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Der bekannte Pariser Historiker Professor Jacques Le Goff kann sich für Städte und ihre Geschichte begeistern. In diesem sehr schön gestalteten Band beschreibt er die kulturellen Wurzeln wichtiger Städte Europas und weist verblüffende Verbindungen zwischen der Stadt des Mittelalters und jener des ausgehenden 20. Jahrhunderts nach.

Produktbeschreibung
Der bekannte Pariser Historiker Professor Jacques Le Goff kann sich für Städte und ihre Geschichte begeistern. In diesem sehr schön gestalteten Band beschreibt er die kulturellen Wurzeln wichtiger Städte Europas und weist verblüffende Verbindungen zwischen der Stadt des Mittelalters und jener des ausgehenden 20. Jahrhunderts nach.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.10.1998

Die Pyramide ist Stadtgespräch
Ganz Paris spricht von Geschichte: Jacques Le Goff als Urbanist

Alle Wege führen in Städte - von mittelalterlichen Pfaden bis zu modernen Highways. Seit achtzig Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, scheinen sogar mehr Wege in sie hinein zu führen als aus ihnen heraus. Dann wiederum gibt es Prachtwege, die führen in Städte, die für Modelle der Urbanität gehalten werden, Städte wie Paris. Über das Pariser Nebeneinander von Mittelalter und Moderne schrieb der junge Gottfried Benn begeistert: "Nichts ist vergangen, jeder hat Teil an allem; die Geschichte nimmt das Gegenwärtige auf und gibt sich ihm hin."

Jacques Le Goff gibt sich der Stadt in Form eines lockeren Interviews hin. Auch er möchte in seiner "Erkundung der Stadt vom Mittelalter bis zur Jahrtausendwende" Gegenwärtiges aufnehmen, doch schon seine Darstellung des Vergangenen ist dürftig. Er erklärt, daß die Macht vom Land auf die Stadt übergegangen ist, daß Handel und Geldwirtschaft in den Städten begannen, daß dort Universitäten entstanden, die feudale Welt eine Pyramide war und es in Paris noch viel Mittelalterliches zu sehen gibt. Daß es sich bei dem Buch um ein echtes Gespräch und nicht um ein rhetorisches Frage-und-Antwort-Spiel handelt, wird dem Leser durch die "spontanen" Antworten deutlich gemacht. So sagt Le Goff auf die Frage, ob die heutige humanitäre Bewegung eine Sehnsucht nach den Bettelorden verspüre, daran habe er noch nicht gedacht, aber möglich sei es durchaus.

Befreit vom Zwang zur Chronologie, dem die Ereignisgeschichte unterliegt, hat Le Goffs Buch den Anspruch, Phänomene der Sozialgeschichte der Stadt zu verknüpfen. Doch der Historiker verknüpft nichts. Er zählt auf: "Es gab damals Armenviertel, es gab reiche und vornehme Viertel, und es gab einfache Volksviertel." Diese "Klasseneinteilung" führt er auf die unterschiedlichen Grundstückspreise zurück. Dann springt er zum nächsten Thema. Es geht um das Textilgewerbe, Prostituierte, die Bedeutung der Wasserwege und um Zünfte. Alles wird irgendwie aneinandergereiht.

Ohne weitere Erläuterungen beschränkt Le Goff auch das Gegenwärtige auf Stichworte. Der Franziskaner Ubertin von Casale, der überhöhte Grundstückspreise kritisierte, sei ein "echter Linker" gewesen. Die Bedeutung des Schifferstechens vergleicht Le Goff mit Fußballturnieren in den Pariser Vorstädten. Und über Migranten im Mittelalter heißt es, sie hätten sich in der Stadt wohl nicht ganz so arm gefühlt wie auf dem Land, "etwa so wie afrikanische Bauern heute lieber in die schwarzen Slums der Großstädte strömen". Der Bosnien-Krieg wird schließlich nach der simplen Stadt-Land-Gleichung zum Angriff serbischer Bauern auf die Stadtkultur Sarajewos reduziert. Zusammenhänge erklärt der Historiker nicht. Daher kommt er auch nicht dazu, die mittelalterliche mit der modernen Stadt zu vergleichen. Die Stadt der "Jahrtausendwende" schließlich wird überhaupt erst in der Schlußbetrachtung erwähnt. ANTJE SCHMELCHER

Jacques Le Goff: "Die Liebe zur Stadt". Eine Erkundung vom Mittelalter bis zur Jahrtausendwende. Aus dem Französischen von Klaus Jöken. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1998. 151 S., 46 Farb- u.

S/W-Abb., geb., 39,80 DM.

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