Ein König in schwieriger MissionSein Königreich liegt in einer Region, die er selbst als "ruppige Nachbarschaft" beschreibt. Seine Abstammung führt er auf den Propheten Mohammed zurück und seine Ausbildung hat er in den besten Schulen Englands und Amerikas genossen. Als Vermittler zwischen Israelis und Palästinensern versucht er einen Balanceakt, dessen Scheitern auch sein Land mit in den Abgrund ziehen könnte. Abdullah II., seit elf Jahren König von Jordanien, steht vor schwierigen Aufgaben. Erstmals äußert sich das amtierende Staatsoberhaupt nun ausführlich über sein Leben, seine Familie, die Geschichte seines Landes und über seine politischen Vorstellungen - und er tut dies bemerkenswert offen und persönlich. Abdullah II. warnt eindringlich vor der Eskalation der Gewalt, sollte es nicht bald zu einer ernst gemeinten Annäherung der völlig zerstrittenen Parteien im Nahostkonflikt kommen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2011Eine letzte Chance für den Frieden
König Abdullah II. von Jordanien sieht Israel als Festung und hofft auf die Vereinigten Staaten.
Von Wolfgang Günter Lerch
Seinen Vater nannte man einst den "kleinen König" und "Friedensstifter", weil er 1994 die Beziehungen seines Landes zu Israel normalisierte. Wie man den Sohn und gegenwärtigen König des Haschemitischen Königreichs Jordanien einmal nennen wird, steht noch in den Sternen. In der Autobiographie von König Abdullah II. von Jordanien stechen jedenfalls viele Ähnlichkeiten mit dem Vater, dem 1999 verstorbenen Hussein Bin Talal, hervor: die Ausbildung unter englischer, dann amerikanischer Leitung, der obligatorische Besuch der Militärakademie von Sandhurst, die Neigung zu schnellen Autos und die Freude an sportlicher Betätigung.
König Abdullahs Vater verstand sich als Mensch des Orients, der trotzdem keinen Gegensatz sah zum Westen und dessen Denk- und Lebensweise. Auch Abdullah - dessen Mutter war eine Engländerin - will zwischen den Kulturen vermitteln, ist er doch Produkt einer Erziehung, die ihm die traditionellen islamischen Werte ebenso beibrachte wie westliche Vorstellungen. Abdullah ist einerseits ein Mekka-Pilger, dem der Schutz der heiligen Stätten des Islam in Jerusalem am Herzen liegt, der jedoch andererseits - zusammen mit Königin Rania, einer Palästinenserin - regen Anteil nimmt am modernen Leben.
Als Abdullah II. aufwuchs, hatte sich die Welt mit radikalen Palästinensern auseinanderzusetzen. Ein Achtjähriger erlebt oder hört aus Erzählungen, wie bewaffnete Freischärler seinem Vater ans Leder wollen - im Schwarzen September 1970. Anders als in den westlichen Bürger-Monarchien stehen die kindlichen Spiele in einem arabischen Königshaus unter ernsteren Vorzeichen. Als Abdullah nach seiner Ausbildung im jordanischen Militär aktiv war, begleiteten ihn solche Gefahren indirekt. Als König Hussein schwer erkrankte, hatte es schon 18 nachgewiesene Attentatsversuche auf ihn gegeben.
Ausführlich beschreibt der Monarch jene turbulenten Tage, da sich der inzwischen todkranke Vater entschloss, nicht Kronprinz Hasan ibn Talal, der viele Jahrzehnte als natürlicher Nachfolger auf dem Haschemiten-Thron gegolten hatte, zum Nachfolger zu machen, sondern ihn, seinen ältesten Sohn. Hasan ist Abdullahs Onkel. Wie sehr das Interesse an einem Zusammenhalt der Dynastie damals zu Buche schlug, wurde deutlich, als der übergangene Hasan die Loyalität zum neuen Kronprinzen und Monarchen über alles stellte. So jedenfalls beschreibt es der König. Es war gewissen Leuten nicht gelungen, durch Intrigen die verwandtschaftlichen Verhältnisse und Bande zu zerstören. Abdullah bewegt sich nun seit elf Jahren, wie er schreibt, "in den Fußstapfen einer Legende", doch scheint er nicht unter der Figur des Vaters zu leiden.
Das Königreich Jordanien gehört zu jenen Ländern in der Region, in denen der dezidiert islamischen Opposition ein fester Platz im politischen Gefüge zugewiesen ist. Die Islamisten bilden so etwas wie "Seiner Majestät Opposition", wofür schon König Hussein gesorgt hatte. Zumindest in Jordanien hat sich dieser Weg des Umgangs mit den Islamisten als intelligenter erwiesen denn die sonst in der Region übliche Repression. Nach seiner Thronbesteigung - so schildert es der junge König - war es nicht immer einfach, Reformen anzuregen und durchzusetzen. Viel Überzeugungsarbeit war und ist zu leisten. Insbesondere die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, aber auch der Bildung (vor allem der Frauen) waren seit seinem Amtsantritt wichtige Ziele des Monarchen. Begegnungen und Erfahrungen mit den politischen Führern in der Nachbarschaft, mit Ariel Scharon oder Benjamin Netanjahu, aber auch arabischen und westlichen Politikern, wie Bush, angesichts des Terrorismus der vergangenen Jahre nehmen gebührenden Raum ein in dem Buch. Zu Recht, denn der Friede, seine Bewahrung zwischen Jordanien und Israel, seine Herstellung zwischen Israel und den Palästinensern ist das wichtigste Thema im Nahen Osten überhaupt.
Abdullah war ein Gegner des Irak-Krieges von Präsident George W. Bush, hatte seine Familie doch einst auch dort geherrscht. Wie skeptisch der König, trotz seiner Hoffnungen auf die "neue Stimme" Obama die Aussichten einschätzt, zeigt der Titel seiner Autobiographie: "Die letzte Chance". Israel sieht er gegenwärtig als Festung. Zum Zeitpunkt, da dieses Buch erscheint, ist Arabien im Aufruhr. Auch der König muss sich mit Demonstranten auseinandersetzen. Man wüsste gerne, was er über diesen Aufbruch denkt.
König Abdullah II. von Jordanien: Die letzte Chance. Mein Kampf für Frieden im Nahen Osten.
DVA, München 2011. 447S., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
König Abdullah II. von Jordanien sieht Israel als Festung und hofft auf die Vereinigten Staaten.
Von Wolfgang Günter Lerch
Seinen Vater nannte man einst den "kleinen König" und "Friedensstifter", weil er 1994 die Beziehungen seines Landes zu Israel normalisierte. Wie man den Sohn und gegenwärtigen König des Haschemitischen Königreichs Jordanien einmal nennen wird, steht noch in den Sternen. In der Autobiographie von König Abdullah II. von Jordanien stechen jedenfalls viele Ähnlichkeiten mit dem Vater, dem 1999 verstorbenen Hussein Bin Talal, hervor: die Ausbildung unter englischer, dann amerikanischer Leitung, der obligatorische Besuch der Militärakademie von Sandhurst, die Neigung zu schnellen Autos und die Freude an sportlicher Betätigung.
König Abdullahs Vater verstand sich als Mensch des Orients, der trotzdem keinen Gegensatz sah zum Westen und dessen Denk- und Lebensweise. Auch Abdullah - dessen Mutter war eine Engländerin - will zwischen den Kulturen vermitteln, ist er doch Produkt einer Erziehung, die ihm die traditionellen islamischen Werte ebenso beibrachte wie westliche Vorstellungen. Abdullah ist einerseits ein Mekka-Pilger, dem der Schutz der heiligen Stätten des Islam in Jerusalem am Herzen liegt, der jedoch andererseits - zusammen mit Königin Rania, einer Palästinenserin - regen Anteil nimmt am modernen Leben.
Als Abdullah II. aufwuchs, hatte sich die Welt mit radikalen Palästinensern auseinanderzusetzen. Ein Achtjähriger erlebt oder hört aus Erzählungen, wie bewaffnete Freischärler seinem Vater ans Leder wollen - im Schwarzen September 1970. Anders als in den westlichen Bürger-Monarchien stehen die kindlichen Spiele in einem arabischen Königshaus unter ernsteren Vorzeichen. Als Abdullah nach seiner Ausbildung im jordanischen Militär aktiv war, begleiteten ihn solche Gefahren indirekt. Als König Hussein schwer erkrankte, hatte es schon 18 nachgewiesene Attentatsversuche auf ihn gegeben.
Ausführlich beschreibt der Monarch jene turbulenten Tage, da sich der inzwischen todkranke Vater entschloss, nicht Kronprinz Hasan ibn Talal, der viele Jahrzehnte als natürlicher Nachfolger auf dem Haschemiten-Thron gegolten hatte, zum Nachfolger zu machen, sondern ihn, seinen ältesten Sohn. Hasan ist Abdullahs Onkel. Wie sehr das Interesse an einem Zusammenhalt der Dynastie damals zu Buche schlug, wurde deutlich, als der übergangene Hasan die Loyalität zum neuen Kronprinzen und Monarchen über alles stellte. So jedenfalls beschreibt es der König. Es war gewissen Leuten nicht gelungen, durch Intrigen die verwandtschaftlichen Verhältnisse und Bande zu zerstören. Abdullah bewegt sich nun seit elf Jahren, wie er schreibt, "in den Fußstapfen einer Legende", doch scheint er nicht unter der Figur des Vaters zu leiden.
Das Königreich Jordanien gehört zu jenen Ländern in der Region, in denen der dezidiert islamischen Opposition ein fester Platz im politischen Gefüge zugewiesen ist. Die Islamisten bilden so etwas wie "Seiner Majestät Opposition", wofür schon König Hussein gesorgt hatte. Zumindest in Jordanien hat sich dieser Weg des Umgangs mit den Islamisten als intelligenter erwiesen denn die sonst in der Region übliche Repression. Nach seiner Thronbesteigung - so schildert es der junge König - war es nicht immer einfach, Reformen anzuregen und durchzusetzen. Viel Überzeugungsarbeit war und ist zu leisten. Insbesondere die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation, aber auch der Bildung (vor allem der Frauen) waren seit seinem Amtsantritt wichtige Ziele des Monarchen. Begegnungen und Erfahrungen mit den politischen Führern in der Nachbarschaft, mit Ariel Scharon oder Benjamin Netanjahu, aber auch arabischen und westlichen Politikern, wie Bush, angesichts des Terrorismus der vergangenen Jahre nehmen gebührenden Raum ein in dem Buch. Zu Recht, denn der Friede, seine Bewahrung zwischen Jordanien und Israel, seine Herstellung zwischen Israel und den Palästinensern ist das wichtigste Thema im Nahen Osten überhaupt.
Abdullah war ein Gegner des Irak-Krieges von Präsident George W. Bush, hatte seine Familie doch einst auch dort geherrscht. Wie skeptisch der König, trotz seiner Hoffnungen auf die "neue Stimme" Obama die Aussichten einschätzt, zeigt der Titel seiner Autobiographie: "Die letzte Chance". Israel sieht er gegenwärtig als Festung. Zum Zeitpunkt, da dieses Buch erscheint, ist Arabien im Aufruhr. Auch der König muss sich mit Demonstranten auseinandersetzen. Man wüsste gerne, was er über diesen Aufbruch denkt.
König Abdullah II. von Jordanien: Die letzte Chance. Mein Kampf für Frieden im Nahen Osten.
DVA, München 2011. 447S., 22,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Relativ unbeeindruckt zeigt sich Heiko Flottau angesichts dieser Autobiografie von Jordaniens König Abdullah II. Das königliche Werk, das seiner Vermutung nach weitgehend vom königlichen Mitarbeiterstab verfasst wurde, wirkt auf ihn vor allem wie eine "PR-Aktion" zur Sicherung des Thrones. Dabei zeigt er durchaus Verständnis dafür, dass der König nicht "ganz ehrlich" sein kann, etwa wenn es um das angespannte Verhältnis zu seinem beim Volk beliebteren Bruder geht. Andererseits hätte er sich schon ein wenig mehr Aufrichtigkeit im Blick auf die eigenen Reformbemühungen oder Probleme der jordanischen Gesellschaft gewünscht. Immerhin scheint ihm die Klage des Königs über das Scheitern seiner Bemühungen im Friedensprozess im Nahen Osten und die israelische Siedlungspolitik nachvollziehbar. Dies entbindet den König nach Ansicht des Rezensenten freilich nicht davon, sich den Forderungen nach Demokratie in der arabischen Welt zu stellen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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