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"Die Frauen in diesem Buch sind verrückt, sie sind ein bisschen abgedreht, sie jammern, haben schwer auszuhaltende Marotten, und je mehr sie einem auf die Nerven gehen, desto beharrlicher werden sie und desto liebenswerter. Kaum zu glauben, aber wahr. Das Buch hat gerade durch die letzte Geschichte, in der es um die Nähe zum Tod geht, eine glückselig machende Lebenskraft." Viola Roggenkamp in der "Welt"
Shenja ist eine Frau, zu der man rasch Vertrauen fasst. Ireen, eine englische Ferienbekanntschaft, erzählt ihr gleich ihre ganze tragische Lebensgeschichte. Eine Kartenlegerin habe ihr
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Produktbeschreibung
"Die Frauen in diesem Buch sind verrückt, sie sind ein bisschen abgedreht, sie jammern, haben schwer auszuhaltende Marotten, und je mehr sie einem auf die Nerven gehen, desto beharrlicher werden sie und desto liebenswerter. Kaum zu glauben, aber wahr. Das Buch hat gerade durch die letzte Geschichte, in der es um die Nähe zum Tod geht, eine glückselig machende Lebenskraft." Viola Roggenkamp in der "Welt"
Shenja ist eine Frau, zu der man rasch Vertrauen fasst. Ireen, eine englische Ferienbekanntschaft, erzählt ihr gleich ihre ganze tragische Lebensgeschichte. Eine Kartenlegerin habe ihr prophezeit: »Du fängst mit dem fünften an«, und so sei es gekommen, keines ihrer ersten vier Kinder habe überlebt.

Shenja ist voller Mitgefühl, bis sie erfährt, dass kein Wort davon wahr ist. Als sie für eine Dokumentation über das Leben russischer Prostituierter in der Schweiz recherchiert, ist sie verblüfft, dass jedes der Mädchen fast die gleiche Geschichte erzählt: vom frühen Tod des Vaters und dem Stiefvater, der sie vergewaltigte, von dem Freund, der sie in den Westen brachte und an einen Zuhälter verriet, und von dem reichen Bankier, der sie nun bald heiraten wird - ein Traum, so hollywoodschön, dass man beschließt, statt einer Dokumentation einen Spielfilm zu drehen.

Zu Shenja kommen sie alle, die Frauen mit ihren Träumen und Phantasien, in denen das bescheidene Leben zu dramatischer Größe und Schönheit erblüht. Bis Shenja eines Tages selbst ein Schicksalsschlag ereilt und sie die »Kunst zu leben« neu erlernen muss.
Autorenporträt
Ulitzkaja, Ljudmila
Ljudmila Ulitzkaja, 1943 bei Jekaterinburg geboren, wuchs in Moskau auf. Sie schreibt Drehbücher, Hörspiele, Theaterstücke und erzählende Prosa. Ihre vielfach übersetzten Werke wurden mit zahlreichen hohen Auszeichnungen bedacht. 2022 emigrierte sie von Moskau nach Berlin. In ihren Erzählungen setzt sich die Autorin kritisch mit politischen Ereignissen der Geschichte und Gegenwart auseinander und bezieht immer wieder offen politisch Stellung.
Rezensionen
vergnüglich zu lesen, wie Shenja mit detektivischem Gespür diese Lebenslügen entlarvt. Süddeutsche Zeitung 20200417

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.09.2003

Lebenslauf im Riesenslalom
Alltagsfromm: Ljudmila Ulitzkajas russisches Biedermeier

Phantasien zu formulieren ist unerläßlich, um sich in der Welt, gewissermaßen per Echolot, zu orientieren. Zugleich liegt darin eine nie versiegende Quelle von Betrug, Selbstbetrug sowie Poesie. Ljudmila Ulitzkaja, die mit Vorliebe die Windungen der weiblichen Psyche belletristisch erkundet, hat die irritierende Arbeitsweise dieses Kraftwerks der Seele zum Leitthema eines kleinen Romans erkoren, der sich aus mehreren Erzählungen zusammensetzt. In dem jetzt unter dem Titel "Die Lügen der Frauen" erschienenen Buch werden die kleinen und großen Lebenslügen diverser Geschlechtsgenossinnen zu einer Art Lebensschule für die Hauptheldin, in deren herzlicher Anteilnahme sie sich spiegeln.

Eine dominierende Persönlichkeit vom Typ "starke Frau" erfindet sich mehrere Kinder, deren fiktiven Tod die Erzählerin heftiger betrauert als eine Romantragödie. Eine Heranwachsende macht sie zur fürsorglichen Mitwisserin um ihre Liebschaft mit einem verheirateten Mann, die sich ebenfalls als Erfindung entpuppt. Eine alleinstehende gebildete Dame gibt sich gegenüber einer jungen Verehrerin als Verfasserin fremder Gedichte aus. Und als die schon beinahe abgeklärte Heldin die brutale Märchenwelt russischer Prostituierter im Ausland studiert, stellen die Freudenmädchen sich ihr mit immer wieder demselben romantischen, also offenbar ausgedachten Lebenslauf vor. So wird die Hauptperson, eine erfolgreiche Geistesarbeiterin und Familienmutter, die aber auch ein Liebeskonflikt umtreibt, fortgetragen vom klassischen russischen Roman, an welchem sie sich anfangs noch festhält, in den uferlosen Bewußtseinsstrudel des realen Lebens. Der Lehrgang mündet in eine schwere Prüfung, eine Art Sturz ins Nichtsein, der vermeintlich innig vertrauten Menschen nie gekannte Eigenschaften verleiht.

Schon Dostojewski hat das Lügen als ein Freiheitsrecht des Menschen geschildert. Der Gebrauch davon wird durch die in vielem unberechenbare heutige russische Wirklichkeit wahrscheinlich gefördert. Ljudmila Ulitzkaja beobachtet differenziert. Ihre vom inneren Erlebnisstrom getragene Prosa entwirft ein Bild des täglichen Seelenslaloms, in dem man sich wiederfinden kann. Das macht sie zur Lieblingsautorin vieler Angehöriger einer neuen Mittelklasse, die im modernen Rußland familiär wie beruflich ihre Frau stehen.

Ljudmila Ulitzkaja schreibt, was jeder von uns erlebt, aber nicht recht formulieren kann. Damit scheint eine Aufgabe der Kunst erfüllt. Allerdings bietet ihr alltagsfrommer Text keine darüber hinausgehenden und also bleibenden Bilder oder Formulierungen. Doch das macht ihre Bücher möglicherweise auch in Deutschland, wo sich das Biedermeier gerade wieder stärker auszubreiten scheint, zur idealen geistigen Nahrung.

KERSTIN HOLM

Ljudmila Ulitzkaja: "Die Lügen der Frauen". Roman. Aus dem Russischen übersetzt von Ganna-Maria Braungardt. Hanser Verlag, München 2003. 165 S., geb., 16,90 [Euro].

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