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Ein kluger Liebes- und Familienroman, der zugleich ein Buch über das geteilte Deutschland ist
Die neunundzwanzigjährige Anna sucht ihren verschollenen Großvater, dessen Geschichte wie ein Schatten über dem Leben ihrer Familie liegt: Er ist im August 1961 aus der DDR geflohen und wenige Wochen später spurlos verschwunden. Während ihrer Recherchen lernt Anna Constantin kennen, Manager eines Internet-Unternehmens und zwanzig Jahre älter als sie. Zwischen den beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die eine jähe Wende erfährt, als Constantin Anna vor eine furchtbare Wahl…mehr

Produktbeschreibung
Ein kluger Liebes- und Familienroman, der zugleich ein Buch über das geteilte Deutschland ist

Die neunundzwanzigjährige Anna sucht ihren verschollenen Großvater, dessen Geschichte wie ein Schatten über dem Leben ihrer Familie liegt: Er ist im August 1961 aus der DDR geflohen und wenige Wochen später spurlos verschwunden.
Während ihrer Recherchen lernt Anna Constantin kennen, Manager eines Internet-Unternehmens und zwanzig Jahre älter als sie. Zwischen den beiden entwickelt sich eine leidenschaftliche Liebesbeziehung, die eine jähe Wende erfährt, als Constantin Anna vor eine furchtbare Wahl stellt.
Plötzlich zeigt sich die Geschichte des Großvaters in Annas Leben, erzählt sich in ihrer Gegenwart fort: eine Geschichte von Heimat und Flucht, Liebe und Verrat und von der Wahl, vor die einen die Freiheit stellt: Soll man gehen oder bleiben?

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Autorenporträt
Ricarda Junge 1979 in Wiesbaden geboren, ist Absolventin des Deutschen Literaturinstituts Leipzig. Anschließend studierte sie evangelische Theologie in Frankfurt am Main. Für ihr Debüt »Silberfaden« wurde sie 2003 mit dem Grimmelshausen-Förderpreis ausgezeichnet. 2005 erschien ihr Roman »Kein fremdes Land«, für den sie den George-Konell-Preis erhielt, 2008 »Eine schöne Geschichte«, 2010 der Roman »Die komische Frau« und 2014 der Roman »Die letzten warmen Tage«. 2013 erhielt sie den Robert-Gernhardt-Preis. Ricarda Junge lebt mit ihrer Familie in Berlin und Frankfurt am Main.

Literaturpreise:

Mehrfach Förderpreise des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen
2003 Grimmelshausen-Förderpreis
George-Konell-Preis für »Kein fremdes Land«
2013 Robert-Gernhardt-Preis
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicht recht warm wird Rezensentin Swantje Karich mit Ricarda Junges Roman. Die Geschichte einer Familienlüge, die noch in die Ritzen des Alltags der übernächsten Generation kriecht, bietet laut Karich zwar jede Menge Gegenwartskolorit und sämtliche Themen der jüngsten deutschen Vergangenheit, von der DDR-Flucht bis zur SMS-Lovestory, so richtig zu zünden scheint ihr der Text aber nicht. Zu blass bleibt die Hauptfigur, erdrückt geradezu, so erklärt Karich ihre Enttäuschung, von der politischen Thematik. Andersherum scheint der Rezensentin das Politische durch das autobiografisch gefärbte Persönliche im Buch nicht zu gewinnen. Sprachlich reißt sie der Text auch nicht vom Hocker: präzise zwar, doch ohne Brüche, Höhen oder Tiefen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2014

Wer sich nicht wehrt, darf sich nachher nicht beschweren

Ricarda Junge hat in ihrem Roman "Die letzten warmen Tage" hinter die Fassade ihrer eigenen Familie geschaut und erzählt die Geschichte einer folgenreichen Lüge.

Von Swantje Karich

In Ricarda Junges Roman "Die letzten warmen Tage" findet sich alles, was die jüngste deutsche Vergangenheit an Themen anzubieten hat: unter anderem eine DDR-Fluchtgeschichte, ein Jetset-Heuschreckenmann mit dicker Golduhr, ein magersüchtiges Mädchen mit gefühlskalten Eltern. Fehlt noch etwas? Ach ja: eine Skype-SMS-Liebesbeziehung, ein Pfarrer, der sich mehr um die Sterbenden kümmert als um seine Kinder, und ein Graffitikünstler, der eigentlich einer rechtsradikalen Jugendgruppe angehört. Und mittendrin in diesem Netz aus Charakterköpfen hängt die blasse Anna, die wir in kunstvoll ineinanderfließenden Zeitsprüngen bis zu ihrem neunundzwanzigsten Jahr begleiten - ins wohlhabende Wiesbaden-Sonnenberg, was sie nur lapidar "Fliegenschiss" nennt. Dort läuft nichts, wie die glatten Fassaden vermuten lassen. Wir ziehen mit nach Leipzig zum Jurastudium, was sie aber nie beginnen wird. Und schließlich nach Berlin, wo Anna "Probleme hat", ihre Zigarettenmarke zu finden, und Geld mit Produktbeschreibungen für "Universal Shoes" verdient.

An Anna zerren die Lügen aus der Vergangenheit: Die Eltern ihrer Mutter flüchteten kurz vor dem Mauerbau von Rostock nach Lübeck; der Großvater aber verschwand wenig später spurlos. Alle behaupten, man wisse nicht, was mit ihm geschehen sei. Oma Lore sagt: Er ist verschollen. Es muss etwas passiert sein. Die Suche der Enkelin nach der Wahrheit bildet die große Klammer im Hintergrund. Im Zentrum aber stehen die psychischen Folgen dieser ersten Lüge, der Unfähigkeit, sich mit dem Geschehen zu konfrontieren. Sie hat jede Ritze von Annas Leben vergiftet. Sie wirkt über zwei Generationen und in alle Richtungen - zu ihrem Bruder Eike und ihrem Onkel Georg. Der Bruder der Mutter gilt in der Familie als Versager. Er hockt in einer heruntergekommenen Wohnung, arbeitet nicht, weiß nichts mit sich anzufangen - das jedenfalls behauptet der Familiengossip. Das nichts ist, wie es in Wiesbaden-Sonnenberg auf den ersten Blick scheint, ist bald durchschaut.

Annas Mutter ist seit dem Verschwinden des Vaters misstrauisch gegenüber allen Männern, immer bereit zur erneuten Flucht: "Um zum Absprung bereit zu sein, hängte sie auch keine Gardinen auf, brachte keine Lampen an." Möbel wurden auch nicht gekauft. Erst später schenkt sie sich selbst jedes Jahr ein Möbelstück zu Weihnachten. Annas Vater ist Pfarrer und taucht meist in einer sich wiederholenden Szene auf, nämlich in der Beschreibung seiner "zwei kleinen schwarzen Koffer, einer für Haustaufen, der andere für die Feier des Abendmahls". Je nachdem, welcher Koffer fehlt, weiß Anna, was ihr Vater gerade macht. Und Annas Bruder Eike: Der vergisst am liebsten alles ganz schnell.

Anna interessiert nur eins: Sie will Romane schreiben. Dass bedeutet nicht, dass sie Romanschriftstellerin werden will, sondern sie muss einfach jeden Tag schreiben, sonst "zerplatzt ihr Kopf". Am liebsten nachts. Mit diesen Worten beschreibt auch die Autorin Ricarda Junge selbst ihren lebenserhaltenden Schreibdruck. In einem Gespräch sagte sie kürzlich: "Ich würde sterben, wenn ich nicht schreiben könnte." Nicht nur diese Sätze schlagen einen direkten Bogen zur Autorin, auch die Fluchtgeschichte aus der DDR stimmt mit der Biographie der Autorin überein. Auch, dass Ricarda Junges (wie Annas) Vater und Großvater früher auch Schriftsteller werden wollten. Im Roman sind beide gescheitert. Und Anna soll jetzt nicht auch noch ihre Zeit damit vertrödeln.

Was ist Anna für ein Typ? Sie ist ständig auf der Suche. Durchdrungen von einer Sehnsucht, vertrauen zu können, rennt sie oft naiv, aber auch mutig los. Umwege machen ihr nichts aus: "Ich konnte mir kaum vorstellen, dass ich eine Entscheidung, die ich jetzt traf, für den Rest meines Lebens bereuen würde". Zu viele starke Familienseile ziehen an ihr. Und sie steuert dagegen an: "Meine Mutter sagte immer, es sei besser, beizeiten zu gehen, als im Nachhinein zu erkennen, man habe den richtigen Moment zum Absprung verpasst." Anna findet als Reaktion den Absprung (fast) nie. Ihre Mutter: "Wir müssen hier mal wieder entrümpeln. Was wirklich wichtig ist, müsst ihr unter einem Arm tragen können." Anna beginnt, alles zu sammeln, was ihr begegnet, Scherben, Zapfen, allerlei.

Ricarda Junges Sprache ist präzise und über weite Strecken geprägt von kurzen Sätzen: "Eine Nachricht. Von Dir. Sofort greife ich nach dem Handy. Nein, nur mein Bruder. Am Abend will er vorbeikommen." Passagen mit längeren Sätzen verlaufen fließend: ohne Brüche, ohne große Höhen und Tiefen. Annas Leben aber ist ein Auf und Ab: Sie wählt Helmut Kohl, der ihr "blühende Landschaften" versprochen hat. Als alle anderen für Schröder stimmen, fühlt sie sich verraten. Sie läuft Max in der Schule hinterher, obwohl er sie demütigt. Er ist ihre erste große Liebe, der Querschläger, der überall aneckt, sein Leben bejammert, säuft, die "Böhsen Onkelz" hört und andere drangsaliert - aber sie später beschützt. Noch später geht sie mit dem unsympathischen Heuschreckenmann Constantin, er will Consti genannt werden, nach Hause, obwohl sie gar nicht weiß, warum. Sie tut es, weil sie weiter hofft: Constantin hat ihr sein Sushi-Messer überlassen. "Aus der Schachtel lugt ein Zettel hervor. Nur der Garantieschein." Keine persönliche Note. Heuschrecken kennen keine Liebesbriefe, nur SMS. Sehr spät ist Anna von Consti frustriert - der Leser ist schon früher genervt. Constantin sagt erwartbare Sätze wie: "Wer sich nicht wehrt, darf sich hinterher nicht beschweren." Nur eine Beziehung bleibt unbeschädigt: jene zwischen Bruder und Schwester.

Alle Erzählstränge führen zu einer Frage: Soll man gehen oder bleiben? "Wenn wir in der Lage sind, uns an einen besseren Ort zu denken als den, an dem wir uns gerade befinden, warum sollten wir dort nicht bleiben?" - Mit diesen Worten fängt der Roman an. Sie tauchen später wieder auf. Es sind die Worte einer mutigen Erfinderin, einer Träumerin. Doch diese "besseren Orte" bereisen wir im Roman nicht. Was bleibt im Gedächtnis? Eine Erzählung, in der sich die politischen Themen und persönlichen Bezüge gegenseitig erdrücken. Und so bleibt der Leser schließlich hängen an dem mühsamen und etwas belanglosen Einzelschicksal von: Anna.

Ricarda Junge: "Die letzten warmen Tage". Roman.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2014. 432 S., geb., 21,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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beschreibt Ricarda Junge eindringlich, wie das Trauma der deutschen Teilung sich über Generationen vererbt. BRIGITTE 20150107