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Tarquin Winot, ein äußerst distinguierter Herr, befindet sich auf einer kulinarisch-kulturellen Reise durch Frankreich. Erfrischend frei von jeglicher persönlichen Bescheidenheit plaudert er über Rezepte für Blini mit Kaviar, streut ein paar Apercus von Aischylos bis James Bond ein und verschleiert so elegant sein Geheimnis: Jede Person, die dem "reisenden Gentleman" jemals nahestand, kam ums Leben. Und so muss man sich um das Schicksal eines Pärchens auf Hochzeitsreise, das Winot mit Hilfe des Mossad-Handbuchs beschattet, wohl ernsthafte Sorgen machen. Die Mitteilungen eines plaudernden Gourmets, eines Connaisseurs des Todes. …mehr

Produktbeschreibung
Tarquin Winot, ein äußerst distinguierter Herr, befindet sich auf einer kulinarisch-kulturellen Reise durch Frankreich. Erfrischend frei von jeglicher persönlichen Bescheidenheit plaudert er über Rezepte für Blini mit Kaviar, streut ein paar Apercus von Aischylos bis James Bond ein und verschleiert so elegant sein Geheimnis: Jede Person, die dem "reisenden Gentleman" jemals nahestand, kam ums Leben. Und so muss man sich um das Schicksal eines Pärchens auf Hochzeitsreise, das Winot mit Hilfe des Mossad-Handbuchs beschattet, wohl ernsthafte Sorgen machen.
Die Mitteilungen eines plaudernden Gourmets, eines Connaisseurs des Todes.
Autorenporträt
William Horwood John Lanchester, geboren 1962 in Hamburg, wuchs im Fernen Osten auf und arbeitete in England als Lektor beim Verlag Penguin Books, ehe er Redakteur der "London Review of Books" wurde. Daneben war er für Zeitungen und Zeitschriften wie "Granta" und "The New Yorker" tätig sowie als Restaurantkritiker für "The Observer" und Kolumnist für "The Daily Telegraph". Er gehört zu den bedeutendsten Schriftstellern und führenden Intellektuellen Englands.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.1996

An alle Pilzesammler Europas
Herrenreitertum ohne Pferd: John Lanchester schätzt gute Küche

An erster Stelle gilt es etwas zurechtzurücken an der öffentlichen Meinung bezüglich der Rotzunge und Zimt. Rotzunge nämlich ist "unterschätzt", Zimt hingegen "überaus überschätzt". Unproblematisch hingegen ist die Lage im Fall des Kreuzkümmels, der ist "unverwechselbar", Kardamom nun wieder "heikel". Dies alles jedenfalls aus Sicht von Tarquin Winot, von dem wir wissen könnten, daß er "selbst es nie geschätzt hat, als ,Genie' bezeichnet zu werden". Weitere Kennzeichen: Er ist Brite, altersmäßig in der Grauzone von gerade noch bis nicht mehr jung, unverheiratet, mit ausgeprägter Zuneigung zu Frankreich, der Kochkunst (und den Adjektiven). Und arbeitet - irgendwie - als Künstler.

Obendrein ist er auf merkwürdige, wenn nicht tragische Art Vollwaise. Die Eltern starben bei der Explosion des Hausgasboilers, vordem verlor er schon das Kindermädchen, das sich in Paris vom Pont Neuf stürzte, kaum als Diebin der Smaragdohrringe seiner Mutter erkannt, und der norwegische Koch stolperte in London vor einen Zug. Der sechs Jahre ältere und so ganz anders gestrickte Bruder Bartholomew schließlich starb an einer Pilzvergiftung. Und bei allen diesen Toden war Tarquin Winot immer in unterschiedlicher Weise in der Nähe und hätte wohl im einen oder anderen Fall den Sensenmann auch wieder nach Hause schicken können. Daß er's nicht getan hat, scheint ihn jedoch nicht weiter zu beschweren. Aber er hält ja auch die Verhältnisse zur Cäsarenzeit in Rom, wie Sueton sie beschreibt, eher für den menschlichen Normalzustand, und da war der gewaltsame Tod ein gewöhnliches Schicksal; die diesbezüglichen Glanzleistungen eines Nero etwa sind ihm "amüsante und lehrreiche Missetaten".

Die hier referierten Tatsachen und Meinungen erschließen sich dem Leser nun allerdings erst puzzlehaft im Fortgang des Textes, der mit der Ermahnung beginnt, das Buch nicht etwa als Zentrum des Schaffens seines Schöpfers zu nehmen, es wolle "nicht mehr sein als Späne vom Hobel des Meisters".

Besagte Hobelspäne werden nun, um im Bild zu bleiben, nicht vom Wind verweht, sie haften vielmehr an der Leimspur der Reiseroute des Briten von Portsmouth über St-Malo bis in die Provence, wo er ein Haus besitzt. Und was ihm einfällt, das vertraut er seinem kleinen japanischen Diktiergerät an, erst auf der Fähre, dann in der Badewanne in St-Malo, schließlich in einem Hotelzimmer in Lorient. Und das sind, launig verflochten, seine Familiengeschichte(n), Kochrezepte, die Geschichte der Verfolgung des walisisch-englischen Flitterwochengespanns Hywl und Laura auf dessen Frankreichtour auch mit geheimdienstlichen Mitteln, Bohrungen an Brettern unterschiedlicher Stärke ("Käse ist in philosophischer Hinsicht ein interessantes Nahrungsmittel"), und wie man im Altphilologenwitz von "alopex" zu "Fuchs" gelangt, geht's hier von den russischen Pfannkuchen, den Blinis, zu den eleusinischen Mysterien. Außerdem gibt es, als Basso continuo und fast obsessiv, kleine Stinkbomben gegen seinen zwar toten, aber wohl ziemlich berühmten Bruder, der entlang der Reiseroute durch zahlreiche Hinterlassenschaften bildnerischer Art präsent ist. Für Tarquin ist das "das Geschmiere und das Herumgeklopfe", die frischverheiratete Laura interessiert gerade das sehr, ihn hingegen sie.

Was John Lanchester, der wahre Autor, ein ziemlich erfolgreicher englischer Journalist von Tarquins Alter, in seinem ersten Buch vorträgt: nonchalantes britisches, bisweilen auch britisch-humoreskes Herrenreitertum als Endlosmonolog. Das kann einen streckenweise amüsant unterhalten, aber auch schwer auf die Nerven gehen, doch gerade wenn man aufgeben will, ist der Autor mit einem ironisierenden "Ich weiß, ich weiß!" zur Stelle. Und sucht er mal Pilze, wird der Leser sogar selbst zum kunstvollen Schwadronieren aufgefordert: "Denken Sie sich jetzt bitte eine entsprechende Textpassage aus, die den unterschiedlichen Erfahrungen beim Pilzesammeln in ganz Europa gerecht wird und mit vielen neuen Metaphern und interessanten Einzelheiten angereichert ist." Solches macht sonst ja er für einen, 255 Seiten lang. Die ließen sich auch auf ein Aphorismenbändchen von einem Zehntel des Umfangs eindampfen. Aber es gibt ja zahlreich Menschen, die solches goutieren. Die sind auch mit dieser Langfassung gut bedient. Andere eher weniger. BURKHARD SCHERER

John Lanchester: "Die Lust und ihr Preis". Aufzeichnungen eines reisenden Gentleman. Aus dem Englischen übersetzt von Melanie Walz. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1996. 255 S., geb., 36,- DM.

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