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Im Fischerwohnheim im letzten Winkel Islands ist nicht viel los, das muss auch Fischer Halldór zugeben. Nur Kabeljau statt Kabelfernsehen, und ab und an sagt jemand etwas übers Wetter. Aber nirgendwo sonst gibt es so herrlichen angetrockneten Fisch mit Seehundspeck.
Zusammen mit den zankenden Brüdern Ebbi und Bensi, dem zähen alten Gusi oder dem gelegentlichen Touristen sinniert Halldór über den Unterschied zwischen Schafen und Engeln und die Verteilung des Glücks. Als aber eine neue Haushälterin eingestellt wird, sieht sich Halldór plötzlich einem ganz neuen Problem gegenüber: dem Chaos im…mehr

Produktbeschreibung
Im Fischerwohnheim im letzten Winkel Islands ist nicht viel los, das muss auch Fischer Halldór zugeben. Nur Kabeljau statt Kabelfernsehen, und ab und an sagt jemand etwas übers Wetter. Aber nirgendwo sonst gibt es so herrlichen angetrockneten Fisch mit Seehundspeck.

Zusammen mit den zankenden Brüdern Ebbi und Bensi, dem zähen alten Gusi oder dem gelegentlichen Touristen sinniert Halldór über den Unterschied zwischen Schafen und Engeln und die Verteilung des Glücks. Als aber eine neue Haushälterin eingestellt wird, sieht sich Halldór plötzlich einem ganz neuen Problem gegenüber: dem Chaos im Herzen.

Warmherzig erzählt Birgisson vom Leben der isländischen Küstenfischer unter Wind und Wetter - dieses Buch ist pure isländische Magie.
Autorenporträt
Bergsveinn Birgisson, geboren 1971 in Reykjavík, ist Autor und Literaturwissenschaftler. Er studierte altnordische Literatur in Bergen, Norwegen, und forscht vor allem zur Dichtung des skandinavischen Mittelalters. Als Schüler und Student arbeitete er in den Sommermonaten als Fischer, was ihn stark geprägt hat. Er publiziert Gedichtbände sowie Essays und mehrere Romane, die zahlreiche Preise gewannen. Birgisson lebt in Bergen, wo er auch an der Universität lehrt.
Rezensionen
»Dem außergewöhnlichen Erzähler Bergsveinn Birgisson gelingt es, mit Humor und Schönheit eine geplagte Seele und eine verschwindende Lebensweise am äußersten Rand der Zivilisation zu beschreiben.« Karl Ove Knausgård

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Matthias Hannemann entdeckt reichlich Soul in diesem Roman von Bergsveinn Birgisson. Genau das Richtige für den Herbst, meint er. Die im Tagebuchstil verfasste Geschichte um ein paar knorrige Küstenfischer auf Island hat zwar auch amüsante Stellen, doch die liegen laut Hannemann unter einer seehundspeckdicken Schicht Melancholie und verkappter Sehnsucht. Dass die Handlung unter den wortkargen Recken sich oft auf ein Schulterzucken beschränkt, kann der Rezensent verknusen. Die Gestalten erscheinen ihm unvergesslich und die Sprache poetisch. Und dann gibt es ja auch noch den Fisch und das Wetter - unerschöpfliche Themen, meint Hannemann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2018

Warten auf die Haushälterin

Vom Fischer und keiner Frau: Bergsveinn Birgissons Roman "Die Landschaft hat immer recht" erzählt vom einsamen Dasein in einer Gegend Islands, die weder Mode noch Mobiltelefone kennt.

Das Leben eines Fischers, den das Schicksal in einem entlegenen Zipfel Islands abgestellt hat, kann man nicht wirklich eintönig nennen. Für Abwechslung sorgen ja der Fisch und das Wetter, und einer wie Halldór Benjamínsson, der jüngste unter den Fischern im Ort, weiß dessen beständigen Wechsel in seinem Tagebuch mit prächtigen Formulierungen festzuhalten, wenn er etwa notiert, dass die Wolken "über den Himmel" rasen "wie Autos, die zum Kaffeekränzchen im Frauenverein unterwegs sind", dass Regenschauer "wie der Mantelzipfel eines Betrunkenen in Reykjavík" auf die Berghänge "klatschen" oder "Flecken aus Sonnenschein im ganzen Fjord" zu sehen sind.

So paradiesisch, wie es sich die Touristen vorstellen, die es im Sommer gelegentlich in den Ort verschlägt, ist das Leben im Geirmundarfjördur dann aber auch wieder nicht. Das steht ebenfalls in den Tagebüchern Halldór Benjamínssons, die der Bezirksvorsteher Sigursteinn Benónysson für die Veröffentlichung eingerichtet hat.

Die Tagebücher, Halldór und der Bezirksvorsteher sind allesamt Erfindungen des isländischen Autors Bergsveinn Birgisson. Er hat den Roman "Die Landschaft hat immer recht" im Original bereits 2003 veröffentlicht, fünf Jahre also vor Islands Finanzkrise, an die man als heutiger Leser auf manchen Seiten denken muss. Wie erstaunlich, dass der Band nicht zu den Werken zählte, mit denen Island auf der legendären Buchmesse 2011 für Wirbel sorgte wie kein Gastland vor und keines nach ihm. Eleonore Gudmundsson hat die kleine Geschichte um einen Fischer, der sich nach einer Frau sehnt und darüber beinahe verrückt wird, nun endlich ins Deutsche übertragen.

Dass das Buch auf diese Sehnsuchtsgeschichte hinausläuft, merkt man dem drollig-trocken, aber doch ausgesprochen poetisch von der Warte Halldórs (und Sigursteinns) erzählten Roman zunächst nicht an. Im Mittelpunkt steht der Alltag einer Gruppe von Küstenfischern, die wie die Letzten einer aussterbenden Art vorgestellt und erwartungsgemäß als liebenswürdige Dickköpfe charakterisiert werden.

Von dem einen merkt man sich, dass er sich von den Fangregeln, die sich Landratten aus der Hauptstadt ausgedacht haben, nicht einschränken lässt. Ein anderer sieht - selbstredend, will man meinen - sogar wie ein isländischer Freiheitskämpfer aus. Von einem Weiteren, einem Pechvogel, heißt es, dass er einen riesigen Kredit abstottern müsse und daher von einer rettenden Karriere als Pornodarsteller träumt. Und so fort: Bergsveinn Birgisson, der als Jugendlicher bei Fischern in den Westfjorden gejobbt hat und sich danach der Altnordistik zuwandte, entwirft lauter schlichte, aber unvergessliche Gestalten, die andere Menschen nach den vielen einsamen Stunden auf See nur noch bedingt ertragen und überfordert sind, wenn sie es versuchen.

Der Fortschritt scheint diesen Männern bislang kaum mehr gebracht zu haben als einige Fernseher, elektrische Spulen für ihre Nussschalen und hier und dort GPS, das im Zweifel nicht funktioniert. Viel mehr braucht es aber auch nicht, während im fernen Reykjavík, so sagt es ein gastierender Dichter, bereits "Menschen in Modefetzen" umherlaufen, die "mobiltelefonquatschende Turbokapitalisten" seien und "sich abmühen, ihre Vergangenheit zu vergessen". Der schwermütige Pfarrer, der seinen Schafen keinerlei Hoffnung mit auf den Weg zu geben vermag, wettert bei jeder Gelegenheit gegen die dortigen Zustände, den Kapitalismus, die "Jetztzeit".

Den Fischern entlockt diese Entwicklung oftmals nur ein Schulterzucken, solange zumindest am Fjord alles weitergeht wie gewohnt. Wie ihre Väter fahren sie aufs Meer, sobald es das Wetter zulässt, und kehren mit Hunderten Kilo Heilbutt oder Kabeljau an die Mole zurück. Ist das Wetter nicht gut, schießen sie Vögel und Nerze, knabbern Seehundspeck und erzählen Geschichten wie von jenen aus ihrer Runde, die auf dem Meer blieben. Für neuen Gesprächsstoff sorgen Besucher wie der Dichter oder ein Politiker, der im Wahlkampf in den Fjord kommt, den Aufbau touristischer "Servicestrukturen" anmahnt und doch nichts begreift. Wenn den Männern im Fischerwohnheim, die sowohl einen Sinn für das Philosophische wie das Mythische haben, mal nach einer rauschenden Nacht in einer Strip-Bar zumute ist, findet sich außerdem ein Pick-up-Besitzer, der sie samt Kreditkarte nach Reykjavík bringt.

Allein eine Haushälterin fehlt, und das ist natürlich nicht gut. Mit einer entsprechenden Annonce, die von den Heimbewohnern gemeinsam aufgegeben wird, kommt die Handlung des Romans stärker in Gang, und Birgisson, der mittlerweile vier Romane geschrieben hat (dazu drei Gedichtbände und das hochgelobte Sachbuch "Der schwarze Wiking" über Geirmund Heljarskinn, dem der Geirmundarfjördur im vorliegenden Buch seinen Namen verdanken dürfte), lässt sie nicht von ungefähr im neblig-mystischen Grenzland zwischen Diesseits und Jenseits und Wahn und Wirklichkeit enden: Sein tagebuchschreibender Protagonist Halldór kämpft zusehends gegen eine Depression, deren Ursprünge nicht bloß mit dem baldigen Auftauchen einer Frau im Ort zusammenhängen.

Im Sommer kann man dergleichen trotz des munteren Tagebuch-Stils und vieler amüsanter Stellen nicht lesen: zu melancholisch. Im Herbst, wenn die Zeit gekommen ist, über Dinge wie "die Vergänglichkeit der Welt und Wollgras", die "ungleiche Verteilung des Glücks und über Gott" oder "das Sexualleben von Seehundweibchen, das Wetter und die Laune" nachzudenken (drei Kapitelüberschriften, manche sind noch reizvoller als die vielen Wetterbeschreibungen), sollte man es unbedingt tun. In diesem Büchlein steckt streckenweise ein ziemlicher Soul.

MATTHIAS HANNEMANN

Bergsveinn Birgisson: "Die Landschaft hat immer recht". Roman.

Aus dem Isländischen von Eleonore Gudmundsson. Residenz Verlag, Wien 2018. 264 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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