Ob in der Politik, im Beruf oder in den sozialen Netzwerken - wir lügen, um uns Vorteile zu verschaffen. Damit aber setzen wir unsere demokratische Gesellschaft aufs Spiel. Höchste Zeit also, dass Ehrlichkeit wieder oberstes Erziehungsziel wird.
Menschen, Unternehmen und ganze Staaten lügen und kommen damit durch. Ehrlichkeit erscheint da eher als antiquierte Tugend. Kein Wunder, dass sich Kinder und Jugendliche die Unehrlichkeit der Erwachsenen zum Vorbild nehmen. Welch katastrophale Folgen das Lügen hat, können wir derzeit beobachten: Eurokrise, der Fall Guttenberg oder die Affäre um die WestLB. Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der man einander misstraut? Bernhard Bueb fordert, dort etwas zu verändern, wo das Übel seinen Ausgang nimmt: bei der Erziehung der Kinder. Sie müssen wieder lernen, sich selbst und anderen ehrlich zu begegnen. Denn die Wahrhaftigkeit unserer Freundschaften, unserer Lebensgemeinschaften und unserer beruflichen Zusammenarbeit ist die einzige Basis, die uns erlaubt, ein glückliches Leben zu führen.
Menschen, Unternehmen und ganze Staaten lügen und kommen damit durch. Ehrlichkeit erscheint da eher als antiquierte Tugend. Kein Wunder, dass sich Kinder und Jugendliche die Unehrlichkeit der Erwachsenen zum Vorbild nehmen. Welch katastrophale Folgen das Lügen hat, können wir derzeit beobachten: Eurokrise, der Fall Guttenberg oder die Affäre um die WestLB. Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der man einander misstraut? Bernhard Bueb fordert, dort etwas zu verändern, wo das Übel seinen Ausgang nimmt: bei der Erziehung der Kinder. Sie müssen wieder lernen, sich selbst und anderen ehrlich zu begegnen. Denn die Wahrhaftigkeit unserer Freundschaften, unserer Lebensgemeinschaften und unserer beruflichen Zusammenarbeit ist die einzige Basis, die uns erlaubt, ein glückliches Leben zu führen.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Schöner Titel. Leider kommt der Rezensent hier nicht auf seine Kosten. Was der Titel verspricht - eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Thema, mit Urvertrauen und eventuell auch mit selbst verursachter Verblendung beziehungsweise Unehrlichkeit sich selbst gegenüber beim Thema sexueller Missbrauch - all das bekommt Michael Schefczyk bei Bernhard Bueb leider nicht geboten. Dabei hätte der ehemalige Leiter des Internats Salem auch über die Odenwaldschule etwas zu erzählen gehabt, wie der Rezensent weiß. Stattdessen liest Schefczyk Anekdoten aus dem Schulalltag und der Welt Adoleszenter, die ihm kaum so unterhaltsam scheinen wie ein Elternabend.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2013Sind's gute Drogeriemärkte, sind's schlechte Drogeriemärkte?
So wenig Provokation war selten: Der Pädagoge Bernhard Bueb weiß, dass ein gutes Leben nur gelingen kann, wenn nicht gelogen wird - und lobt gleichzeitig das Abschreiben
Der Untertitel dieses Lobgesangs auf den sittlichen Menschen in alter Vir-bonus-Tradition ist eine Provokation. Er lautet nämlich "Eine Provokation", ohne dass in diesem stramm idealistischen Manifestchen auch nur entfernt provoziert würde. Begründet wird die Genre-Zuordnung im ersten Unterkapitel ("Das Ende der Aufrichtigkeit"), und zwar als raffiniert gemeinte doppelte Zeitgeist-Abkehr. Das Ethos des "ehrbaren Kaufmanns" sei dem des zynischen Zocker-Bankers gewichen, heißt es, auch wenn diese Phrase selbst wohl schon zum Zeitgeist gehört. Die Einstellung, dass der Ehrliche der Dumme sei, dominiere heute jedenfalls so sehr, dass es einem Affront gleichkomme, den Sieg der Ehrlichen zu propagieren.
Diese Argumentation ist vor allem kulturkritisch, weil sie der großen Hoffnungsthese des Buches - viele Protestbewegungen zeigten, dass die Ehrlichen auf dem Vormarsch seien - widerspricht. Vor allem aber scheint die gesamte Rechtfertigung des Untertitels auf durchsichtige Art unehrlich, denn es dürfte im Kern darum gehen, Aufsehen zu erregen und möglichst den Erfolg der beiden Disziplinierungsfibeln zu wiederholen. Ehrlich wäre gewesen, zu sagen, dass man nichts Neues zu sagen hat. Theoretische Stringenz ist generell keine Stärke Buebs. So reitet der ehemalige Leiter der Schule Schloss Salem, welche hier geradezu verklärt wird, einen an Richard David Precht gemahnenden Angriff gegen die Schulen der Gegenwart, die sich allein auf benotbare Leistungen konzentrierten. Damit aber fördere man das Betrügen, wie der Autor an einem Beispiel belegen will: Ein Junge, in allen Fächern schlecht, wurde ein Meister im Abschreiben. Jetzt folgt die einzig charmante Stelle des sonst unfassbar eitlen Buches: "Dieser Schüler war ich."
Wenige Zeilen später erfahren wir freilich, wie vorteilhaft sich das damit Erlernte auswirken sollte: "Es gehörte zu meinen Aufgaben als Leiter von Salem, wohlhabende Menschen davon zu überzeugen, Geld für Stipendien zu stiften. Die Fähigkeit, mir Menschen gefällig zu machen, hatte ich eingeübt, als ich in der Schule Mitschüler gewinnen musste, geistiges Eigentum an mich abzugeben." Dass niemand immer ehrlich sein könne, räumt Bueb ein, aber hier ist es eben die dank Unehrlichkeit erworbene Qualifikation, die sich positiv auszahlt. Ist damit nicht das ganze Argument hinüber, "dass die Voraussetzung für ein gutes Leben Ehrlichkeit ist"? Bei besonders edlen Gemütern ist Bueb besonders nachsichtig.
Es geht also um Wahrheit und Lüge im innermoralischen Sinn, um die Wahrhaftigkeit, jene vor allem von den Vernunftphilosophen zur Primärtugend erhobenen Kategorie. Neu ist da nichts, zieht sich das Lügenverbot doch durch die gesamte Ethik des Abendlands. Ließ es sich in den Religionen aber noch einfach als "Befehl von oben" deklarieren, musste die Philosophie es neu begründen. Und diese Begründungen fielen stets schwach aus, konnten kaum mithalten mit den hintersinnig-kritischen, funkelnden Reflexionen der Konversationstheoretiker einige Jahrhunderte zuvor: Machiavelli riet dem Fürsten, "in der Verstellung und Falschheit ein Meister" zu sein, Montaigne stellte heraus, dass man an der Lüge kaum vorbeikomme, Gracián ordnete sie der Klugheit unter, weshalb ein kleiner Betrug dem Erfolg nicht abträglich sein müsse.
Kant dagegen, vielleicht der rigoroseste Wahrhaftigkeitsprediger, berief sich darauf, dass sonst allen weiteren Pflichten die Basis entzogen sei. Spätestens der "linguistic turn", die Einsicht, dass alle Sprache in gewisser Weise "lügnerisch" ist, entzog dann jedoch eher dem Wahrhaftigkeitsfundamentalismus die Basis. Nietzsches Einwände, Schopenhauers "Recht zur Lüge", die Angriffswellen der Dekonstruktivisten gegen das Wahrheitskonzept an sich: haufenweise alte, abgetragene Hüte liegen in dieser windigen Ecke der Philosophie herum.
Wie verortet sich Bueb in diesem Feld? Er ist so rigoros wie Kant, aber verzichtet gleich ganz auf Begründungen. Dafür wiederholt er eine Behauptung, die für ihn den Status einer Gewissheit zu haben scheint, aber dennoch Axiom bleibt: "Wahrhaftig zu sein ist die Bestimmung des Menschen. ... Die Lüge ist nur eine unerklärbare Verirrung und entfernt den Menschen von seiner Bestimmung." Beim Versuch, diese vermeintliche Naturtatsache noch einmal anders abzusichern, unterläuft ihm der nächste Lapsus: Der "Glaube an die Wahrhaftigkeit und die Macht der Aufklärung" sei der "letzte Glaube, der uns bleibt". Warum es diesem Glauben anders ergehen sollte als jenem, den er abgelöst hat, schreibt Bueb nicht.
Die Schule kann und soll nach Bueb die Menschen ihrer Bestimmung entgegenschubsen. Dazu müsse das mitunter nur zaghaft vorhandene Selbstvertrauen bestärkt werden, die Basis für alle Ehrlichkeit (und Goethe-Ähnlichkeit). Allerdings gebe es auch die hoffnungslosen Fälle, chronische Utilitaristen, denen Ehrlichkeit so fremd sei "wie dem Blinden die Farbe". Sie benötigten die Androhung von Kontrollen und Strafen. Es wird auch angedeutet, wer damit gemeint ist: alle jene, die anders als Goethe kein Urvertrauen in der Kindheit erwerben konnten, weil sie etwa "in Slums ohne die Zuwendung fürsorglicher Eltern und ohne die Erinnerung an die Vorbilder der Vergangenheit" aufgewachsen sind. Dass es zwischen Frankfurter Großbürgertum und Slums noch ein paar Zwischenstufen gibt, ahnt auch Bueb, aber jedes Verständnis für Schwache scheint ihm gefährlich: "Es ist immer Schwäche, die Lügen erzeugt."
Dass die Lüge hier eine enorme Last zu tragen hat, indem alles Schlechte der Welt auf sie reduziert wird - von der Sklaverei über die Euro-Krise bis zum Abstreiten der Tatsache, geraucht zu haben, durch ertappte Schüler -, trägt so wenig zur Kohärenz bei wie die Einteilung der Menschen in wesenhaft ehrliche und wesenhaft lügnerische: Zur ersten Kategorie gehören Sokrates, Jesus, Luther, die Geschwister Scholl, der Salem-Gründer Kurt Hahn, Gandhi, Edward Snowden, wackere Islamisten, Bueb selbst und der "dm"-Gründer Götz Werner.
Auf der anderen Seite stehen Diktatoren, ein bösartiger Vater, der seinen Sohn in die Psychiatrie einweisen ließ, verlorene Schafe aus den Slums, Anton Schlecker "mit seiner menschenverachtenden Strategie" und alle autoritär Herrschenden: "Autoritäres Verhalten von ,Mächtigen', seien es Eltern, Lehrer, Schulleiter, Vorstandsvorsitzende oder Regierungschefs, beruht immer auf Lügen." Die "Gewissheit zu siegen" mache jedoch "die Ehrlichen mächtig". Über diesen Sieg wachen die Historiker: "Sie rehabilitieren die Guten und verbreiten ihren Ruhm, die Bösen werden als Verbrecher entlarvt."
Diese Definition der Geschichtswissenschaft ist so gut gemeint und so schmerzhaft unterkomplex wie das gesamte Buch in seiner Mischung aus konservativer Attitüde, pädagogischer Rechthaberei, philosophischer Banalität, Geplauder aus dem Schuldirektorennähkästchen und durchaus nachvollziehbarem Missmut über das verlogene Gerede von Politikern, Medien und Kapitalisten. Ehrlich gesagt: Man hätte sich ein bisschen mehr intellektuelle Disziplin oder auch Führung gewünscht.
OLIVER JUNGEN
Bernhard Bueb: "Die Macht der Ehrlichen". Eine Provokation.
Ullstein Verlag, Berlin 2013. 160 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
So wenig Provokation war selten: Der Pädagoge Bernhard Bueb weiß, dass ein gutes Leben nur gelingen kann, wenn nicht gelogen wird - und lobt gleichzeitig das Abschreiben
Der Untertitel dieses Lobgesangs auf den sittlichen Menschen in alter Vir-bonus-Tradition ist eine Provokation. Er lautet nämlich "Eine Provokation", ohne dass in diesem stramm idealistischen Manifestchen auch nur entfernt provoziert würde. Begründet wird die Genre-Zuordnung im ersten Unterkapitel ("Das Ende der Aufrichtigkeit"), und zwar als raffiniert gemeinte doppelte Zeitgeist-Abkehr. Das Ethos des "ehrbaren Kaufmanns" sei dem des zynischen Zocker-Bankers gewichen, heißt es, auch wenn diese Phrase selbst wohl schon zum Zeitgeist gehört. Die Einstellung, dass der Ehrliche der Dumme sei, dominiere heute jedenfalls so sehr, dass es einem Affront gleichkomme, den Sieg der Ehrlichen zu propagieren.
Diese Argumentation ist vor allem kulturkritisch, weil sie der großen Hoffnungsthese des Buches - viele Protestbewegungen zeigten, dass die Ehrlichen auf dem Vormarsch seien - widerspricht. Vor allem aber scheint die gesamte Rechtfertigung des Untertitels auf durchsichtige Art unehrlich, denn es dürfte im Kern darum gehen, Aufsehen zu erregen und möglichst den Erfolg der beiden Disziplinierungsfibeln zu wiederholen. Ehrlich wäre gewesen, zu sagen, dass man nichts Neues zu sagen hat. Theoretische Stringenz ist generell keine Stärke Buebs. So reitet der ehemalige Leiter der Schule Schloss Salem, welche hier geradezu verklärt wird, einen an Richard David Precht gemahnenden Angriff gegen die Schulen der Gegenwart, die sich allein auf benotbare Leistungen konzentrierten. Damit aber fördere man das Betrügen, wie der Autor an einem Beispiel belegen will: Ein Junge, in allen Fächern schlecht, wurde ein Meister im Abschreiben. Jetzt folgt die einzig charmante Stelle des sonst unfassbar eitlen Buches: "Dieser Schüler war ich."
Wenige Zeilen später erfahren wir freilich, wie vorteilhaft sich das damit Erlernte auswirken sollte: "Es gehörte zu meinen Aufgaben als Leiter von Salem, wohlhabende Menschen davon zu überzeugen, Geld für Stipendien zu stiften. Die Fähigkeit, mir Menschen gefällig zu machen, hatte ich eingeübt, als ich in der Schule Mitschüler gewinnen musste, geistiges Eigentum an mich abzugeben." Dass niemand immer ehrlich sein könne, räumt Bueb ein, aber hier ist es eben die dank Unehrlichkeit erworbene Qualifikation, die sich positiv auszahlt. Ist damit nicht das ganze Argument hinüber, "dass die Voraussetzung für ein gutes Leben Ehrlichkeit ist"? Bei besonders edlen Gemütern ist Bueb besonders nachsichtig.
Es geht also um Wahrheit und Lüge im innermoralischen Sinn, um die Wahrhaftigkeit, jene vor allem von den Vernunftphilosophen zur Primärtugend erhobenen Kategorie. Neu ist da nichts, zieht sich das Lügenverbot doch durch die gesamte Ethik des Abendlands. Ließ es sich in den Religionen aber noch einfach als "Befehl von oben" deklarieren, musste die Philosophie es neu begründen. Und diese Begründungen fielen stets schwach aus, konnten kaum mithalten mit den hintersinnig-kritischen, funkelnden Reflexionen der Konversationstheoretiker einige Jahrhunderte zuvor: Machiavelli riet dem Fürsten, "in der Verstellung und Falschheit ein Meister" zu sein, Montaigne stellte heraus, dass man an der Lüge kaum vorbeikomme, Gracián ordnete sie der Klugheit unter, weshalb ein kleiner Betrug dem Erfolg nicht abträglich sein müsse.
Kant dagegen, vielleicht der rigoroseste Wahrhaftigkeitsprediger, berief sich darauf, dass sonst allen weiteren Pflichten die Basis entzogen sei. Spätestens der "linguistic turn", die Einsicht, dass alle Sprache in gewisser Weise "lügnerisch" ist, entzog dann jedoch eher dem Wahrhaftigkeitsfundamentalismus die Basis. Nietzsches Einwände, Schopenhauers "Recht zur Lüge", die Angriffswellen der Dekonstruktivisten gegen das Wahrheitskonzept an sich: haufenweise alte, abgetragene Hüte liegen in dieser windigen Ecke der Philosophie herum.
Wie verortet sich Bueb in diesem Feld? Er ist so rigoros wie Kant, aber verzichtet gleich ganz auf Begründungen. Dafür wiederholt er eine Behauptung, die für ihn den Status einer Gewissheit zu haben scheint, aber dennoch Axiom bleibt: "Wahrhaftig zu sein ist die Bestimmung des Menschen. ... Die Lüge ist nur eine unerklärbare Verirrung und entfernt den Menschen von seiner Bestimmung." Beim Versuch, diese vermeintliche Naturtatsache noch einmal anders abzusichern, unterläuft ihm der nächste Lapsus: Der "Glaube an die Wahrhaftigkeit und die Macht der Aufklärung" sei der "letzte Glaube, der uns bleibt". Warum es diesem Glauben anders ergehen sollte als jenem, den er abgelöst hat, schreibt Bueb nicht.
Die Schule kann und soll nach Bueb die Menschen ihrer Bestimmung entgegenschubsen. Dazu müsse das mitunter nur zaghaft vorhandene Selbstvertrauen bestärkt werden, die Basis für alle Ehrlichkeit (und Goethe-Ähnlichkeit). Allerdings gebe es auch die hoffnungslosen Fälle, chronische Utilitaristen, denen Ehrlichkeit so fremd sei "wie dem Blinden die Farbe". Sie benötigten die Androhung von Kontrollen und Strafen. Es wird auch angedeutet, wer damit gemeint ist: alle jene, die anders als Goethe kein Urvertrauen in der Kindheit erwerben konnten, weil sie etwa "in Slums ohne die Zuwendung fürsorglicher Eltern und ohne die Erinnerung an die Vorbilder der Vergangenheit" aufgewachsen sind. Dass es zwischen Frankfurter Großbürgertum und Slums noch ein paar Zwischenstufen gibt, ahnt auch Bueb, aber jedes Verständnis für Schwache scheint ihm gefährlich: "Es ist immer Schwäche, die Lügen erzeugt."
Dass die Lüge hier eine enorme Last zu tragen hat, indem alles Schlechte der Welt auf sie reduziert wird - von der Sklaverei über die Euro-Krise bis zum Abstreiten der Tatsache, geraucht zu haben, durch ertappte Schüler -, trägt so wenig zur Kohärenz bei wie die Einteilung der Menschen in wesenhaft ehrliche und wesenhaft lügnerische: Zur ersten Kategorie gehören Sokrates, Jesus, Luther, die Geschwister Scholl, der Salem-Gründer Kurt Hahn, Gandhi, Edward Snowden, wackere Islamisten, Bueb selbst und der "dm"-Gründer Götz Werner.
Auf der anderen Seite stehen Diktatoren, ein bösartiger Vater, der seinen Sohn in die Psychiatrie einweisen ließ, verlorene Schafe aus den Slums, Anton Schlecker "mit seiner menschenverachtenden Strategie" und alle autoritär Herrschenden: "Autoritäres Verhalten von ,Mächtigen', seien es Eltern, Lehrer, Schulleiter, Vorstandsvorsitzende oder Regierungschefs, beruht immer auf Lügen." Die "Gewissheit zu siegen" mache jedoch "die Ehrlichen mächtig". Über diesen Sieg wachen die Historiker: "Sie rehabilitieren die Guten und verbreiten ihren Ruhm, die Bösen werden als Verbrecher entlarvt."
Diese Definition der Geschichtswissenschaft ist so gut gemeint und so schmerzhaft unterkomplex wie das gesamte Buch in seiner Mischung aus konservativer Attitüde, pädagogischer Rechthaberei, philosophischer Banalität, Geplauder aus dem Schuldirektorennähkästchen und durchaus nachvollziehbarem Missmut über das verlogene Gerede von Politikern, Medien und Kapitalisten. Ehrlich gesagt: Man hätte sich ein bisschen mehr intellektuelle Disziplin oder auch Führung gewünscht.
OLIVER JUNGEN
Bernhard Bueb: "Die Macht der Ehrlichen". Eine Provokation.
Ullstein Verlag, Berlin 2013. 160 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main