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Samstag, 5. Dezember 1992. Muckau, ein Dorf südlich von Leipzig. Weder Wende noch Wiedervereinigung haben den Tagebau zum Stillstand gebracht. Obwohl der Zusammenbruch der Braunkohleindustrie absehbar ist, drehen sich die Schaufelräder weiter, haben sich die Bagger bis an die Ortschaft herangefressen, deren Bewohner seit einem Jahr umgesiedelt werden. Die alten Schlegels sind die letzten. Ihr Abschied von Haus und Hof steht kurz bevor. Deshalb ist die Familie zusammengekommen, um Albrechts letztes Schwein zu schlachten. Am frühen Morgen erscheint jedoch kein Schlachter, sondern eine…mehr

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Produktbeschreibung
Samstag, 5. Dezember 1992. Muckau, ein Dorf südlich von Leipzig. Weder Wende noch Wiedervereinigung haben den Tagebau zum Stillstand gebracht. Obwohl der Zusammenbruch der Braunkohleindustrie absehbar ist, drehen sich die Schaufelräder weiter, haben sich die Bagger bis an die Ortschaft herangefressen, deren Bewohner seit einem Jahr umgesiedelt werden. Die alten Schlegels sind die letzten. Ihr Abschied von Haus und Hof steht kurz bevor. Deshalb ist die Familie zusammengekommen, um Albrechts letztes Schwein zu schlachten. Am frühen Morgen erscheint jedoch kein Schlachter, sondern eine Schlachterin und schlägt die drei Generationen dieser einst systemtragenden ostdeutschen Familie in ihren Bann.Patrick Hofmanns derb-komischer Debütroman schildert das Schicksal einer Familie in einer Region, die wie keine zweite deutsche im 20. Jahrhundert von radikalen gesellschaftlichen, ideologischen, industriellen und landschaftlichen Umwälzungen heimgesucht wurde. Stück für Stück werden mit dem Schwein die deutsche Geschichte und die kommunistische Utopie zerlegt und verarbeitet - ein Auflösungsprozess, der auch vor der Familie nicht Halt macht.
Autorenporträt
Patrick Hofmann, geboren 1971 in Borna, studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte in Berlin, Leipzig, Moskau und Straßburg und promovierte über Husserls Theorie der Beschreibung. Patrick Hofmann lebte die letzten Jahre in Athen, wo er u. a. in der Autovermietungsbranche, als Journalist, Chauffeur, freiberuflicher Übersetzer und Deutschlehrer tätig war; vom Sommer 2009 an wird er in Berlin leben. Die letzte Sau ist seine erste belletristische Buchveröffentlichung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2009

Schlachtszenen der Wendezeit
Patrick Hofmanns Debüt "Die letzte Sau"

Von Michael Martens

Donnerwetter: Dies ist ein deutscher Roman, zeitgenössisch und halbtrocken, aber es geht darin nicht um die Identitätskrisen urbaner Mittdreißiger, es wird nicht in Prenzlauer Altbauwohnungen gelebt, niemand ist "crazy", keiner in der Werbebranche oder beim Fernsehen, und es wird auf mehr als zweihundertachtzig Seiten auch kein einziger Cappuccino getrunken (dafür viel Muckefuck und Bohnenkaffe). Es kommt nicht einmal ein Innenarchitekt vor. Stattdessen Herta Schlegel, dreiundsiebzig Jahre alt, die es von der Arbeit an der Kartoffelsortieranlage der LPG mit den Ohren hat, oder ihr ältester Schwiegersohn, der ein schnurloses Telefon besitzt und es liebt, bei seinem Audi 100 (geleast) dem Surren der Zentralverriegelung zuzuhören.

Der Debütroman "Die letzte Sau" von Patrick Hofmann spielt auf dem Lande, in dem Dorf Muckau südlich von Leipzig. An einem Dezembertag des Jahres 1992 ist hier zum letzten Mal die Familie Schlegel auf dem Bauernhof des alten Albrecht Schlegel versammelt. Es soll ein Schwein geschlachtet werden, dessen Mast der Hofherr lange hinausgezögert hat - denn es ist buchstäblich seine letzte Sau. Muckau soll dem Braunkohletagebau zum Opfer fallen, und nur die Schlegels sind noch nicht umgesiedelt. Nach dem Schlachten, bei dem die ganze Familie hilft, werden auch sie ihr Gehöft verlassen müssen. So wird der Schlachttag auch zu einem Tag des Abschieds der Familie vom Hof, von ihrer Vergangenheit, von sich selbst. Allen ist bewusst, dass an diesem Tag vieles zum letzten Mal geschieht.

In der Geschichte wird also gleichsam mit dem Schwein auch eine Familie in ihre Einzelteile zerlegt. Anfangs döst die Sau noch fett auf frischem Stroh, und die Familie besteht nur aus Namen, doch nach dem Bolzenschuss, während das Tier allmählich zu Rippchen, Blutwurst und Schinken verarbeitet wird, erfahren wir immer mehr über die Schlachtenden.

Es ist ein nicht mehr gar so ländliches Landleben, das da geschildert wird, und Hofmann begeht nicht den Fehler, dem angeblich verzärtelten Großstädtertum das vermeintlich "echte", "urtümliche" Dorf gegenüberzustellen - dafür beobachtet er zu genau und dafür schreibt er zu kontrolliert. Außerdem verhindert dieses verschlafene Monster, das sich dem Dorf bedrohlich und unaufhaltsam nähert, das Aufkommen einer Idylle: "Der Tagebau kam näher und näher. Die Muckauer stürzten sich endgültig ins Vergessen. Sie wurden sture, familiäre Leute, wahre Helden der Verdrängung, die sich einschlossen im engsten Kreis, alle Feste feierten und nicht über die Zukunft redeten." Cröbern, Rödgen, Crostewitz, Sestewitz, Göhren, Dechwitz und Gruna haben die Schaufelräder schon geschluckt und einer Gegend einverleibt, "in der das Vergessen haust". Nun soll auch Muckau zum Unort werden.

Vor diesem beklemmenden Hintergrund zoomt sich der 1971 in Borna geborene Autor in die Familie Schlegel hinein, die mit den Tücken der Wende und der neuen Zeit ringt und natürlich auch ihre dunklen Seiten hat. Doch es ist alles andere als ein trister Roman, der dabei herauskommt, zumal es immer wieder derart appetitliche Schlachtszenen gibt, dass man glatt in die nächste Metzgerei laufen und ein Blutwurstbrötchen bestellen möchte: "Die Schlachterin legte mit vorsichtigen Stichen die Fersensehne der Hinterbeine frei und zwängte das Krummholz zwischen Flechse und Knochen. Mit dem Strick, an dem sie die Sau aus dem Stall geführt hatte, band sie das Holz an die Leiter. Zu viert hoben sie die Leiter von den Böcken und lehnten sie an den Stall. Gekreuzigt mit dem Kopf nach unten, rutschte dem Schwein das Gedärm in den Brustkorb. Aus den Wunden im Kopf, in der Brust, aus dem Maul und der Nase lief Blut."

Schwächen? Hier und da zünden einige Dialoge nicht recht, und die heikle Bettszene zwischen der sehr ambitioniert angelegten Schlachterin und einer Familienangehörigen, unter Einsatz von frischer Wurst ist, nun ja, Geschmackssache. Aber das sind Details in einem ingesamt erstaunlich gelungenen Buch. Von einem Autor, der so entschlossen und originell debütiert, ist noch einiges zu erwarten. Es wäre schade, wenn diesen Erstling kein Schwein läse.

Patrick Hofmann: "Die letzte Sau". Roman. Verlag Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2009. 286 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Provinz ist in, diagnostiziert Rainer Moritz nicht zuletzt angesichts Patrick Hofmanns Debütroman "Die letzte Sau". Mit profunder Fachkenntnis und großer Anschaulichkeit führt der 1972 geborene Autor darin in die Feinheiten des Schlachtens und der Fleischverarbeitung ein. Er schildert, wie eine - Männer wie Frauen gleichermaßen - betörende Schlachterin bei einem Schlachtfest auf einem sächsischen Bauernhof 1992 die "letzte Sau" zu Blutwurst und Kotelett verarbeitet. En Detail führe der Autor zudem bis dahin in der Literatur beispiellose Beschreibungen "eigenwilliger Sexualpraktiken" vor, bei der, wenn man dem Rezensenten glauben darf, Blutwürste eine prominente Rolle spielen. Bis dahin ist der Roman für Moritz ein durchaus bemerkenswerter Romanerstling. Schade nur, dass sich Hofmann nicht auf die Figur seiner schönen Schlachterin verlassen hat und seinen Roman mit gelehrten Zitaten, philosophischen Exkursen und Reflexionen über die DDR und die Treuhand überfrachtet hat, bedauert der Rezensent.

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