Henryk M. Broder verteidigt das gute alte Europa der Freiheit und Vielfalt
In »Die letzten Tage Europas« beschreibt Henryk M. Broder die Tragödie, wie aus der großen europäischen Idee eine kleinteilige, Europa in Frage stellende Ideologie geworden ist. Mit einem brandgefährlichen Hang zur totalen Bevormundung von allem und jedem.
Mit seiner Polemik outet sich Henryk M. Broder als wahrer Europäer, der die europäische Vielfalt schätzt und deswegen der totalen Gleichmacherei durch die europäischen Bürokraten den bösen Spiegel vorhält. Wie kann es beispielsweise sein, dass ein europäischer Spitzenpolitiker freimütig erklärt, Europa könne wegen seiner strukturellen Demokratiedefizite niemals Mitglied der EU werden? Wie kommt es, dass es für jede unmaßgebliche Bagatelle detaillierte Regeln gibt (vom Gemüse bis zum Kondom), aber nicht für den Umgang mit Diktaturen? Kann es angehen, dass die spanische Polizei "europaskeptische" Demonstranten niederprügelt wie weiland unter Franco? Broder entlarvt das Europa der Bürokraten und der Gleichschaltung als geprägt von einem neuen Totalitarismus, erfunden und propagiert von einer Politikerkaste, die die europäischen Völker in Geiselhaft genommen hat: Das uns verordnete Europa sei alternativlos, heißt es, wer es ablehnt, gefährde den Frieden.
Da ist Broder doch sehr viel optimistischer und gibt all denen eine Stimme, die an Europa glauben, aber vom geldvernichtenden Merkel-Barroso-Draghi-Europa und dessen Alarmismus genug haben. Im Übrigen plädiert er für deutsche Solidarität mit den Armen in Europa, wenn das Geld auch bei denen ankommt, die es wirklich nötig haben.
In »Die letzten Tage Europas« beschreibt Henryk M. Broder die Tragödie, wie aus der großen europäischen Idee eine kleinteilige, Europa in Frage stellende Ideologie geworden ist. Mit einem brandgefährlichen Hang zur totalen Bevormundung von allem und jedem.
Mit seiner Polemik outet sich Henryk M. Broder als wahrer Europäer, der die europäische Vielfalt schätzt und deswegen der totalen Gleichmacherei durch die europäischen Bürokraten den bösen Spiegel vorhält. Wie kann es beispielsweise sein, dass ein europäischer Spitzenpolitiker freimütig erklärt, Europa könne wegen seiner strukturellen Demokratiedefizite niemals Mitglied der EU werden? Wie kommt es, dass es für jede unmaßgebliche Bagatelle detaillierte Regeln gibt (vom Gemüse bis zum Kondom), aber nicht für den Umgang mit Diktaturen? Kann es angehen, dass die spanische Polizei "europaskeptische" Demonstranten niederprügelt wie weiland unter Franco? Broder entlarvt das Europa der Bürokraten und der Gleichschaltung als geprägt von einem neuen Totalitarismus, erfunden und propagiert von einer Politikerkaste, die die europäischen Völker in Geiselhaft genommen hat: Das uns verordnete Europa sei alternativlos, heißt es, wer es ablehnt, gefährde den Frieden.
Da ist Broder doch sehr viel optimistischer und gibt all denen eine Stimme, die an Europa glauben, aber vom geldvernichtenden Merkel-Barroso-Draghi-Europa und dessen Alarmismus genug haben. Im Übrigen plädiert er für deutsche Solidarität mit den Armen in Europa, wenn das Geld auch bei denen ankommt, die es wirklich nötig haben.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.2013Auf der schiefen Ebene
Henryk M. Broder sieht die EU auf den Zerfall zusteuern
Für jeden Gegner von Brüsseler Regulierungswut und milliardenteurer "Eurorettung" ist dieses Buch eine Fundgrube: Der Publizist und Querdenker Henryk M. Broder hat eine Fülle von Absurditäten zusammengetragen, die die EU - mit tatkräftiger Mithilfe der deutschen Politik - ihren Bürgern eingebrockt hat. Wer das Verbot von Glühbirnen und die Vereinheitlichung immer weiterer Lebensbereiche auf einem vielfältigen Kontinent schon immer für ein Ärgernis gehalten hat, wird bei der Lektüre zwischen dem Genuss der Selbstbestätigung und dem Erschauern darüber schwanken, dass alles womöglich noch schlimmer ist als ohnehin befürchtet. Wer dagegen ein zentralistisches Rechtsregime von Schweden über Rumänien bis Griechenland für ein Gebot der Friedenspolitik hält, könnte beim Lesen ins Zweifeln geraten, ob der gegenwärtige Kurs nicht erst recht Zwietracht zwischen den Völkern sät.
Broder ist ein begnadeter Provokateur, der für einen guten Gag womöglich seine eigene Großmutter verkaufen würde. Mit galligem Sarkasmus, einer ausgeprägten Lust an der Polemik und großem Witz vereinfacht er manches, bringt aber auch vieles auf den (wunden) Punkt und macht Zusammenhänge deutlich. Das hohle Pathos des Politikbetriebs auf EU-Ebene ist für den Abkömmling einer polnisch-jüdischen Handwerkerfamilie nichts anderes als die "Agitprop" in der untergegangenen DDR - diesmal nicht von kommunistischen Parteifunktionären, sondern von Vertretern eines neuen "europäischen Adels", der damit seine eigenen Pfründen und Kompetenzen verteidigt. Und Kritiker schnell mit Tabus belegt, als Ketzer ausgrenzt und Denkverbote verhängt.
Man darf diesem Autor abnehmen, dass er alles andere als ein Nationalist ist. Doch wendet er sich gegen einen Superstaat, der die Menschen bevormundet, ihre Unterschiede missachtet und Reichtum beständig umverteilt. Sein Wunsch ist vergleichsweise bescheiden: ein Moratorium zum Nachdenken, ob der Marsch in einen Einheitsstaat weitergehen und noch immer mehr Länder an der Peripherie in den Club aufgenommen werden sollen. Doch weiß Broder selbst, dass die Hoffnung auf ein Innehalten eine Illusion ist. "Die EU hat keine Zeit, eine Pause einzulegen", schreibt er. "Der Fahrer eines Wagens, der mit defekten Bremsen einen Berg hinunterrollt, würde auch nicht zu einer Landkarte greifen, um zu schauen, ob es noch einen anderen Weg gibt." Denn die nächste Krise lauere schon um die Ecke.
JOACHIM JAHN.
Henryk M. Broder: Die letzten Tage Europas.
Knaus Verlag, München 2013, 223 Seiten, 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Henryk M. Broder sieht die EU auf den Zerfall zusteuern
Für jeden Gegner von Brüsseler Regulierungswut und milliardenteurer "Eurorettung" ist dieses Buch eine Fundgrube: Der Publizist und Querdenker Henryk M. Broder hat eine Fülle von Absurditäten zusammengetragen, die die EU - mit tatkräftiger Mithilfe der deutschen Politik - ihren Bürgern eingebrockt hat. Wer das Verbot von Glühbirnen und die Vereinheitlichung immer weiterer Lebensbereiche auf einem vielfältigen Kontinent schon immer für ein Ärgernis gehalten hat, wird bei der Lektüre zwischen dem Genuss der Selbstbestätigung und dem Erschauern darüber schwanken, dass alles womöglich noch schlimmer ist als ohnehin befürchtet. Wer dagegen ein zentralistisches Rechtsregime von Schweden über Rumänien bis Griechenland für ein Gebot der Friedenspolitik hält, könnte beim Lesen ins Zweifeln geraten, ob der gegenwärtige Kurs nicht erst recht Zwietracht zwischen den Völkern sät.
Broder ist ein begnadeter Provokateur, der für einen guten Gag womöglich seine eigene Großmutter verkaufen würde. Mit galligem Sarkasmus, einer ausgeprägten Lust an der Polemik und großem Witz vereinfacht er manches, bringt aber auch vieles auf den (wunden) Punkt und macht Zusammenhänge deutlich. Das hohle Pathos des Politikbetriebs auf EU-Ebene ist für den Abkömmling einer polnisch-jüdischen Handwerkerfamilie nichts anderes als die "Agitprop" in der untergegangenen DDR - diesmal nicht von kommunistischen Parteifunktionären, sondern von Vertretern eines neuen "europäischen Adels", der damit seine eigenen Pfründen und Kompetenzen verteidigt. Und Kritiker schnell mit Tabus belegt, als Ketzer ausgrenzt und Denkverbote verhängt.
Man darf diesem Autor abnehmen, dass er alles andere als ein Nationalist ist. Doch wendet er sich gegen einen Superstaat, der die Menschen bevormundet, ihre Unterschiede missachtet und Reichtum beständig umverteilt. Sein Wunsch ist vergleichsweise bescheiden: ein Moratorium zum Nachdenken, ob der Marsch in einen Einheitsstaat weitergehen und noch immer mehr Länder an der Peripherie in den Club aufgenommen werden sollen. Doch weiß Broder selbst, dass die Hoffnung auf ein Innehalten eine Illusion ist. "Die EU hat keine Zeit, eine Pause einzulegen", schreibt er. "Der Fahrer eines Wagens, der mit defekten Bremsen einen Berg hinunterrollt, würde auch nicht zu einer Landkarte greifen, um zu schauen, ob es noch einen anderen Weg gibt." Denn die nächste Krise lauere schon um die Ecke.
JOACHIM JAHN.
Henryk M. Broder: Die letzten Tage Europas.
Knaus Verlag, München 2013, 223 Seiten, 19,99 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Provokant und witzig findet Rezensent Joachim Jahn, was Henryk M. Broder hier über den Wasserkopf in Brüssel schreibt, der immer neue Reglementierungen und Bevormundungen europäischer Bürger ausheckt, wie Jahn lernt. Für Brüssel-Gegner also, schreibt er, ist das Buch eine Fundgrube der Absurditäten. Jahn selbst erschauert allerdings mitunter angesichts des von Broder manchmal vereinfacht, dann wieder höchst treffend dargestellten EU-Pathos und seiner haarsträubenden Resultate. Broders Wunsch nach einem Moratorium zum Nachsinnen über die europäische Einigungswut hält der Rezensent für fromm, denn einen Nationalisten kann er im Autor beim besten Willen nicht erkennen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Der Hohepriester des vernichtenden Wortes beschränkt sich nicht auf das Geißeln von Missständen - sondern überzeugt vor allem durch detaillierte Geschichtskenntnis und als glühender Verfechter der europäischen Idee."