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Am Beginn von Fred D'Aguiars dunklem, spannungsvollen Roman steht die Flucht eines Sklaven. Er wird eingefangen und im Fackellicht auf die Plantage zurückgebracht. Zu zweihundert Peitschenhieben verurteilt, stirbt er qualvoll unter den Schlägen. Die Peitsche ist es, die im Zentrum der Sklaverei steht, sie ist ihr Symbol und das Instrument ihrer Aufrechterhaltung. Der Vater des Erschlagenen war der weiße Aufseher; der Weiße, der die Peitsche führte, sein Halbbruder - und er wurde von der Tochter des Plantagenbesitzers geliebt. Seine Flucht war der Versuch, sich mit ihr im Norden zu treffen - ein Traum, der an der Realität des Landes scheitern mußte.…mehr

Produktbeschreibung
Am Beginn von Fred D'Aguiars dunklem, spannungsvollen Roman steht die Flucht eines Sklaven. Er wird eingefangen und im Fackellicht auf die Plantage zurückgebracht. Zu zweihundert Peitschenhieben verurteilt, stirbt er qualvoll unter den Schlägen. Die Peitsche ist es, die im Zentrum der Sklaverei steht, sie ist ihr Symbol und das Instrument ihrer Aufrechterhaltung.
Der Vater des Erschlagenen war der weiße Aufseher; der Weiße, der die Peitsche führte, sein Halbbruder - und er wurde von der Tochter des Plantagenbesitzers geliebt. Seine Flucht war der Versuch, sich mit ihr im Norden zu treffen - ein Traum, der an der Realität des Landes scheitern mußte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.1995

Nächtlicher Sklave im Licht
Fred D'Aguiar pflegt die Erinnerung an Herren und Knechte

Es gibt Bücher, die man nach der Lektüre des ersten Satzes aus der Hand legen möchte. Auch dieser Roman könnte dazu verführen: "Die Zukunft ist nur mehr von der Vergangenheit, das darauf wartet zu geschehen." Doch dieses eine Mal erweist sich der Unsinn als Ausrutscher.

Romane über die Geschichte der afroamerikanischen Sklaven sind seit Harriet Beecher Stowe Bestandteil der Weltliteratur. Zuletzt hat Toni Morrison auf furiose Weise gezeigt, welche psychologischen und literarischen Varianten das Thema noch immer bereithält. Der Roman des 1960 in London geborenen und in Guyana aufgewachsenen Lyrikers Fred D'Aguiar beschreibt nun eindringlich und souverän die festgefügte Welt des frühen neunzehnten Jahrhunderts, in der "der Herr das Tageslicht ist, der Sklave die Nacht".

D'Aguiar geht den Klischees stilsicher aus dem Wege. Er begnügt sich mit wenigen Verweisen auf äußere Geschehnisse. Auf sehr verschiedene Weise wird die "längste Erinnerung" an eine Hölle auf Erden dem Vergessen entrissen. In ihrem Mittelpunkt steht eine Auspeitschung. Ein jugendlicher, von der Freiheit träumender Ausreißer wird von einem weißen Aufseher vor aller Augen mit zweihundert Peitschenhieben totgeschlagen. Die Umstände, die dazu geführt haben, und die Person des Hingerichteten entfalten sich in den gegeneinandergesetzten Erinnerungen in einem manchmal verwirrenden, aber konsequenten Spiel mit den Perspektiven.

An den Ermordeten, seine unschuldige Einfachheit und an die Beweggründe seiner Flucht erinnern seine Verwandten, seine "Herren" und seine weiße Geliebte. Der greise "Obersklave" und Ziehvater, der arglos die Verhaftung des Sohnes ermöglicht hat, weil er sich auf die Großzügigkeit seines Herrn verlassen zu dürfen glaubte, rekapituliert Stationen seines hundertjährigen Lebens. Die Mutter des Opfers lüftet den Schleier vor der bis dahin geheimgehaltenen Verwandtschaft ihres Sohnes zum Plantagenbesitzer. Dieser beschwört Menschlichkeit und christliche Gebote, erweist sich aber als Gefangener der eigenen wirtschaftlichen Interessen. Seine Tochter offenbart die innere Verwandtschaft zu ihrem Geliebten, deren Hintergründe sie nicht kennt, und die kurze Spanne ihres Zusammenseins. Zwischen diese Stimmen schiebt sich in lyrischen Passagen die Gedankenwelt des Opfers. Ein Leitartikel der Lokalzeitung "The Virginian" spiegelt die rigiden Ansichten einer sich im festen Besitz des Rechts glaubenden Außenwelt. In der Erinnerung wird eine tragische, die behauptete Rechtmäßigkeit auf den Kopf stellende Verquickung von Herren und Knechten sichtbar. In allegorisch verdichteten Bildern legt der Autor die bis heute latenten Strukturen des Rassenwahns bloß.

Der nur hundertsechzig Seiten kurze Roman verlangt eine konzentrierte Lektüre. Sein Autor balanciert in diesem erzählerischen Debüt auf der Höhe moderner epischer Stilmittel. Ein altes Thema zeigt seine Zeitlosigkeit in einem sehr gegenwärtigen, meisterlichen Gewand. Nur den ersten Satz der - sonst durchaus tauglichen - Übersetzung sollte der Verlag umgehend korrigieren. MATTHIAS WEGNER

Fred D'Aguiar: "Die längste Erinnerung". Roman. Aus dem Englischen von Johannes Pollmer. Berlin Verlag, Berlin 1995, 160 S., geb., 32,- DM.

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