Mihály ist Feuilletonist,Theaterkritiker, Dichter, neurasthenisch - ein Flaneur wie Baudelaire ihn geträumt haben mag. Ein Mann von 47 Jahren, betrachtet er die Welt und sich selbst kontemplativ und abgeklärt, eingehüllt in den dekadenten Hauch des untergehenden Kaiserreichs, die verlorene Monarchie. Er versteht viel von Verführung, doch sein Verhältnis zu Frauen ist wie das zwischen einem Chinesen und seinem Fächer. Während Mihály die gutsituierte, verheiratete 5Fleur, wie er sie nennt - eine namenlose grande dame, anziehend und bedeutungslos zugleich -, halbherzig begehrt und 'besitzt', erduldet er die Liebe der unschuldigen jungen Schauspielschülerin Iboly.- "Irgendetwas fehlt. Irgendetwas kriege ich von ihr nicht. So als hielte ich eine Muschel ans Ohr und sie wollte nicht rauschen - In meinem ganzen Leben habe ich von Frauen nur den Nachmittag bekommen, und wie oft hat sich auch der noch zerschlagen."
Mihálys Eingehen auf die Liebe, die Frauen, das Leben, das Alter, die Armut, den Tod, das so flüchtige Glück, ist betörend, klug und berührend.
- Darmstädter Jury: Buch des Monats 12/2008
- Hörbuch-Bestenliste des Hessischen Rundfunks 02/2009 (Hörbuchfassung, gelesen von Dieter Wien)
Mihálys Eingehen auf die Liebe, die Frauen, das Leben, das Alter, die Armut, den Tod, das so flüchtige Glück, ist betörend, klug und berührend.
- Darmstädter Jury: Buch des Monats 12/2008
- Hörbuch-Bestenliste des Hessischen Rundfunks 02/2009 (Hörbuchfassung, gelesen von Dieter Wien)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.04.2009Literatur Fängt ein Roman so an: "Vielleicht sollte ich einen Roman schreiben", dann hat er schon mal schlechte Karten. Wen interessieren die Nöte des Schriftstellers beim Schreiben? "Die Liebe am Nachmittag" von Erno Szép (dtv, jetzt auch als Hörbuch) hat aber überhaupt nichts Selbstreferentielles, ebenso wenig wie "Fiasko" von Imre Kertész, für den Szép ein Idol und Vorbild war. Auch passt der neckische deutsche Titel nicht. Im Original heißt das Buch von 1935 "Ádámcsutka". Ein gewisser Mihály, Theaterschriftsteller und Feuilletonist, bemerkt im schönen Vorkriegsbudapest an sich und anderen sichere Vorzeichen des Verfalls: Wie bei den hageren Endvierzigern die Adamsäpfel wachsen, wie bei den eher Runden die Korsettkontur durchschlägt, gefärbte Haare, kaschierte Falten, eine Überdosis Rasierwasser, Diät, Brille, Sport, Goldkrone und dann diese immer jünger werdenden Freundinnen. "Das Gemeinste ist, dass Herren und auch Damen einem sagen: Prächtig schaust du aus oder Wie gut Sie doch aussehen. Dem jungen Menschen sagt keiner, dass er gut aussieht. Junge, sagt man, miserabel schaust du aus, Freund! Bist wohl ein Nachtschwärmer, die Lumperei und all die Weibergeschichten, du Lüstling! Auch ich gewöhne mir an, zu den fetten, angeschimmelten Visagen zu sagen: Gut sieht er aus, der gnädige Herr." Mihály lebt noch in einer Welt, in der junge Mädchen "Backfisch" genannt werden dürfen und auf Kaffeehaustischen ihr "Retikül" abstellen. Diese Welt ist dem Untergang geweiht, und sie weiß es. Eigentlich also eine Tragödie, aber leicht und frech geschrieben. Eine auf ironischer Spitze getanzte Ballade, ein Gutenachtlied auf Alt-Kakanien in 43 Strophen. Nach "Ádámcsutka" schrieb Szép dann nur noch seinen Bericht aus dem Arbeitslager "Drei Wochen in 1944", den gibt es zurzeit immerhin auf Englisch: "The Smell of Humans". Jetzt warten wir also auf die deutsche Übersetzung. Im schwedischen Exil sprach Szép von sich selbst nur noch in der Vergangenheit.
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Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Der Held dieses Romans, Mihaly, ist ein Mann ohne Liebe, aber mit Liebschaften. Er ist Dichter und Publizist und neigt nicht dazu, seine Leistungen als Feuilletonist oder Dramatiker zu überschätzen. Wie er überhaupt eher Realismus bevorzugt, auch im Romantischen. Was hier geschildert wird, so die Rezensentin Andrea Diener, ist das von den Nazis für immer vernichtete Ungarn der Zwischenkriegszeit. Auch der Autor Ernö Szep, der als Jude um Haaresbreite überlebte, war so eine dem Vergessen geweihte Figur. Und wie bei den Werken von Sandor Marai, mit denen Diener diesen "leisen, melancholischen Roman" jedenfalls dem Typus nach in eine Reihe stellt, lohne die Wiederentdeckung nach Jahrzehnten durchaus.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Ernö Széps 'Die Liebe am Nachmittag' ist eines der elegantesten Bücher, die ich kenne. Eckhart Nickel Die Welt 20181215