Kennen Sie die fünfte Geschmacksrichtung neben süß, sauer, bitter und salzig? Möchten Sie wissen, wie Sie einen ganzen Truthahn optimal braten oder warum Ihr Soufflée immer misslingt? Anschaulich und unterhaltsam erklärt der Physikdozent Peter Barham anhand leckerer Rezepte und interessanter Küchenexperimente zum Selbermachen die naturwissenschaftlichen Prozesse, die beim Zubereiten von Lebensmitteln ablaufen, und verrät dabei seine ganz persönlichen Tricks, Tipps und Kniffe. Denn wer die Chemie und Physik des Kochens versteht, ist auf dem Weg zum Meisterkoch.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2003Kochen mit dem Logarithmus
Wenn Physiker dem Koch über die Schulter schauen
Mathematik, Physik und Chemie - diese Zutaten fehlten uns gerade noch in der Küche, wo wir schon mit dünnen Fonds, trockenem Fisch und klatschnassem Brot unsere liebe Not haben. Doch gerade davon möchte uns Peter Barham befreien, indem er uns in das einweiht, was er für "Die letzten Geheimnisse der Kochkunst" hält (363 Seiten, 26 Abbildungen, 30 Tabellen, 15 Euro, im Buchhandel). Den Physikdozenten aus Bristol verläßt sein messerscharfer Verstand auch mit umgehängter Schürze nicht. Mit den Augen des Naturwissenschaftlers sieht er Dämpfen, Sautieren, Kochen und Backen. Wie läßt sich beim Anbraten von Fleisch das dabei entstehende köstliche Aroma verstärken? Barham kennt die Tricks der Maillard-Reaktion und rät, vorab in der Pfanne ein Stück Fleisch zum Anfüttern dieser autokatalytisch beschleunigten Wandlung vom Muskelklotz zum schmackhaften Sirloin Steak anzubraten. In welcher Pfanne aber?
Der Brite hat ein unsentimentales Verhältnis zum Küchenwerkzeug, er bevorzugt wie jeder Koch nur das Beste, hiervon jedoch eine nur kleine Auswahl von Pfannen, Kasserollen und Töpfen mit solidem Boden aus Metall, deren ladenneue Exemplare er mit rauchendem Öl einer wirkungsvollen Antihaft-Behandlung unterzieht. Sogar billigste Eisenwaren werden so zu hochwertigem Werkzeug, das zudem niemals abzuwaschen, sondern nur auszuwischen ist.
Das macht der Profikoch nicht anders, der zudem Eischaum für Biskuit oder Zabaglione am liebsten im Kupferkessel aufschlägt - weil dieses Metall als guter thermischer Leiter die Handwärme auf den Inhalt überträgt und Kupferionen in Wechselwirkung mit Proteinen treten, die dadurch leichter den ersehnten haltbar-feinporigen Schaum bilden, wie unser Autor doktoral assistiert. Überhaupt das Backen, dessen erfolgreichere Ergebnisse dem Domestizieren von wilden Tieren gleicht. Wer den Hirsch gern im Zoo schießt, greift zu den faden Backmischungen mit der Geling-Garantie. Wer jedoch schäumende Hefe selbst bändigt und Blätterteig für 729 Fett- sowie 730 Teigschichten auf dem eigenen Küchentisch sechsmal ausrollt und zusammenschlägt, der findet in diesem Buch die wissenschaftliche Grundlage seines Tuns. Darüber hinaus erklärt es, warum das, was wir aus dem Brotbackautomaten heben, mehr mit dem Automaten als mit Brot zu tun hat, widmet es doch der Bläschenbildung an sich sowie der von Kohlendioxyd im Teig besondere Aufmerksamkeit.
Wie und warum schlägt man eine Vinaigrette oder eine Mayonnaise auf, ohne daß ihre Bestandteile allzu schnell wieder auseinanderstreben? Was macht einen guten Herd, einen funktionellen Backofen aus? Barham begründet seine Vorliebe für Gas wissenschaftlich. Mit seinen Antworten untermauert er mit der Autorität des Physikers weiteres Bewährtes aus der Küche, ohne freilich seinen Anspruch zu erfüllen, den Deckel letzter Geheimnisse der eigentlichen Kochkunst zu lupfen. Immerhin singt er das Lied der Einfachheit hinsichtlich technischer Ausstattung und das der Kombination von frischen Produkten mit überlegtem Handwerk.
Daß sogar ein Eierkocher nicht vor unterschiedlichen Ergebnissen bewahrt, finden wir unter Anwendung der Wärmeübertragung in eine Formel gegossen, in welcher der Logarithmus des zum Quadrat erhobenen Durchmessers des Hühnerprodukts die tragende Rolle spielt, um ein festes Eiweiß (70 Grad Celsius) zu erzielen, das ein flüssiges Eigelb von 63 Grad umhüllt. Am Ende stehen handfeste Ratschläge, wie sie die besseren Kochbücher nicht anders liefern, nur daß sie dort nicht wissenschaftlich begründet und durch Experimente abgesichert werden. Die Übersetzung ins Küchendeutsche leidet ein wenig unter mangelndem Vokabular, weshalb Saucen nicht reduziert, sondern eingeengt, ein Fisch gleich mit einem Flammenwerfer gegrillt wird, wo es doch die ebenfalls für Crème brûlée genutzte Lötlampe täte oder Hähnchenbrust pietätvoll in eine feuerfeste Form überführt statt umgesetzt wird.
NILS SCHIFFHAUER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn Physiker dem Koch über die Schulter schauen
Mathematik, Physik und Chemie - diese Zutaten fehlten uns gerade noch in der Küche, wo wir schon mit dünnen Fonds, trockenem Fisch und klatschnassem Brot unsere liebe Not haben. Doch gerade davon möchte uns Peter Barham befreien, indem er uns in das einweiht, was er für "Die letzten Geheimnisse der Kochkunst" hält (363 Seiten, 26 Abbildungen, 30 Tabellen, 15 Euro, im Buchhandel). Den Physikdozenten aus Bristol verläßt sein messerscharfer Verstand auch mit umgehängter Schürze nicht. Mit den Augen des Naturwissenschaftlers sieht er Dämpfen, Sautieren, Kochen und Backen. Wie läßt sich beim Anbraten von Fleisch das dabei entstehende köstliche Aroma verstärken? Barham kennt die Tricks der Maillard-Reaktion und rät, vorab in der Pfanne ein Stück Fleisch zum Anfüttern dieser autokatalytisch beschleunigten Wandlung vom Muskelklotz zum schmackhaften Sirloin Steak anzubraten. In welcher Pfanne aber?
Der Brite hat ein unsentimentales Verhältnis zum Küchenwerkzeug, er bevorzugt wie jeder Koch nur das Beste, hiervon jedoch eine nur kleine Auswahl von Pfannen, Kasserollen und Töpfen mit solidem Boden aus Metall, deren ladenneue Exemplare er mit rauchendem Öl einer wirkungsvollen Antihaft-Behandlung unterzieht. Sogar billigste Eisenwaren werden so zu hochwertigem Werkzeug, das zudem niemals abzuwaschen, sondern nur auszuwischen ist.
Das macht der Profikoch nicht anders, der zudem Eischaum für Biskuit oder Zabaglione am liebsten im Kupferkessel aufschlägt - weil dieses Metall als guter thermischer Leiter die Handwärme auf den Inhalt überträgt und Kupferionen in Wechselwirkung mit Proteinen treten, die dadurch leichter den ersehnten haltbar-feinporigen Schaum bilden, wie unser Autor doktoral assistiert. Überhaupt das Backen, dessen erfolgreichere Ergebnisse dem Domestizieren von wilden Tieren gleicht. Wer den Hirsch gern im Zoo schießt, greift zu den faden Backmischungen mit der Geling-Garantie. Wer jedoch schäumende Hefe selbst bändigt und Blätterteig für 729 Fett- sowie 730 Teigschichten auf dem eigenen Küchentisch sechsmal ausrollt und zusammenschlägt, der findet in diesem Buch die wissenschaftliche Grundlage seines Tuns. Darüber hinaus erklärt es, warum das, was wir aus dem Brotbackautomaten heben, mehr mit dem Automaten als mit Brot zu tun hat, widmet es doch der Bläschenbildung an sich sowie der von Kohlendioxyd im Teig besondere Aufmerksamkeit.
Wie und warum schlägt man eine Vinaigrette oder eine Mayonnaise auf, ohne daß ihre Bestandteile allzu schnell wieder auseinanderstreben? Was macht einen guten Herd, einen funktionellen Backofen aus? Barham begründet seine Vorliebe für Gas wissenschaftlich. Mit seinen Antworten untermauert er mit der Autorität des Physikers weiteres Bewährtes aus der Küche, ohne freilich seinen Anspruch zu erfüllen, den Deckel letzter Geheimnisse der eigentlichen Kochkunst zu lupfen. Immerhin singt er das Lied der Einfachheit hinsichtlich technischer Ausstattung und das der Kombination von frischen Produkten mit überlegtem Handwerk.
Daß sogar ein Eierkocher nicht vor unterschiedlichen Ergebnissen bewahrt, finden wir unter Anwendung der Wärmeübertragung in eine Formel gegossen, in welcher der Logarithmus des zum Quadrat erhobenen Durchmessers des Hühnerprodukts die tragende Rolle spielt, um ein festes Eiweiß (70 Grad Celsius) zu erzielen, das ein flüssiges Eigelb von 63 Grad umhüllt. Am Ende stehen handfeste Ratschläge, wie sie die besseren Kochbücher nicht anders liefern, nur daß sie dort nicht wissenschaftlich begründet und durch Experimente abgesichert werden. Die Übersetzung ins Küchendeutsche leidet ein wenig unter mangelndem Vokabular, weshalb Saucen nicht reduziert, sondern eingeengt, ein Fisch gleich mit einem Flammenwerfer gegrillt wird, wo es doch die ebenfalls für Crème brûlée genutzte Lötlampe täte oder Hähnchenbrust pietätvoll in eine feuerfeste Form überführt statt umgesetzt wird.
NILS SCHIFFHAUER
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