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Die Welt der Erwachsenen hat zwei Gesichter. Olof ist 13, als er die Lügen im Leben der Eltern, der Lehrer, der Nachbarn entdeckt. Und er muss lernen, damit umzugehen.

Produktbeschreibung
Die Welt der Erwachsenen hat zwei Gesichter. Olof ist 13, als er die Lügen im Leben der Eltern, der Lehrer, der Nachbarn entdeckt. Und er muss lernen, damit umzugehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.05.1996

Eine Ohrfeige für die Wahrheit
Wenn Erwachsene in einem schwierigen Alter sind

Eltern sind wunderbare Menschen. Sie gehen auf in ihrer glücklichen Beziehung und ihrem Verantwortungsbewußtsein, denn sonst hätten sie nie ein Kind in die Welt gesetzt. Mit allergrößter Selbstverständlichkeit leben sie vor, was sie sich von ihrer Tochter oder ihrem Sohn erwarten. Aber daß sich hinter dieser wunderbaren Welt etwas Beängstigendes, Dunkles, Verlogenes verbergen könnte, liegt Kindern ebenso fern wie die Vorstellung, die Eltern könnten sich hinter der verschlossenen Schlafzimmertür etwas anderes ins Ohr summen als ein Gutenachtlied. Bis sie eines Tages vor den schäbigen Resten der Fassade stehen.

Aus zeitlicher Distanz, mit den Augen des Erwachsenen, erinnert sich der Ich-Erzähler Olof an den Sommer in Gotland im Jahre 1955. Den Sommer, in dem sein ungetrübtes Bild von den wunderbaren Eltern, dem sittenstrengen Oberlehrer Stenberg und den anderen Dorfbewohnern in Stücke fällt. "Das Leben hatte eine Tür geöffnet. Durch den Türspalt war etwas von den Geheimnissen der Erwachsenen zu sehen. Von dem, was im verborgenen blieb." Olof entdeckt das heimliche Liebesverhältnis seines Vaters mit der Nachbarin. Ihn beobachtet zu haben ist mindestens so verboten wie die Ausflüchte und Lügen, die sein Vater zu Hause erzählt.

Deshalb schweigt Olof; ihm ist unbehaglich zumute, und er fürchtet, seine Eltern könnten sich scheiden lassen. Er spürt das wachsende Mißtrauen seiner Mutter und hört die nächtlichen Streitereien. Olof ist auch der einzige, der sieht, wie seine Mutter beim Fest des Bootsclubs der Nachbarin einen Stoß gibt, so daß sie von der Kaimauer ins Wasser stürzt. Und als er in der neu eingeführten "lustigen Stunde" der jungen Aushilfslehrerin einen Witz erzählt, den er Oberlehrer Stenberg abgelauscht hat, gerät Olofs Welt völlig aus den Fugen. Der strenge Oberlehrer und ein solch schlüpfriger Herrenwitz? Undenkbar. Als Olof gemäß dem Gebot "Du sollst nicht lügen" darauf beharrt, ihn wirklich gehört zu haben, fängt er sich eine gewaltige Ohrfeige.

Fast genüßlich reißt Mats Wahl die Masken der Erwachsenen herunter: Olofs Glaube an Wahrheit und Aufrichtigkeit ist dahin. Doch die aus den Fugen geratene Welt stabilisiert sich wieder. Der Oberlehrer wird als der Witzereißer entlarvt, und in Olofs Familie kehrt etwas Ruhe ein. Olof wird endlich zum stellvertretenden Sippenführer der Pfadfindergruppe ernannt. Eine Aufgabe, die nur ein verantwortungsvoll handelnder junger Mensch übernehmen kann, der seine Kindheit zumindest mit einem Bein verlassen hat.

Schicht um Schicht trägt Mats Wahl die Fassade dieser Kleinbürgerwelt ab. Wo viele Autoren längst das Werkzeug beiseite legen, sich mit Tränen oder pädagogischen Ratschlägen begnügen, sucht Mats Wahl weiter und wird fündig: in Nebenfiguren, die lebendiger wirken als mancher Titelheld aus anderen Jugendbüchern, in unscheinbaren und dennoch bedeutsamen Details. Und er entwickelt aus der Psychologie der Figuren eine subtile Spannung. Ein herausragendes Jugendbuch, ungelogen. RALF SCHWEIKART.

Mats Wahl: "Die Lüge". Aus dem Schwedischen übersetzt von Angelika Kutsch. Ravensburger Verlag, Ravensburg 1996. 192 S., geb., 22,- DM. Ab 12 J.

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