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Das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg: Am Abend des 9. August 1917 schießen Kriegsschiffe des verfeindeten Russlands die Kleinstadt Ordu an der Schwarzmeerküste in Brand. Da die christlichen Minderheiten des Reichs verdächtigt werden, den Kriegsgegner insgeheim zu unterstützen, fürchten die ortsansässigen Griechen die Rache ihrer türkischen Nachbarn. Panisch versuchen sie, an Bord der Schiffe zu gelangen. Eine, die es schafft, ist die 15-jährige Alexandra. Doch ihre Heimat sieht sie niemals wieder. Nach dem Krieg werden aus dem Gebiet der heutigen Türkei etwa 1,2 Millionen Griechen…mehr

Produktbeschreibung
Das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg: Am Abend des 9. August 1917 schießen Kriegsschiffe des verfeindeten Russlands die Kleinstadt Ordu an der Schwarzmeerküste in Brand. Da die christlichen Minderheiten des Reichs verdächtigt werden, den Kriegsgegner insgeheim zu unterstützen, fürchten die ortsansässigen Griechen die Rache ihrer türkischen Nachbarn. Panisch versuchen sie, an Bord der Schiffe zu gelangen. Eine, die es schafft, ist die 15-jährige Alexandra. Doch ihre Heimat sieht sie niemals wieder. Nach dem Krieg werden aus dem Gebiet der heutigen Türkei etwa 1,2 Millionen Griechen zwangsausgesiedelt.
100 Jahre später reist Alexandras Enkel Mirko Heinemann auf den Spuren seiner Familie und der sogenannten Pontos-Griechen durch den Norden der Türkei. Er erzählt, wie Griechen seit der Antike an den kleinasiatischen Küsten lebten, mit Byzanz das Erbe Roms antraten, bis sie in den letzten Jahren des Osmanischen Reichs erst dem aufgeschaukelten Nationalismus und schließlich den Interessen der Großmächte zum Opfer fielen. Eine hierzulande fast vergessene Geschichte, die bis heute das Verhältnis zwischen der Türkei und Europa prägt.
Autorenporträt
Heinemann, Mirko
Jahrgang 1966, wurde als Sohn einer griechischen Mutter und eines deutschen Vaters in Thessaloniki geboren. Aufgewachsen ist er in Mönchengladbach, heute lebt er in Berlin. Als freier Redakteur konzipiert er Themenbeilagen in Zeit, Handelsblatt, Capital, Welt und WirtschaftsWoche und arbeitet für Printmedien wie taz, Das Parlament, FAZ und für den Hörfunk, etwa die Programme des Deutschlandfunks. Träger des Journalistenpreises der Pall-Mall-Foundation.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2019

Der Schlächter ist heute wieder ein Held
Mirko Heinemann erzählt die traurige Geschichte der Pontosgriechen

Das Versagen der Versailler Nachkriegsordnung wurde zuerst in Kleinasien sichtbar. Im Vertrag von Sèvres, dem letzten der "Vorortverträge" von 1919, teilten die alliierten Siegermächte das Osmanische Reich in Mandatsgebiete und Einflusszonen auf: Der Irak fiel an Großbritannien, Syrien und der Libanon an Frankreich, Thrakien an Bulgarien und das Gebiet um Smyrna an Griechenland. Ein armenischer und ein kurdischer Staat sollten gegründet, Konstantinopel und das Marmarameer internationalisiert werden. Der jungen Türkei blieben nur das anatolische Kerngebiet und Kappadokien bis zum Euphrat.

Doch die Alliierten hatten ihre Kräfte überschätzt. In blutigen Feldzügen eroberte die türkische Republik unter Mustafa Kemal, später Atatürk, die meisten besetzten Gebiete zurück. Die besiegte griechische Armee schiffte sich in Smyrna ein und überließ ihre Landsleute einem grausamen Schicksal. Der 1923 in Lausanne vereinbarte "Bevölkerungsaustausch", die wechselseitige Vertreibung der kleinasiatischen Griechen und der griechischen Muslime, ratifizierte den neuen Status quo. Bis heute ringen beide Nationen wie der ganze Nahe Osten mit den Folgen des Scheiterns von Versailles.

Mirko Heinemann erzählt dieses Völkerdrama in der Form einer Familiengeschichte. Seine Großmutter Alexandra floh im August 1917 auf einem russischen Kriegsschiff aus dem Städtchen Ordu an der südlichen Schwarzmeerküste nach Georgien. Die hundertjährige Wiederkehr des Kriegsgeschehens gibt Heinemann den Impuls für eine Recherchereise in die Vergangenheit. Er fährt in die Stadt seiner Ahnen, heute Altinordu, und sucht nach den Spuren der Pontosgriechen, zu denen seine Familie gehörte. Und er entfaltet das Panorama der letzten Jahre der griechisch-türkischen Koexistenz im Schwarzmeergebiet, die mit Hoffen und Bangen begannen und mit Mord und Vertreibung endeten.

Dabei ist Heinemann nicht immer textsicher, was die historischen Fakten angeht - seine Ausführungen zum Byzantinischen Reich sollte man überblättern -, aber in seinen Gegenwartsschilderungen trifft er durchweg den richtigen Ton. Die Geschichte Ordus, das auf Griechisch Kotyora hieß, erschließt er sich im Dialog mit einem türkischen Bekannten, der ihn mit Dokumenten und Fotografien versorgt. Dabei zeigt sich, dass die Pontosgriechen ebenso wie Türken und Armenier in den Bann der nationalistischen Bewegungen des neunzehnten Jahrhunderts gerieten. Neben der Hypapante-Kirche, die heute ein touristisches Highlight von Altinordu ist, stand eine später abgerissene Reformschule, in welcher der kulturelle Unterschied zum Lehrinhalt wurde. Bei den Verhandlungen in Sèvres präsentierte eine griechische Delegation den Amerikanern die Karte einer "Pontischen Republik" in den Grenzen des mittelalterlichen Kaiserreichs von Trapezunt. Sie gelangte nur bis ins Vorzimmer.

Während der osmanische Völkermord an den Armeniern fest im kollektiven Gedächtnis des Westens verankert ist, verblasst allmählich die Erinnerung an den Opfergang der griechischen Bevölkerung Kleinasiens. Auch deshalb muss man Heinemann dafür danken, dass er neues Licht auf diese düstere Episode des zwanzigsten Jahrhunderts wirft, ohne vor ihren Schrecken erzählerisch zu kapitulieren. Eine der zentralen Figuren seines Buches ist der Guerrillaführer Topal Osman, dessen Banden mit Billigung Atatürks erst die armenische und dann die griechische Bevölkerung des Pontosgebirges systematisch auslöschten - die Stadt Ordu freilich verschonte er. Den Ablauf der Massaker entwirft Heinemann anhand von Augenzeugenberichten, ihre historische Bewertung überlässt er den Fachleuten. Umso glaubwürdiger wirkt sein Entsetzen darüber, dass der Schlächter der Pontosgriechen heute von türkischen Nationalisten wieder als Volksheld verehrt wird.

Bei seinen Recherchen hat Heinemann viele Türken getroffen, die von nichttürkischen Vorfahren wie Griechen, Kurden, Armeniern oder Lazen abstammen, aber über ihre familiäre Herkunft in der Öffentlichkeit kein Wort verlieren. Dieser Verschwiegenheit im Privaten entspricht die Doppelgesichtigkeit der türkischen Regierungspolitik unter Erdogan: "Man zeigt einerseits Toleranz gegenüber Minderheiten, andererseits will man verhindern, dass sie innerhalb der Türkei ein eigenständiges Profil entwickeln. Das scheint typisch für Nationalstaaten zu sein, die ihre Einheit gefährdet sehen." Dem ist nichts hinzuzufügen.

ANDREAS KILB

Mirko Heinemann:

"Die letzten Byzantiner".

Die Vertreibung der

Griechen vom Schwarzen Meer. Eine Spurensuche.

Ch. Links Verlag,

Berlin 2019.

264 S., Abb., geb., 25,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Mirko Heinemanns Buch ist auf geradezu erzhumane Weise um Objektivität und Suche nach Ausgleich bemüht. So beeindruckt neben der vorbildlichen Geschichtsrekonstruktion, wie er Biografien Heutiger auf beiden Seiten darin einwebt. Erhard Schütz, der Freitag Fesselnd und in lebendiger Sprache geschrieben. Heinz Gstrein, Katholische Nachrichten-Agentur