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Die Tragödie eines ganzen Jahrhunderts Am 22. Feburar 1942 nahm sich der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig, einer der berühmtesten Autoren seiner Zeit, gemeinsam mit seiner Ehefrau Lotte im brasilianischen Exil das Leben. Es war die Verzweiflungstat eines Flüchtlings, der aus Europa hatte fliehen müssen, aber ohne die Kultur Europas nicht leben konnte. Er selbst war einer der Repräsentanten dieser Kultur, die nun von der Barbarei der Nazis vernichtet wurde, die seine Werke verbrannten, nur weil er jüdischer Herkunft war, die seine Freunde verfolgten und vertrieben, die keinen Platz…mehr

Produktbeschreibung
Die Tragödie eines ganzen Jahrhunderts Am 22. Feburar 1942 nahm sich der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig, einer der berühmtesten Autoren seiner Zeit, gemeinsam mit seiner Ehefrau Lotte im brasilianischen Exil das Leben. Es war die Verzweiflungstat eines Flüchtlings, der aus Europa hatte fliehen müssen, aber ohne die Kultur Europas nicht leben konnte. Er selbst war einer der Repräsentanten dieser Kultur, die nun von der Barbarei der Nazis vernichtet wurde, die seine Werke verbrannten, nur weil er jüdischer Herkunft war, die seine Freunde verfolgten und vertrieben, die keinen Platz auf der Welt ließen für einen überzeugten Pazifisten und Humanisten wie ihn. Es war aber auch die Verzweiflungstat einer Frau, die es nicht vermocht hatte, ihrem Mann ein Leben in der Fremde möglich zu machen und die ohne ihren Mann nicht leben wollte. Eine beklemmende Graphic Novel über die Tragödie eines Mannes, eines Paares und eines ganzen Jahrhunderts. 2010 erschien der französische Bestseller Vorgefühl der nahen Nacht von Laurent Seksik, ein biographischer Roman über die letzten Tage Stefan Zweigs. Nun hat Seksik den Text für diese Graphic Novel überarbeitet, Guillaume Sorel hat beeindruckende Bilder dazu geschaffen.
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Autorenporträt
Laurent Seksik, geb. 1962 in Nizza, studierte Medizin und war zunächst im Bereich Nuklearmedizin beschäftigt. Später arbeitete er u. a. als Literaturkritiker und Chefredakteur des Figaro étudiant. 1999 begann er, Romane zu schreiben. Viele seiner Bücher wurden ausgezeichnet und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Laurent Seksik lebt in Paris und arbeitet als Schriftsteller und Arzt. Guillaume Sorel, geb. 1966 in Cherbourg, studierte zunächst Architektur und später Illustration in Lyon und Paris. Seit 1987 arbeitet er als Illustrator für Zeitschriften und Magazine und als Comiczeichner. Er bebildert sowohl fremde als auch eigene Texte und ist damit sehr erfolgreich.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Ziemlich gelungen findet Rezensent Andreas Platthaus diesen Comic, dessen "literarisches Raffinement" durch die grafische Komponente noch erweitert wird, statt es nur zu wiederholen: Dass ein Autor von literarischem Rang mit einem Comiczeichner kollaboriert, sei in Frankreich zudem eine häufiger anzutreffende Arbeitweise, die in Deutschland kaum denkbar sei, wie Platthaus ausführt. So schildern Sorel und Seksik Stefan Zweigs letzte 190 Tage, bevor dieser sich im brasilianischen Exil 1942 das Leben nimmt, und damit die "elegische Stimmung" des Autors, der unter den Eindrücken des Zweiten Weltkriegs weder für sich noch für die Zivilisation eine Zukunft sieht. Gut gefallen dem Rezensenten die stilistische Gestaltung des Comics und dass sich daraus viel über Zweig, Brasilien und die "Psychologie von Heimatlosen" lernen lässt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2012

Sechs Monate sind eine Ewigkeit

Die letzte Lebensstation von Stefan Zweig war Brasilien. Über seine Flucht dorthin und den Tod haben Laurent Seksik und Guillaume Sorel einen sehr klugen Comic gemacht.

Auch das gibt es nun öfter: einen Comic, der mit allem literarischen Raffinement arbeitet und trotzdem durch seine Bilder noch etwas Entscheidendes hinzufügen lässt. Bei diesem Band hier haben wir allerdings auch den seltenen Fall, dass ein Romancier, der Franzose Laurent Seksik, sein eigenes Buch in ein Szenario, also die Textvorlage für einen Comic, umgearbeitet hat. Was in Deutschland nahezu undenkbar ist (eine Ausnahme ist der Genreautor Wolfgang Hohlbein), kommt in Frankreich als der europäischen Comic-Hochburg öfter vor. Dort schreibt etwa auch der Philosoph Michel Onfray die Vorlage zu einem Nietzsche-Biographiecomic oder der Historiker Jean Vautrin die zu einem Geschichtscomic. Seksiks Text wurden dann von Guillaume Sorel graphisch umgesetzt, und da die deutsche Übersetzung des Erfolgsromans zwar schon 2011 erschien, aber "Vorgefühl der nahen Nacht" genannt wurde (Blessing Verlag; F.A.Z. vom 27. Juni 2011), kann der Comic sogar den getreu übersetzten Titel des Originals tragen: "Die letzten Tage von Stefan Zweig".

Die letzten Tage sind immerhin deren 190, vom 15. August 1941 bis zum 23. Februar 1942, als Zweig sich zusammen mit seiner jungen Frau Lotte in der brasilianischen Stadt Petrópolis vergiftete. Dorthin hatte es den österreichischen Schriftsteller, der zu den weltweit meistgelesenen und höchstanerkannten deutschsprachigen Autoren gehörte, auf der Flucht vor dem Nationalsozialismus verschlagen, und beim hastigen Verlassen Wiens im Jahr 1934 waren unter anderem auch die Bibliothek und die bedeutende Autographensammlung Zweigs zurückgeblieben. In Brasilien schließlich kommt der Schriftsteller im Comic nur mit einem Koffer voller eigener Werke an. Es ist die letzte Rückversicherung des einstigen Ruhms.

Seksik beschreibt und Sorel zeichnet die elegische Stimmung eines Mannes, der keine Zukunft mehr sieht. Nicht für sich nach dem sechzigsten Geburtstag, den er im November 1941 in Petrópolis feiert, und nicht für die zivilisierte Welt, die er nach dem Fall des von Japanern belagerten Singapur am 15. Februar 1942 am Abgrund vermutet. Im lebensfrohen Rio de Janeiro sieht Zweig schon die braunen Kohorten aufmarschieren.

Diese Vision aber zeigt Sorel uns nicht, und das ist die spezifische Stärke dieses Comics: Er ist nicht plakativ. Die tropische Überfülle Brasiliens wird in dunkles Braun und Grün getaucht, als sähe man mit Zweigs Augen auf das hassgeliebte Exilland, das er immer nur mit seinem geliebten Wien vergleichen konnte. Und Lotte, seine lebenslustige Frau, erweist sich in der Bekräftigung von Zweigs unstillbarer Wien-Sehnsucht nicht als Retterin des mehr und mehr Verzweifelten. So groß ihre Sorge um den erlöschenden Lebensmut Stefan Zweigs auch ist, kann sie doch als Asthmatikerin, die sich zudem der Liebe ihres Mannes nicht sicher ist, die nötige Kraft, sich aufs Neue einzulassen, nicht aufbringen. Am Schluss geht sie mit ihrem Mann in den Tod - in einem Einverständnis, das an Tristan und Isolde erinnert.

Die Welt des Exils ist hier prunkvoll, weil Zweig Gönner hat, aber sie erscheint ihm kein Jota attraktiver als jenen Emigranten, die es schlechter getroffen haben. Sorel sorgt mit variabler Seitenarchitektur und aus der Hand gezogenen Bildrahmen für ständige graphische Verunsicherung, die Zweigs Zustand gerecht wird. Aus diesem Buch lernt man immens viel - nicht nur über Stefan Zweig, sein Leben, sein Werk, sein Denken, sondern auch über ein unbekanntes Exilland wie Brasilien und über die Psychologie von Heimatlosen.

ANDREAS PLATTHAUS

Guillaume Sorel, Laurent Seksik: "Die letzten Tage von Stefan Zweig".

Aus dem Französischen von Edmund Jacoby. Jacoby & Stuart, Berlin 2012. 90 S., geb., 24,- [Euro]. Ab 14 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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