Nach seiner Scheidung von Anne feiert Marc ein rauschendes Fest, auf das die nur allzu tiefe Depression folgt. Paris im Winter, eine vereinsamte Wohnung, schließlich ein kläglicher Selbstmordversuch, der in seiner Komik den mangelnden Ernst der Lage offenbart. Grund dieser Lebensmüdigkeit ist aber nicht das Scheitern der Ehe, sondern die Zurückweisung durch die Geliebte, die ihrerseits nicht bereit ist, ihren Mann zu verlassen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.2003Er hat uns ein Denkmal gebaut
Liebe hält, Roman verfällt: Frédéric Beigbeders Schmerzfrequenz
In einem seiner "Fragmente einer Sprache der Liebe" hält Roland Barthes fest, daß die Liebe als Erzählung eine quasisakrale Geschichte ist, die nach Erfüllung strebt, ein rituelles Programm, das durchlaufen werden muß. Auch Marc Maronnier fragt sich, ob er sich in einem Kreislauf befindet und ob der Moment gekommen ist, wo auf "Neu starten" gedrückt wird; er nennt sich entsprechend einen "zyklischen Romantiker". Erreicht ist jedenfalls ein Nullpunkt: In "Die Liebe währt drei Jahre", Teil drei der M. M.-Trilogie, beschreibt Frédéric Beigbeder, wie der Gesellschaftskolumnist und Werbefachmann sich von seiner Frau Anne trennt, die er in den ersten Teilen getroffen und geehelicht hatte. "Ein Jahr Leidenschaft, ein Jahr Zärtlichkeit, ein Jahr Langeweile" - nach drei Jahren ist die Ehe gescheitert und bald geschieden.
Maronnier ist schon in die nächste verschossen und stellt die an sich intelligente Frage, ob in einer Epoche der Beliebigkeit absolute Emotionen möglich sind: "Warum sollte das Gefühl der Liebe eine Ausnahme von der allgemeinen Schizophrenie sein?" Hinter der zweiten Liebe steht ein dringliches Fragezeichen, ihr Verfallsdatum betreffend. Ist der Routinetod so unausweichlich wie beim ersten Mal? Oder läßt sich das Passionsprogramm umschreiben?
Beigbeder, bekannt geworden mit dem Roman "Neununddreißigneunzig", attackiert das Herzeleid seines Helden und die Fragen der Liebe mit einem Arsenal formaler Mittel und literarischer Referenzen, die von Benjamin Constant zu F. Scott Fitzgerald reichen. Die ihm eigene Schreibe, die den routinierten Kolumnisten verrät, ist noch pointenorientierter als in den ersten beiden Teilen. Er bringt manchen schillernden Aphorismus zustande, der daran erinnert, daß Oscar Wilde und Werbeslogans einander heutzutage nicht ausschließen. Am Ende gibt er jedoch zu, daß er "nur einen Liebesroman in ganz simplen Sätzen schreiben wollte - also das Schwierigste, was es gibt". Diese literarische Einsicht steht neben der amourösen, daß die Liebe die verflixte Dreijahresschwelle überschreiten kann, wenn eine Desillusions- und Trauerarbeit beider Partner dahintersteht, eine "Lehre des Schmerzes".
Der Haken liegt nur darin, daß das Buch offenbar sein eigenes Programm abspult und dem Leser weder große Emotionen in einfachen Sätzen noch einen schmerzhaften Lernprozeß bietet. Zwar scheint an ein paar Stellen eine Brechung auf, ein Nordlicht echten Gefühls in der von Schlagworten dunstigen Treibhausatmosphäre der Pariser Partysnobs. Aber ernst kann man die Armani-Verzweiflung nicht nehmen, schon, weil sie sich selbst als "authentisch" vermarktet und es den Leser ständig spüren läßt. Der Roman ist ein Romänchen und genau dann zu lesen, wenn man mit Literatur nichts anfangen kann, sich aber amüsieren will.
NIKLAS BENDER
Frédéric Beigbeder: "Die Liebe währt drei Jahre". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Brigitte Große. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003. 156 S., br., 10,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Liebe hält, Roman verfällt: Frédéric Beigbeders Schmerzfrequenz
In einem seiner "Fragmente einer Sprache der Liebe" hält Roland Barthes fest, daß die Liebe als Erzählung eine quasisakrale Geschichte ist, die nach Erfüllung strebt, ein rituelles Programm, das durchlaufen werden muß. Auch Marc Maronnier fragt sich, ob er sich in einem Kreislauf befindet und ob der Moment gekommen ist, wo auf "Neu starten" gedrückt wird; er nennt sich entsprechend einen "zyklischen Romantiker". Erreicht ist jedenfalls ein Nullpunkt: In "Die Liebe währt drei Jahre", Teil drei der M. M.-Trilogie, beschreibt Frédéric Beigbeder, wie der Gesellschaftskolumnist und Werbefachmann sich von seiner Frau Anne trennt, die er in den ersten Teilen getroffen und geehelicht hatte. "Ein Jahr Leidenschaft, ein Jahr Zärtlichkeit, ein Jahr Langeweile" - nach drei Jahren ist die Ehe gescheitert und bald geschieden.
Maronnier ist schon in die nächste verschossen und stellt die an sich intelligente Frage, ob in einer Epoche der Beliebigkeit absolute Emotionen möglich sind: "Warum sollte das Gefühl der Liebe eine Ausnahme von der allgemeinen Schizophrenie sein?" Hinter der zweiten Liebe steht ein dringliches Fragezeichen, ihr Verfallsdatum betreffend. Ist der Routinetod so unausweichlich wie beim ersten Mal? Oder läßt sich das Passionsprogramm umschreiben?
Beigbeder, bekannt geworden mit dem Roman "Neununddreißigneunzig", attackiert das Herzeleid seines Helden und die Fragen der Liebe mit einem Arsenal formaler Mittel und literarischer Referenzen, die von Benjamin Constant zu F. Scott Fitzgerald reichen. Die ihm eigene Schreibe, die den routinierten Kolumnisten verrät, ist noch pointenorientierter als in den ersten beiden Teilen. Er bringt manchen schillernden Aphorismus zustande, der daran erinnert, daß Oscar Wilde und Werbeslogans einander heutzutage nicht ausschließen. Am Ende gibt er jedoch zu, daß er "nur einen Liebesroman in ganz simplen Sätzen schreiben wollte - also das Schwierigste, was es gibt". Diese literarische Einsicht steht neben der amourösen, daß die Liebe die verflixte Dreijahresschwelle überschreiten kann, wenn eine Desillusions- und Trauerarbeit beider Partner dahintersteht, eine "Lehre des Schmerzes".
Der Haken liegt nur darin, daß das Buch offenbar sein eigenes Programm abspult und dem Leser weder große Emotionen in einfachen Sätzen noch einen schmerzhaften Lernprozeß bietet. Zwar scheint an ein paar Stellen eine Brechung auf, ein Nordlicht echten Gefühls in der von Schlagworten dunstigen Treibhausatmosphäre der Pariser Partysnobs. Aber ernst kann man die Armani-Verzweiflung nicht nehmen, schon, weil sie sich selbst als "authentisch" vermarktet und es den Leser ständig spüren läßt. Der Roman ist ein Romänchen und genau dann zu lesen, wenn man mit Literatur nichts anfangen kann, sich aber amüsieren will.
NIKLAS BENDER
Frédéric Beigbeder: "Die Liebe währt drei Jahre". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Brigitte Große. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003. 156 S., br., 10,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
"Die Liebe währt drei Jahre" ist für Thomas Laux der bislang sympathischste Roman des französischen Autors, der damit seine Trilogie um sein literarisches Alter Ego Marc Marronier zu Ende führt. Bisher ließ Beigbeder seinen Protagonisten eher geschwätzig herumschwadronieren und verlangte seinen Lesern viel Geduld ab, begründet Laux seinen Stimmungsumschwung. Im neuen Roman komme Marronier dagegen als fast sympathischer "Liebesidiot" daher. Die Konzentration auf die verschiedenen neurotischen Varianten männlichen Selbstmitleids täten dem Roman unter Verzicht auf das "zynische Kalkül" gut, so Laux. Die sentimentalen Irrungen seines Helden zeichne Beigbeder ziemlich weich, gibt Laux zu, "in stark romantisierter Form", so dass einem "Werther die Tränen gekommen wären". Dennoch scheinen Liebeskranke zu mancherlei Selbsterkenntnis fähig, denn Laux ertappt sich dabei, zum ersten Mal eigentlich, den Autor gelegentlich ernst zu nehmen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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