeschreibung
Dienstleistungen und Inhalte aller Art - Musik, Texte, Bilder - werden durch das Internet immer billiger. Ihr Preis tendiert gegen null. Das ist ein Riesenproblem für alle, die vom Verkauf dieser Inhalte leben. Doch es gibt eine Lösung. Große Spielehersteller zum Beispiel wissen: Die meisten ihrer Nutzer sind nur an Gratisspielen interessiert. Doch einige wenige geben viel Geld aus für alle möglichen Zusatzprodukte. Wenn man diese Kunden an sich bindet, können davon ganze Unternehmen sehr gut leben. Lovell zeigt auf, wie sich diese Erkenntnis auf viele andere Branchen übertragen lässt. Für alle, die sich für Wirtschaft und Management im Internetzeitalter interessieren - und weiterhin gutes Geld verdienen wollen.
Autorenporträt
Lovell, Nicholas
Nicholas Lovell ist Berater und hilft Unternehmen dabei, im Internet Geld zu verdienen. Zu seinen Kunden gehören Unternehmen wie Atari, Firefly, Channel 4 und viele andere. Er schreibt regelmäßig für "Wall Street Journal", "TechCrunch" und "Wired" und ist ein gefragter Redner zu Technologie- und Marketingthemen. Er lebt mit seiner Familie in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2014

Es gibt kein Regelbuch
Wie man im Internet richtig Geld verdient

Im Dezember 2011 veröffentlichte das amerikanische Musikduo "The Piano Guys" sein erstes Video auf der Internetplattform Youtube. Die beiden Musiker waren zuvor völlig unbekannt, zumindest außerhalb von Utah. Mit ihren klassisch angehauchten Variationen populärer Songs eroberten sie sich rasch ein weltweites Fanpublikum. Im Dezember 2013, zwei Jahre nach ihrem Start, unternahmen sie ihre erste Konzertreise durch Europa und traten auch in der Hamburger Laeiszhalle auf.

Für den Pianisten Jon Schmidt war der Abend besonders bewegend. Er erzählte, wie er als Kind die Musikhalle oft besucht hatte. Auch sein Vater sei dort einmal aufgetreten, bevor die Familie in die Vereinigten Staaten von Amerika immigrierte. Schmidt berichtete mit Tränen in den Augen, wie gerührt sein Vater auf die Nachricht reagiert hatte, dass nun sein Sohn in der Laeiszhalle spielen würde. Schmidts Geschichte, in einem authentischen Mix aus Deutsch und Englisch vorgetragen, war der emotionale Höhepunkt eines eindrucksvollen Abends.

Doch nicht nur die Familiengeschichte des Pianisten oder die Musik der "Piano Guys" sind außergewöhnlich. Spannend ist das Geschäftsmodell dahinter. Die Gruppe verschenkt ihre Musik auf Videoplattformen und wird so millionenfach bekannt. Doch wie kann man damit Gewinne machen? Wie kann überhaupt eine Weltwirtschaft bestehen, wenn der Preis alles Digitalen auf null fällt? Der Londoner Nicholas Lovell, Herausgeber eines Fachdienstes über Computerspiele, beschreibt, "wie man heute im Internet richtig Geld verdient".

Seine Antworten geraten etwas langatmig und wiederholen sich, aber kurz gefasst sagt er Folgendes. Erstens: Verschenken Sie Ihr digitales Produkt an die Massen. So werden Sie bekannt. Zweitens: Verkaufen Sie Zusatzfeatures an Superfans. Drittens: Variieren Sie dabei den Preis Ihrer Ware. Produkte und Dienstleistungen haben für Menschen einen unterschiedlichen Wert.

Lovell entwickelt aus diesen drei Ratschlägen eine Kurve. Der Verlauf der Kurve erinnert an ein uneigentliches Integral. Ein uneigentliches Integral hat mindestens eine Grenze, die unendlich ist. Dies sind die (wenigen) Superfans: Sie sind bereit, fast jeden Preis zu bezahlen. Für einen Abend mit den "Piano Guys" in der Laeiszhalle würden sie nicht nur 60 Euro für ein Ticket ausgeben, sondern 200 Euro, wenn es dazu ein signiertes Plakat gäbe. Für ein Abendessen mit den Künstlern in einer kleinen Runde von Fans würde man, Erinnerungsfoto inklusive, vielleicht 500 Euro anlegen. Eine Erwähnung im Abspann des nächsten Videos wäre 2000 Euro wert.

Doch die meisten Menschen zahlen gar nichts. Sie hören die Musik lediglich kostenlos im Internet. Lovell nennt sie Gaffer und Trittbrettfahrer, aber das ist durchaus nicht abwertend gemeint. Denn aus dieser großen Masse entwickeln sich Untergruppen, die unterschiedlich hohe Preise für verschiedene Dienstleistungen zu bezahlen bereit sind. So steigt die Kurve an.

Die Gedanken Lovells sind nicht neu. Mit der Gaming-Branche lebt ein ganzer Wirtschaftszweig dieses Geschäftsmodell. Menschen vergnügen sich mit dem kostenlosen Online-Spiel "Farmville". Ein virtueller Bauernhof muss bewirtschaftet, Felder abgeerntet und Tiere gefüttert werden. Man kann sich Zeit sparen und bestimmte Gegenstände wie ein Farmhaus direkt kaufen, statt sie sich mühsam zu erspielen. Das allerdings kostet - reales - Geld. Mitspieler wollen den eigenen Obstgarten bewundern, den man daher verbessern und verschönern möchte? Kein Problem für alle, die erneut ihre Kreditkartendaten eingeben.

Den Spielern von "Farmville" ist ihr Status in der Online-Welt ebenso wichtig wie in der realen Welt. Sie leben in zwei Sphären. Der Soziologe Nathan Jurgenson bezeichnet die Unterscheidung dieser Sphären als "künstliche Trennung zwischen unserem physischen Ich und unserem Online-Ich". Es ist keine fünfzehn Jahre her, da musste man sich im Film "Matrix" noch zwischen einer realen, physischen Welt (Zion) und einer idealisierten, fiktiven virtuellen Welt (der Matrix) entscheiden. Doch heute ist das zusammengewachsen, und wer das nicht versteht, kann in der digitalen Welt kein Geld verdienen. Es profitieren Internetpioniere wie die "Farmville"-Entwickler oder auch die "Piano Guys" (von denen einer kurioserweise nur Cello spielt).

Bleibt die Frage: Wie kann jeder von uns im Internet Geld verdienen? Auf Seite 277 seines Buches lässt Lovell die Katze aus dem Sack: "Keine Ahnung. Es gibt kein festes Rezept. Es gibt kein Regelbuch, das für jedes Unternehmen, jede Organisation und jeden Urheber gilt. Alles verändert sich." Vielleicht bleibt als Erkenntnis: Digitale Waren sind kein Produkte mehr, sondern Beigaben fürs Marketing. Monetarisiert werden Zusatznutzen oder Dienstleistungen - aber nur von jenen, die außerordentlich bekannt oder ungewöhnlich gut sind. Was Lovell vergisst: Für die meisten Künstler, Autoren oder Software-Entwickler kommt es nie zu einer Kurve, weil sie auf der Nulllinie verharren. Die große Masse könnte Bücher schreiben mit dem Titel: "Wie man im Internet richtig Geld verbrennt".

Auch Lovells Buch gibt es - erstaunlicherweise - nicht kostenlos. Dafür hat der Autor eine einfache Erklärung: "Ich werde mich nicht an dem Wettlauf zum Nullpreis beteiligen, bevor ich - erstens - es muss und - zweitens - ein gut funktionierendes Geschäftsmodell habe, mit dem ich von der kostenlosen Verbreitung meiner Ideen profitieren kann. Derzeit sehe ich meine Webseite als kostenlosen Teil meiner Kurve und das Buch als Teil der Reise, die meine Kunden auf ihrem Weg vom Trittbrettfahrer zum Superfan unternehmen. Ich werde wohl weiter als Consultant arbeiten, Kurse anbieten und Vorträge halten. Vielleicht werde ich ein Online-Trainingsprogramm oder eine Videoserie erstellen oder einen exklusiven Klub gründen. Ich werde experimentieren, lernen und mich anpassen."

JOCHEN ZENTHÖFER

Nicholas Lovell: Die Kurve. Hanser Verlag. München 2014. 343 Seiten. 22,90 Euro

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