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Ein schneller, sehnsüchtiger Trip durch unsere chaotische Gegenwart
Berlin, Görlitzer Park: Im Landwehrkanal treibt eine tote junge Frau im weißen Brautkleid. Woher kommt sie? Wie heißt sie? Der suspendierte Drogenermittler Tommy sucht im Berlin der Clubs und kriminellen Clans nach der Geschichte der Frau. Auf seiner Odyssee durch die Stadt begegnet er Überlebenskünstlern und Kämpfern, Verlorenen und Gestrandeten aus aller Welt: vom japanischen Tattoo-Meister bis zur indischen Feuerspuckerin. Hellwach und todmüde, zwischen Traum und Wirklichkeit taucht Tommy immer tiefer in die Berliner…mehr

Produktbeschreibung
Ein schneller, sehnsüchtiger Trip durch unsere chaotische Gegenwart

Berlin, Görlitzer Park: Im Landwehrkanal treibt eine tote junge Frau im weißen Brautkleid. Woher kommt sie? Wie heißt sie? Der suspendierte Drogenermittler Tommy sucht im Berlin der Clubs und kriminellen Clans nach der Geschichte der Frau. Auf seiner Odyssee durch die Stadt begegnet er Überlebenskünstlern und Kämpfern, Verlorenen und Gestrandeten aus aller Welt: vom japanischen Tattoo-Meister bis zur indischen Feuerspuckerin. Hellwach und todmüde, zwischen Traum und Wirklichkeit taucht Tommy immer tiefer in die Berliner Unterwelt und in die eigene Vergangenheit ein. Ein ebenso harter wie gefühlvoller Roman, der von der Zerbrechlichkeit des Lebens und unserer Sehnsucht nach Gemeinschaft erzählt.

Autorenporträt
Roland Schimmelpfennig, Jahrgang 1967, ist einer der meistgespielten Gegenwartsdramatiker Deutschlands. Er hat als Journalist in Istanbul gearbeitet und war nach dem Regiestudium an der Otto-Falckenberg-Schule an den Münchner Kammerspielen engagiert. Seit 1996 arbeitet Roland Schimmelpfennig als freier Autor. Weltweit werden seine Theaterstücke in über 40 Ländern mit großem Erfolg gespielt. Im Fischer Taschenbuch Verlag sind erschienen: 'Die Frau von früher', 'Trilogie der Tiere', 'Der goldene Drache' und 'Anthropolis'. 2016 erschien sein erster Roman 'An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts', der auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse stand. Es folgten die beiden Romane 'Die Sprache des Regens' (2017) und 'Die Linie zwischen Tag und Nacht' (2021). Roland Schimmelpfennig lebt in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Steffen Martus lässt offen, ob es Roland Schimmelpfennig mit seinem dritten Roman nun endlich geschafft hat, bei der Kritik anzukommen. Auf Martus wirkt der Text zunächst wie eine auf Netflix hingeschriebene, "jugendszenemäßig" kurzatmige Kriminalgeschichte über einen zugedröhnten Ermittler, der sich noch einmal auf einen rätselhaften Mordfall einlässt. So vertraut, so öde, scheint Martus zu finden. Gegen Ende aber wird der Text laut Rezensent epischer, tiefgründiger und dramatischer - zum Glück.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2021

Tätowierte Wasserleiche
Ein Berlin-Roman von Roland Schimmelpfennig

Also gut: dritter Anlauf. 2016 fiel Roland Schimmelpfennigs Short-Cuts-Roman "An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts" bei der Literaturkritik ziemlich flächendeckend durch. Dem Nachfolger "Die Sprache des Regens" erging es 2017 nicht viel besser. Der "meistgespielte Gegenwartsdramatiker Deutschlands", wie das stereotype Klappentextlabel lautet, vermochte in Romanform offenbar nicht den eigentümlichen Bühnenzauber seiner Schlaglichtkunst zu entfalten.

Mit der "Linie zwischen Tag und Nacht" wechselt Schimmelpfennig nun ins Genre der "Whodunit"-Geschichten, die der konstellativen Bühnenästhetik geradezu entgegenlaufen: Während dort Zustände der Gegenwart als lose gekoppelte Personen- und Handlungsnetzwerke auf die Bühne gebracht werden, kann man den neuen Roman so lesen, als ginge es um die Frage, wer die geheimnisvolle Wasserleiche ist, die der suspendierte Kriminalbeamte Tommy an einem 1. Mai aus einem Berliner Kanal fischt - und warum sich der einst erfolgreiche Fahnder zu diesem Zeitpunkt zugedröhnt am Ufer zwischen Feiernden befand, die selbstlos ihr Arsenal ermunternder Substanzen teilten: "Kokain, MDMA, Ketamin, Speed, Bier und Wodka".

Der Roman will jugendszenemäßig nah am Puls der Zeit sein. Deswegen werden ständig Drogen genommen, man ist wach oder schläft zu den Tageszeiten, an denen Otto Normalarbeitnehmer sein Geld verdient, küsst wildfremde Personen und pflegt ungewöhnliche Bekanntschaften, ohne sich an bürgerliche Milieugrenzen und Moralvorstellungen zu halten. Man muss schon so ein bisschen kaputt sein, um dazuzugehören. Entsprechend lakonisch-abgebrüht fällt der Erzählton aus. Weil Schimmelpfennig jedoch die Szenen nur hintuscht und gezielt epische Breite vermeiden will, spielt er vieles nur an. Und damit das funktioniert, setzt er auf Situationen mit einem gewissen Bekanntheitsgrad, so dass sich lange Erklärungen erübrigen. Die meisten Handlungsorte kennt daher jeder Berlin-Reiseführer, der sich an Hostel-Touristen richtet, manches - etwa die Erläuterung zur Berliner Gedächtniskirche oder zur Entstehung der Clankriminalität - klingt wie aus einem Infokasten abgeschrieben, und hier und da drängt sich der Eindruck auf, als hätte Schimmelpfennig schon an die Verfilmung seines Romans gedacht und die Versatzstücke eines verruchten Nachtlebens eingebaut, die ein internationales Netflix-Publikum erwartet.

Was also hat Tommy bloß so ruiniert? Ein dummer Zufall. Bei einem Noteinsatz läuft ihm ein Junge vors Auto. Danach ergibt alles von jetzt auf nachher "keinen Sinn mehr", und einer der besten Polizisten der Stadt, ein ausgezeichneter Drogenermittler, rutscht ins kriminelle Milieu ab. Die Liste der Vorwürfe, für die erdrückende Beweise vorliegen, ist eindrucksvoll: Verdacht auf Verrat von Dienstgeheimnissen, Verdacht auf Bestechlichkeit, Vorteilsnahme, Vorteilsgewährung, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Betäubungsmittelmissbrauch, Behinderung der Justiz, Drogenhandel. Aber einmal Cop, immer Cop. Tommy will der unbekannten Toten ihren Namen zurückgeben. Als Wegweiser dient ihm ein tätowiertes Naturbild auf dem Rücken der Wasserleiche, ein "in die Haut gestochenes Aquarell" mit Korn- und Mohnblumen, einem Flusslauf, der sich durch Gras und Schilf schlängelt, mit Trauerweiden und Seerosen, die sich über die Narben und Blutergüsse legen, die den Körper zeichnen.

Die Knochen dieses geschundenen Leibs sind so zerbrochen wie das Leben von Tommy. Und so, wie sich allmählich das Bild des Tathergangs Stück für Stück zusammensetzt, so wird auch das Erzählen im Verlauf des Romans weniger bruchstückhaft. Die flirrende Zeitmischung weicht längeren Geschichten, die atemlose Abfolge von Fetzenszenen länger durchgestalteten Passagen. Diese Episierung tut dem Roman gut. Schließlich erweist sich der tätowierte Rücken der Wassertoten als Teil eines Triptychons, das tief in die deutsche Migrationsgeschichte führt: Das Hautaquarell verteilt sich auf Körper, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen nach Berlin gekommen sind. Das dramatische Finale ergibt sich aus dem Zusammenprall von Kulturen und Generationen. Am Schluss liegt Tommy mit einer Schusswunde in jenem Kanal, aus dem er anfangs die Wasserleiche geborgen hat.

STEFFEN MARTUS

Roland Schimmelpfennig: "Die Linie zwischen Tag und Nacht". Roman.

Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2021. 208 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Roland Schimmelpfennigs neuer Roman ist das überzeugende Panorama des multiethnischen Berlin Jürgen Berger Schwäbische Zeitung 20210614