Von Sartre, Camus und den Dichterdiplomaten Perse und Malraux bis zu den postmodernen Philosophen, von Levi-Strauss, Foucault und Barthes bis zu den Kontrahenten um das Schwarzbuch: Die provokante These von Jürg Altwegg lautet, dass die französische Kulturentwicklung von 1945 bis heute als Auseinandersetzung mit der verdrängten nationalen Katastrophe der Besetzung durch die Deutschen und die Kollaboration des Vichy-Regimes gesehen werden muss. Er beschreibt die langsame Aufarbeitung dieses Traumas und dessen Auswirkungen auf die Politik, Kultur und das deutsch-französische Verhältnis.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.1998JÜRG ALTWEGG, Redakteur dieser Zeitung mit Sitz in Genf, hat ein Panorama Frankreichs seit 1940 gezeichnet. Es beginnt mit der Verdrängung von Vichy. Sartres Positionen erweisen sich als Stationen dieser Verdrängung, der Marxismus war ihre Ideologie. Mit dem hysterischen Mai 1968 kam das Verdrängte wieder nach oben, der Resistance-Mythos bröckelte - und nach ihm das Prinzip Revolution. Die Überwindung des Marxismus brachte Mitterrand an die Macht. Er beherrschte die Politik wie Sartre zuvor die Kultur. Seine Lebenslügen waren jene der französischen Gesellschaft. Nouveau Roman und Nouvelle Histoire, Strukturalismus und Postmoderne: die Kultur der Nachkriegszeit ist eine einzige - unbewußte - Aufarbeitung von Vichy. Sie erfolgte paradoxerweise stets in der Auseinandersetzung mit Nietzsche und Heidegger und führte zu einem neuen Deutschlandbild. Und sie ist noch lange nicht vorbei. (Jürg Altwegg: "Die langen Schatten von Vichy". Frankreich, Deutschland und die Rückkehr des Verdrängten. Hanser Verlag, München 1998. 389 S., geb., 45,- DM) F.A.Z.
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"(...)intellektuelle Reportagen von brillantem Elan." (WELTWOCHE)