Liebesgeschichten enden im allgemeinen schlecht. Zumindest enden sie. Ohne Pathos, ohne Klischee, mit Zartheit und Sanftmut, entlarvt Brigitte Giraud den Alltag der Beziehungen. Elf Momentaufnahmen über die Liebe. Elf Mal Trennung, Es-den-Kindern-sagen, jemanden vermissen, einen Platz im Leben suchen, gemeinsam Nacht und Tag erleben, verlieben und sterben. Brigitte Giraud erzählt von Enttäuschung und Ratlosigkeit, von Arrangements mit der Lüge, von Brüchen und Zerrissenheit und von verlorener Leidenschaft. Sie schreibt einfach und doch voller Zwischentöne über Banalitäten, die keine sind, über zu viele Schlafzimmer und zu wenig Sex. Die Liebe ist doch sehr überschätzt. Es lebe die Liebe.
»Die Liebe überlebt die Trauer über die Liebe!« Libération
»Die Liebe überlebt die Trauer über die Liebe!« Libération
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2008Die Wende am Ende
Brigitte Giraud erzählt ihre Geschichten vom Ende her, oder vielmehr besteht jede ihrer Geschichten ganz aus dem Ende, das von Beginn an in ihr keimte. Es sind Liebesgeschichten, die dort spielen, wo man die Liebe am heftigsten spürt: in ihrem Vergangensein, im Verlust, dort, wo sie plötzlich fehlt und einer verstörenden Leere Platz gemacht hat. Der trotzige Titel "Die Liebe ist doch sehr überschätzt" verschiebt den Blick auf die mehr oder minder erfolgreichen Versuche, mit einer plötzlichen Einsamkeit oder einer nagenden Demütigung fertig zu werden. Die kurzen Erzählungen, fast alle in der Ich-Perspektive, sind sehr persönlich und wahren zugleich die analytische Distanz. In "Der richtige Platz" wehrt sich eine Witwe gegen den Vorwurf ihres Vaters, im Laufe der Jahre ihren verstorbenen Mann vergessen zu haben. "Er rührt sich auch weiterhin, Papa, wie ein schlagendes Herz. Er ist da, unvorhersehbar, aber immer in Bewegung. Sanft oder überwältigend. Schlummernd oder überschäumend. Inzwischen wohnt er in mir, ohne dass es mich in Verzweiflung stürzen würde. Ich trage ihn in mir wie ein Kind." Ein anderer Text beschreibt die Gedanken einer Frau, bevor sie ihren Kindern, noch in der "Wir-Form", sagt, dass die Eltern sich nun trennen werden. Giraud schreibt mit einer großen Sensibilität für die beiläufige Bemerkung oder die kleine Geste, die schon das ganze Ausmaß der persönlichen Tragödie enthält. Beim Leser stellt sich daher unweigerlich das Gefühl ein, genau das auch schon erlebt zu haben. (Brigitte Giraud: "Die Liebe ist doch sehr überschätzt". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 96 S., geb., 14 [Euro].) brey
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Brigitte Giraud erzählt ihre Geschichten vom Ende her, oder vielmehr besteht jede ihrer Geschichten ganz aus dem Ende, das von Beginn an in ihr keimte. Es sind Liebesgeschichten, die dort spielen, wo man die Liebe am heftigsten spürt: in ihrem Vergangensein, im Verlust, dort, wo sie plötzlich fehlt und einer verstörenden Leere Platz gemacht hat. Der trotzige Titel "Die Liebe ist doch sehr überschätzt" verschiebt den Blick auf die mehr oder minder erfolgreichen Versuche, mit einer plötzlichen Einsamkeit oder einer nagenden Demütigung fertig zu werden. Die kurzen Erzählungen, fast alle in der Ich-Perspektive, sind sehr persönlich und wahren zugleich die analytische Distanz. In "Der richtige Platz" wehrt sich eine Witwe gegen den Vorwurf ihres Vaters, im Laufe der Jahre ihren verstorbenen Mann vergessen zu haben. "Er rührt sich auch weiterhin, Papa, wie ein schlagendes Herz. Er ist da, unvorhersehbar, aber immer in Bewegung. Sanft oder überwältigend. Schlummernd oder überschäumend. Inzwischen wohnt er in mir, ohne dass es mich in Verzweiflung stürzen würde. Ich trage ihn in mir wie ein Kind." Ein anderer Text beschreibt die Gedanken einer Frau, bevor sie ihren Kindern, noch in der "Wir-Form", sagt, dass die Eltern sich nun trennen werden. Giraud schreibt mit einer großen Sensibilität für die beiläufige Bemerkung oder die kleine Geste, die schon das ganze Ausmaß der persönlichen Tragödie enthält. Beim Leser stellt sich daher unweigerlich das Gefühl ein, genau das auch schon erlebt zu haben. (Brigitte Giraud: "Die Liebe ist doch sehr überschätzt". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 96 S., geb., 14 [Euro].) brey
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Martin Krumbholz zeigt sich sehr angetan von dem Erzählungsband Brigitte Girauds, der in elf Geschichten das Scheitern der Geschlechterbeziehungen variiert. Wiewohl den Erzählungen etwas Exemplarisches anhafte, gerieten sie nie klischeehaft, lobt der Rezensent, der das vor allem der anschaulich-sinnlichen und dabei äußerst genauen Sprache der französischen Autorin zuschreibt. Wenn er überhaupt einen Mangel erkennen will, dann vielleicht den, dass fast immer die Frau in diesen Texten verlassen wird oder unglücklich liebt. Wohl deshalb hat Krumbholz besonders die Geschichte "Der Sommer, als ich zehn war" gefallen, in der ein Mann mit seiner Tochter von seiner Frau während eines Sommerurlaubs verlassen wird.
© Perlentaucher Medien GmbH
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