Mit ironischer Lässigkeit vermittelt Anna Sam eine sozialkritische Botschaft: die Welt der Supermärkte spiegelt im Kleinen wider, was in unserer Gesellschaft insgesamt im Argen liegt.
Sie ist uns vertraut, und wir kennen flüchtig ihr Gesicht, weil wir mehrmals pro Woche an ihr vorbeidefilieren - die Supermarktkassiererin. Für die meisten von uns reduziert sich ihre Identität auf das von Piepstönen untermalte Gleiten des Scanners über unser Warensortiment, auf stereotype und scheinbar lustlos wiederholte Redewendungen wie 'Ist das alles?' oder 'Macht dann 9,99.' Anna Sam hat Literatur studiert und war 8 Jahre lang gezwungen, sich als Kassiererin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit trockenem Humor und scharfer Beobachtungsgabe beschreibt sie Szenenbilder, die sich in der Atmosphäre liebloser Achtlosigkeit der Supermärkte entwickeln. Niemand sieht Tag für Tag so viele unterschiedliche Menschen an sich vorbeiziehen wie die Kassiererin. und niemand ist wohl besser geeignet, eine Typologie des Alltagsmenschen anzufertigen: vom notorischen Stänkerer über den lästigen Fragesteller mit der langen Leitung bis hin zum Möchtegern-Charmeur. 'Man sieht Menschen, wie sie wirklich sind', sagt Anna Sam. Die Memoiren einer Supermarktkassiererin sind ein Lesevergnügen für alle mitfühlenden Zeitgenossen, die bereit sind, das Komische in der banalen Beschränktheit und Achtlosigkeit unserer Mitmenschen zu erkennen. Anna Sams Buch behandelt sicherlich kein 'großes' Thema, aber es ist ein Kleinod ironischer Menschenbeobachtung. Die besten Satiren schreibt noch immer das wirkliche Leben.Kann in einem Atemzug mit der subversiven französischen Angestellten-Bibel 'Die Entdeckung der Faulheit' von Corinne Maier oder mit den sozialen Reportagen eines Günter Wallraff genannt werden.
Sie ist uns vertraut, und wir kennen flüchtig ihr Gesicht, weil wir mehrmals pro Woche an ihr vorbeidefilieren - die Supermarktkassiererin. Für die meisten von uns reduziert sich ihre Identität auf das von Piepstönen untermalte Gleiten des Scanners über unser Warensortiment, auf stereotype und scheinbar lustlos wiederholte Redewendungen wie 'Ist das alles?' oder 'Macht dann 9,99.' Anna Sam hat Literatur studiert und war 8 Jahre lang gezwungen, sich als Kassiererin ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Mit trockenem Humor und scharfer Beobachtungsgabe beschreibt sie Szenenbilder, die sich in der Atmosphäre liebloser Achtlosigkeit der Supermärkte entwickeln. Niemand sieht Tag für Tag so viele unterschiedliche Menschen an sich vorbeiziehen wie die Kassiererin. und niemand ist wohl besser geeignet, eine Typologie des Alltagsmenschen anzufertigen: vom notorischen Stänkerer über den lästigen Fragesteller mit der langen Leitung bis hin zum Möchtegern-Charmeur. 'Man sieht Menschen, wie sie wirklich sind', sagt Anna Sam. Die Memoiren einer Supermarktkassiererin sind ein Lesevergnügen für alle mitfühlenden Zeitgenossen, die bereit sind, das Komische in der banalen Beschränktheit und Achtlosigkeit unserer Mitmenschen zu erkennen. Anna Sams Buch behandelt sicherlich kein 'großes' Thema, aber es ist ein Kleinod ironischer Menschenbeobachtung. Die besten Satiren schreibt noch immer das wirkliche Leben.Kann in einem Atemzug mit der subversiven französischen Angestellten-Bibel 'Die Entdeckung der Faulheit' von Corinne Maier oder mit den sozialen Reportagen eines Günter Wallraff genannt werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.2009Die Kassiererin
Der Kunde ist König. Besser gesagt, er ist der Fluch einer jeden Kassiererin. Anna Sam schreibt stellvertretend für ihre stummen Kolleginnen - denn der "Servicemitarbeiter Kasse" ist eben doch meist weiblichen Geschlechts - vom Leiden am Arbeitsplatz Supermarktkasse. Als Kassiererin in einer großen französischen Filiale hatte die Autorin Gelegenheit, acht Jahre lang parallel zu ihrem Literaturstudium auch ein "Studium der menschlichen Dummheit" zu absolvieren. Der Inhalt des Buches ist skandalös. Während der deutsche Buchtitel vom Leid einer jungen Kassiererin spricht, benennt der französische treffend das Phänomen: Hier ist von der "tribulation", der Drangsal, die Rede, der man ausgesetzt wird, sobald man in einem Kittel hinter dem Fließband sitzt. Drei Minuten Pause pro Stunde, einen Gang zur Toilette muss man sich förmlich erbetteln. Stillhalten und freundlich sein wird erwartet, egal, wie unverschämt der Kunde auch sein mag. Als Kassiererin hat man jede Zumutung zu ertragen, ist zu einem gesellschaftlichen Neutrum degradiert. Anna Sam nimmt es mit viel Humor, aber überall schimmert durch: Die Kasse scheint so etwas wie ein rechtloser Raum inmitten der Gesellschaft zu sein, die Frau dahinter ein Wesen zweiter Klasse. Manche Supermarktketten gehen so weit, ihre Mitarbeiter an den Kassen konsequent zu bespitzeln, wie jüngst beim Discounter Lidl. Anna Sams Buch gibt viel zu denken. Der Sarkasmus der Autorin ist wohl der einzige Gestus, in dem ein solches Buch geschrieben werden kann. (Anna Sam: "Die Leiden einer jungen Kassiererin". Aus dem Französischen von Elisabeth Liebl. Riemann Verlag, München 2009. 176 S., br., 12,90 [Euro].) mith
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Kunde ist König. Besser gesagt, er ist der Fluch einer jeden Kassiererin. Anna Sam schreibt stellvertretend für ihre stummen Kolleginnen - denn der "Servicemitarbeiter Kasse" ist eben doch meist weiblichen Geschlechts - vom Leiden am Arbeitsplatz Supermarktkasse. Als Kassiererin in einer großen französischen Filiale hatte die Autorin Gelegenheit, acht Jahre lang parallel zu ihrem Literaturstudium auch ein "Studium der menschlichen Dummheit" zu absolvieren. Der Inhalt des Buches ist skandalös. Während der deutsche Buchtitel vom Leid einer jungen Kassiererin spricht, benennt der französische treffend das Phänomen: Hier ist von der "tribulation", der Drangsal, die Rede, der man ausgesetzt wird, sobald man in einem Kittel hinter dem Fließband sitzt. Drei Minuten Pause pro Stunde, einen Gang zur Toilette muss man sich förmlich erbetteln. Stillhalten und freundlich sein wird erwartet, egal, wie unverschämt der Kunde auch sein mag. Als Kassiererin hat man jede Zumutung zu ertragen, ist zu einem gesellschaftlichen Neutrum degradiert. Anna Sam nimmt es mit viel Humor, aber überall schimmert durch: Die Kasse scheint so etwas wie ein rechtloser Raum inmitten der Gesellschaft zu sein, die Frau dahinter ein Wesen zweiter Klasse. Manche Supermarktketten gehen so weit, ihre Mitarbeiter an den Kassen konsequent zu bespitzeln, wie jüngst beim Discounter Lidl. Anna Sams Buch gibt viel zu denken. Der Sarkasmus der Autorin ist wohl der einzige Gestus, in dem ein solches Buch geschrieben werden kann. (Anna Sam: "Die Leiden einer jungen Kassiererin". Aus dem Französischen von Elisabeth Liebl. Riemann Verlag, München 2009. 176 S., br., 12,90 [Euro].) mith
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Dass es der Autorin nicht darum geht, Mitleid zu erregen, ist der Rezensentin schnell klar. Die zum Buch kompilierten Blogeinträge der französischen Ex-Kassiererin Anna Sam drehen sich zwar unter anderem um Ischiasprobleme, nervtötende Scanner- und Kundengeräusche und sadistische Chefs, doch der Tonfall, versichert Christiane Müller-Lobeck, ist durchweg munter. Sogar "süffisante Fitness-Tipps" finden Eingang ins Buch. Und so stehen Filmproduzenten und Theaterleute schon Schlange, um die "kurz gehaltenen Kapitel" weiter zu verwerten, weiß die Rezensentin. Ob das den "leicht betulichen" Solidaritätsbekundungen mit den "Kassenrobotern" weiter Vorschub leisten wird - die Rezensentin scheint es zu befürchten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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