Die Tochter des Glockengießers
Ulm 1349: Anabel ist die Tochter des skrupellosen Glockengießers Conrad und fürchtet sich genau wie ihre Stiefmutter und den drei kleinen Geschwister vor den Handgreiflichkeiten des Vaters. Der hält seine Familie extrem kurz, da er unbedingt vom Bau des Ulmer
Münsters profitieren und in den Rat der Stadt aufgenommen werden will, das kostet natürlich Geld. Um seine…mehrDie Tochter des Glockengießers
Ulm 1349: Anabel ist die Tochter des skrupellosen Glockengießers Conrad und fürchtet sich genau wie ihre Stiefmutter und den drei kleinen Geschwister vor den Handgreiflichkeiten des Vaters. Der hält seine Familie extrem kurz, da er unbedingt vom Bau des Ulmer Münsters profitieren und in den Rat der Stadt aufgenommen werden will, das kostet natürlich Geld. Um seine Ziele zu erreichen, schreckt er weder vor Erpressung, Bestechung noch Mord zurück. Als Anabel dem Abt des Barfüßer-Kloster auffällt, in dessen Hospital sie arbeitet, zwingt Bertram seine Tochter in dessen Bett – schließlich ist dieser für die Vergab der Arbeiten am Münster zuständig ist. Doch Anabel ist in Bertram, den Gehilfen ihres Vaters verliebt und die Pest breitet sich unaufhörlich aus ... Kann das Paar rechtzeitig aus Ulm fliehen?
„Die Launen des Teufels“ ist der Auftakt der Ulm-Trilogie, die jetzt bei Gmeiner neu aufgelegt wurde. Silvia Stolzenburg erzählt darin relativ ungeschönt, wie das Leben damals wirklich war.
Die Kirche ist auf einem moralischen Tiefstand und das erstarkende Bürgertum versucht, sie endgültig zu entmachten. Gleichzeitig wütet die größte Pestwelle, die es in Europa je gegen hat.
Anabel gehört als Meisterstochter der oberen Gesellschaftsschicht an, steht aber unter der Munt ihres Vaters und hat sich, wie ihre Stiefmutter und Geschwister, allen seinen „Wünschen“ zu beugen. Sie sind völlig rechtlos, häusliche Gewalt ist ihr täglicher Begleiter. Selbst wenn ihr Vater sie totprügeln würde, müsste er nur eine Bußzahlung leisten („Die Frau sei dem Manne untertan ...“).
Der Gehilfe Bertram ist noch schlechter dran. Sein Vater war Steinmetz, hat allerdings die Meisterwürde verloren und musste seinen Sohn an Conrad verkaufen, um selbst überleben zu können. Damit wurde dieser zu Conrads Sklaven.
Die Angst des Hausstandes vor dem sadistischen Familienoberhaupt und seinen Grausamkeiten werden sehr lebendig beschrieben und haben mir beim Lesen mehrmals Gänsehaut beschert – genau wie die zarte und gefährliche Liebesgeschichte von Anabel und Bertram.
Ein weiteres sehr spannendes Thema des Buches ist das Ausbreiten der Pest. Die Menschen gingen zu Beginn noch recht unbedarft mit den Erkrankten um. Es gab Streitigkeiten bezgl. der Behandlungsmöglichkeiten und vorbeugenden Maßnahmen. Hygiene und Sauberkeit wurde nicht gerade großgeschrieben, Gesunde und Kranke nicht getrennt.
Die Kirchenoberen versuchen, die Pest mit dem „nicht gottgefälligen“ Leben der Menschen zu erklären, obwohl sie selber ebenfalls gegen sämtliche Gebote verstießen. In diesem Zuge sind sie bestrebt, auch die Beginen endlich in die Kirche einzugliedern (und sich damit ihre Besitztümer anzueignen), die sich bis dato selbstverwalteten. Dabei schreckten sie selbst vor Anklagen wegen Hexerei nicht zurück. Wenn das die Taten der Männer Gottes sind, braucht man sich vor dem Teufel nicht zu fürchten.“ (S.292)
Silvia Stolzenburg schreibt sehr spannend, fesselnd und mitreißend. Die Liebesgeschichte war mir ein einigen Stellen zwar ein kleines bisschen zu viel, aber ich bin trotzdem sehr neugierig, wie es im nächsten Band weitergeht.