«Großartig!» Aki Kaurismäki
Jaako ist 37, als sein Arzt ihm eröffnet, dass er keine Grippe hat, sondern sterben wird, und zwar sehr bald: Jemand hat ihn über längere Zeit hinweg vergiftet. Das an sich ist schon geeignet, einem Mann so richtig den Tag zu verderben. Leider wird Jaako bei der Rückkehr nach Hause außerdem noch Zeuge, wie ihn seine Frau mit Petri betrügt, dem jungen, knackigen Angestellten ihrer gemeinsamen Firma. Der Firma, die in jüngster Zeit gefährlich Konkurrenz bekommen hat. Jaako beschließt herauszufinden, wer ihn um die Ecke bringen will. Und er wird sein Unternehmen für die Zeit nach seinem Tod fit machen. Der Handel mit den in Japan zu Höchstpreisen gehandelten Matsutake-Pilzen läuft nämlich ausgezeichnet, und in Finnlands Wäldern wachsen nun einmal die besten. Doch das neue Konkurrenzunternehmen kämpft wirklich mit harten Bandagen. Ist es da Jaakos Schuld, wenn es zu Toten kommt? Und hat er überhaupt Zeit für anderer Leute Sorgen? Denn so viel ist klar: Mit dem Tod vor Augen geht alles leichter, gilt es doch jede Minute zu genießen.
«Die letzten Meter bis zum Friedhof» ist nicht einfach ein Kriminalroman, sondern ein besonderes Buch: lustig und tragisch, berührend und skurril, lebensklug und nachdenklich, ein Roman, der trotz seines makabren Themas die Lebensgeister weckt, und eine schräge Lektüre, bei der man sich fühlt, als befände man sich in einem Film von Aki Kaurismäki.
Jaako ist 37, als sein Arzt ihm eröffnet, dass er keine Grippe hat, sondern sterben wird, und zwar sehr bald: Jemand hat ihn über längere Zeit hinweg vergiftet. Das an sich ist schon geeignet, einem Mann so richtig den Tag zu verderben. Leider wird Jaako bei der Rückkehr nach Hause außerdem noch Zeuge, wie ihn seine Frau mit Petri betrügt, dem jungen, knackigen Angestellten ihrer gemeinsamen Firma. Der Firma, die in jüngster Zeit gefährlich Konkurrenz bekommen hat. Jaako beschließt herauszufinden, wer ihn um die Ecke bringen will. Und er wird sein Unternehmen für die Zeit nach seinem Tod fit machen. Der Handel mit den in Japan zu Höchstpreisen gehandelten Matsutake-Pilzen läuft nämlich ausgezeichnet, und in Finnlands Wäldern wachsen nun einmal die besten. Doch das neue Konkurrenzunternehmen kämpft wirklich mit harten Bandagen. Ist es da Jaakos Schuld, wenn es zu Toten kommt? Und hat er überhaupt Zeit für anderer Leute Sorgen? Denn so viel ist klar: Mit dem Tod vor Augen geht alles leichter, gilt es doch jede Minute zu genießen.
«Die letzten Meter bis zum Friedhof» ist nicht einfach ein Kriminalroman, sondern ein besonderes Buch: lustig und tragisch, berührend und skurril, lebensklug und nachdenklich, ein Roman, der trotz seines makabren Themas die Lebensgeister weckt, und eine schräge Lektüre, bei der man sich fühlt, als befände man sich in einem Film von Aki Kaurismäki.
buecher-magazin.deJakoo hat eigentlich ein gutes Leben: Die Firma, die er zusammen mit seiner Frau Taina aufgebaut hat, wird bald expandieren. Allerdings hat er ziemlich zugenommen, weil Taina all seine Lieblingsessen kocht. Liegt es an der Wampe und am wenigen Sport, dass er Probleme mit dem Kreislauf hat? Ein Arztbesuch lässt Jakoos heile Welt zusammenbrechen: Die Befunde der inneren Organe zeigen, dass er vergiftet wurde und nur noch wenige Monate zu leben hat. Als Jakoo unerwartet nach Hause kommt, erwischt er Taina mit einem der Angestellten beim Sex. Und geht leise weg. Nach dem ersten großen Schock wird Jakoo sauer. Hat sich etwa das Liebespaar zusammengetan, um ihn zu ermorden? Oder waren es die Kleinstadtganoven vom Nachbarhof, die ihm Konkurrenz im Business machen wollen? Man kann noch mehr Pech haben, wie der Detektiv in eigener Sache bald erfahren wird: Ein Samurai-Schwert, ein japanischer Geschäftsmann und eine zerstörte Sauna spielen ebenfalls noch eine Rolle im Buch. Kaurismäki trifft Tarantino: Dazu passt auch der schwarze Humor des Autors, der mit viel sprachlichem Können und fantasievoller Bosheit seinen harmlosen Helden von einer Bredouille in die nächste tappen lässt.
© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)
© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2018Wer früher stirbt
Antti Tuomainen folgt einem Vergifteten gen Friedhof
Ein Mann geht mit diffusen Beschwerden zum Arzt und erfährt dort, dass er vergiftet wurde. Jede Therapie sei aussichtslos, viel Zeit bleibe nicht mehr. Sofort stellt der Mann Recherchen an, um herauszubekommen, wer ihn auf dem Gewissen hat. Das ist der Stoff von Rudolph Matés Film noir "Opfer der Unterwelt" aus dem Jahr 1949. Dem finnischen Autor Antti Tuomainen ist die Verbindung von Intoxikation und Mordermittlung in eigener Sache offenbar sympathisch, denn er hat sie nun, fast siebzig Jahre später, zur Grundlage seines Romans "Die letzten Meter bis zum Friedhof" gemacht.
Jaakko, so heißt der vergiftete Protagonist, leitet gemeinsam mit seiner Frau ein florierendes Unternehmen, das Matsutake-Pilze exportiert. Nach dem Arztbesuch macht er sich auf den Heimweg, um ihr die Diagnose mitzuteilen, was sich jedoch als schwierig erweist, da er sie mit dem Logistikleiter der Firma in erotischer Entrückung vorfindet. Weitere Wirrungen: Zum einen haben sich in direkter Nachbarschaft zu Jaakkos Betrieb drei finstere, ebenfalls auf den Pilzhandel spezialisierte Gestalten niedergelassen. Zum anderen stehen bald fast alle in der Story auftauchenden Figuren im Verdacht, potentielle Giftmischer zu sein.
Der Roman fragt laufend, aber unaufdringlich nach dem Sinnentzug durch den Tod. Wer glücklich stirbt, kann das Glück nicht fortsetzen; wer unglücklich stirbt, hat keine Möglichkeit, je wieder glücklich zu werden. Jaakko überlegt, in welche Kategorie er wohl fällt. Ja, er hatte ein bis dato erfülltes Leben und ist Chef eines kleinen, allerdings sehr erfolgreichen Konzerns; ja, seine Frau betrügt ihn, und er wurde umgebracht. Wie man es auch dreht und wendet, er muss sich von gegenwärtigem Behagen und zukünftigen Chancen verabschieden. Sinn bietet nur noch das bisschen Leben, welches ihm bleibt, um seinen Mord aufzuklären. Doch wie viel Sinn kann da schon drinstecken? Bei Karl Ove Knausgård lesen wir: "Sinn erfordert Fülle, Fülle erfordert Zeit." Die Zeit in Tuomainens Krimi ist denkbar knapp, und so heißt es denn auch: "Es gibt keinen Sinn, keine Ordnung der Dinge."
Immerhin bemüht sich Jaakko, seinen letzten Tagen ein Maximum an Ereignisreichtum zu verpassen. Damit bildet er eine Gegenfigur zu Theophrast, der, als er im Alter von fünfundachtzig Jahren starb, gesagt haben soll: "Denn wenn wir zu leben beginnen, dann sterben wir." Jaakko hingegen scheint erst richtig zu leben, gerade weil er stirbt. Entsprechend die Konfliktstärke: Messerkampf, Schwertkampf, Axtkampf, zum Runterkommen Verfolgungsjagden. Unser Held glänzt stets im Zentrum des Geschehens und wirkt, obwohl sterbend, erstaunlich dynamisch.
Selbst für abgedroschene Witzchen ist noch genügend Energie vorhanden. Da kann auch die geradlinige Übersetzung von Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner nichts beschönigen. Leider verkantet sie sich, und das ist ein spezifisch deutsches Problem, sobald es an die wörtliche Rede geht. Beim Entsorgen einer Leiche sagt eine Figur zur anderen: "Hebe ihn ein wenig an." Ein typisches Beispiel für einen Imperativ als Stolperstein. Wer heimlich halbverweste Menschen beseitigt, sollte auf keinen Fall klingen wie ein Studienrat, dem nichts heiliger ist als vom Duden verhängte Sprachdekrete.
Bis zum Schluss nimmt Jaakko seine Umgebung "mit geschärften Sinnen" wahr. Einem Krimi tut das immer gut, denn beobachtete, mitgehörte und erschnüffelte Details führen zur Aufklärung. Andererseits fragt sich, was Jaakko von der Lösung des Falls hätte. "Nichts. Ich bin ja dann längst tot." So pendelt der Plot zwischen dem Bedürfnis nach Erkenntnis und einer fatalistischen Haltung, die an Michel de Montaignes Ausspruch denken lässt: "Wer zu sterben gelernt hat, den drückt kein Dienst mehr."
KAI SPANKE
Antti Tuomainen: "Die letzten Meter bis zum Friedhof".
Aus dem Finnischen von Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2018.
320 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Antti Tuomainen folgt einem Vergifteten gen Friedhof
Ein Mann geht mit diffusen Beschwerden zum Arzt und erfährt dort, dass er vergiftet wurde. Jede Therapie sei aussichtslos, viel Zeit bleibe nicht mehr. Sofort stellt der Mann Recherchen an, um herauszubekommen, wer ihn auf dem Gewissen hat. Das ist der Stoff von Rudolph Matés Film noir "Opfer der Unterwelt" aus dem Jahr 1949. Dem finnischen Autor Antti Tuomainen ist die Verbindung von Intoxikation und Mordermittlung in eigener Sache offenbar sympathisch, denn er hat sie nun, fast siebzig Jahre später, zur Grundlage seines Romans "Die letzten Meter bis zum Friedhof" gemacht.
Jaakko, so heißt der vergiftete Protagonist, leitet gemeinsam mit seiner Frau ein florierendes Unternehmen, das Matsutake-Pilze exportiert. Nach dem Arztbesuch macht er sich auf den Heimweg, um ihr die Diagnose mitzuteilen, was sich jedoch als schwierig erweist, da er sie mit dem Logistikleiter der Firma in erotischer Entrückung vorfindet. Weitere Wirrungen: Zum einen haben sich in direkter Nachbarschaft zu Jaakkos Betrieb drei finstere, ebenfalls auf den Pilzhandel spezialisierte Gestalten niedergelassen. Zum anderen stehen bald fast alle in der Story auftauchenden Figuren im Verdacht, potentielle Giftmischer zu sein.
Der Roman fragt laufend, aber unaufdringlich nach dem Sinnentzug durch den Tod. Wer glücklich stirbt, kann das Glück nicht fortsetzen; wer unglücklich stirbt, hat keine Möglichkeit, je wieder glücklich zu werden. Jaakko überlegt, in welche Kategorie er wohl fällt. Ja, er hatte ein bis dato erfülltes Leben und ist Chef eines kleinen, allerdings sehr erfolgreichen Konzerns; ja, seine Frau betrügt ihn, und er wurde umgebracht. Wie man es auch dreht und wendet, er muss sich von gegenwärtigem Behagen und zukünftigen Chancen verabschieden. Sinn bietet nur noch das bisschen Leben, welches ihm bleibt, um seinen Mord aufzuklären. Doch wie viel Sinn kann da schon drinstecken? Bei Karl Ove Knausgård lesen wir: "Sinn erfordert Fülle, Fülle erfordert Zeit." Die Zeit in Tuomainens Krimi ist denkbar knapp, und so heißt es denn auch: "Es gibt keinen Sinn, keine Ordnung der Dinge."
Immerhin bemüht sich Jaakko, seinen letzten Tagen ein Maximum an Ereignisreichtum zu verpassen. Damit bildet er eine Gegenfigur zu Theophrast, der, als er im Alter von fünfundachtzig Jahren starb, gesagt haben soll: "Denn wenn wir zu leben beginnen, dann sterben wir." Jaakko hingegen scheint erst richtig zu leben, gerade weil er stirbt. Entsprechend die Konfliktstärke: Messerkampf, Schwertkampf, Axtkampf, zum Runterkommen Verfolgungsjagden. Unser Held glänzt stets im Zentrum des Geschehens und wirkt, obwohl sterbend, erstaunlich dynamisch.
Selbst für abgedroschene Witzchen ist noch genügend Energie vorhanden. Da kann auch die geradlinige Übersetzung von Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner nichts beschönigen. Leider verkantet sie sich, und das ist ein spezifisch deutsches Problem, sobald es an die wörtliche Rede geht. Beim Entsorgen einer Leiche sagt eine Figur zur anderen: "Hebe ihn ein wenig an." Ein typisches Beispiel für einen Imperativ als Stolperstein. Wer heimlich halbverweste Menschen beseitigt, sollte auf keinen Fall klingen wie ein Studienrat, dem nichts heiliger ist als vom Duden verhängte Sprachdekrete.
Bis zum Schluss nimmt Jaakko seine Umgebung "mit geschärften Sinnen" wahr. Einem Krimi tut das immer gut, denn beobachtete, mitgehörte und erschnüffelte Details führen zur Aufklärung. Andererseits fragt sich, was Jaakko von der Lösung des Falls hätte. "Nichts. Ich bin ja dann längst tot." So pendelt der Plot zwischen dem Bedürfnis nach Erkenntnis und einer fatalistischen Haltung, die an Michel de Montaignes Ausspruch denken lässt: "Wer zu sterben gelernt hat, den drückt kein Dienst mehr."
KAI SPANKE
Antti Tuomainen: "Die letzten Meter bis zum Friedhof".
Aus dem Finnischen von Niina Katariina Wagner und Jan Costin Wagner.
Rowohlt Verlag, Reinbek 2018.
320 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Kai Spanke scheint Spaß zu haben mit Antti Tuomainens Krimi über einen Sterbenden auf der Suche nach seinem Mörder. Wie der Held nach einer Intoxikation mit Ermittlungen loslegt und in allerlei Verwirrungen und die Frage tappt, was ihm die Lösung seines Falls wohl bringen mag, wenn er schließlich doch tot ist, findet Spanke famos, auch, weil das nahe Ende der Figur eine Fülle an Ereignissen beschert, mehr als ihm lieb sein kann sogar. So dynamisch wie der Todgeweihte dem Rezensenten gegenübertritt, so abgedroschen wirkt leider mancher Witz im Text, meint Spanke, zumal die Übersetzung das Ganze mit dudenfesten Dialogen überinstrumentiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Großartig! Aki Kaurismäki