Das Hauptproblem, das ich sehe, ist, dass der Roman nur an der Oberfläche der Namenthematik kratzt. Wir finden hier nichts Namenkundliches, das über das hinaus geht, das jeder Laie sich auch so, ohne sich jemals mit Onomastik beschäftigt zu haben, zusammenreimen kann, was ausgesprochen schade ist.
Man hätte so viel mehr da raus holen können!
Das Namensystem ist schlicht, fast schon arm, da die…mehrDas Hauptproblem, das ich sehe, ist, dass der Roman nur an der Oberfläche der Namenthematik kratzt. Wir finden hier nichts Namenkundliches, das über das hinaus geht, das jeder Laie sich auch so, ohne sich jemals mit Onomastik beschäftigt zu haben, zusammenreimen kann, was ausgesprochen schade ist. Man hätte so viel mehr da raus holen können!
Das Namensystem ist schlicht, fast schon arm, da die Namengebungsmotivik ausschließlich aus Berufsnamen besteht. Die Vornamen sind nicht gegliedert, eine Bedeutung ist nicht gegeben. Man erfährt nur, dass Vornamen mit weniger Gliedern bedeutsamer sind – was auch immer das heißen mag. Zumal das anscheinend nicht konsequent durchgezogen ist. Tirasan ist angeblich ein zweigliedriger Name, wenn sich die Glieder aber nicht nach dem Augenscheinlichen, den Silben, richtet, so wurde das nie angesprochen und Tirasan ist demnach eigentlich doch ein dreigliedriger Name. Wie die Vornamengebung motiviert ist, wird also schon einmal absolut nicht ersichtlich, was im Angesicht der Thematik schwach ist.
Und dann liest man noch Aussagen wie diese: »Spitznamen, die keine Namen sind«. Ja, was denn sonst? Käsekuchen? Natürlich sind Spitznamen Namen, selbst wenn man jemanden »Hinkebein« oder dergleichen nennt! Sie sind sogar so sehr Namen, das das eine der Quellen für unsere heutige Familiennamenmotivik ist.
Die Charaktere bleiben eher flach. Nachdem sie ihren Namen bekommen haben, werden sie ausschließlich von der Namenmagie bestimmt, ihre vorigen Charakterzüge scheinen nicht mehr die allergrößte Rolle zu spielen. Auch das hätte man vertiefen können, ebenso den Umstand, dass Kinder spätestens ein Jahr nach ihrer Geburt in Schulen gegeben werden. Das wird gemacht, damit ihre Eltern nicht in Versuchung geraten, ihnen einen Namen zu geben und vorzeitig die Namenmagie zu erwecken, was tödliche Folgen haben kann und daher verboten ist. Aber was macht es mit einem Kind, wenn es in einer fast schon sterilen Umgebung eines Internats aufwächst, ohne elterliche oder andere Fürsorge (denn es wirkte nicht so, als würden die Pfleger groß eine Bindung zu den Kindern aufbauen wollen) und nur mit einer Nummer, mit der ihnen jegliche Individualität abgesprochen wird. Ganz ehrlich: Warum zeigt niemand Spuren dieser Behandlung? Das prägt einen doch, selbst wenn man es nicht anders kennt!
Nebst den Charakteren können auch die Dialoge nicht immer überzeugen. Im Rahmen eines Jugendbuches finden sich hier keine völlig hochgestochenen Formulierungen, was also durchaus angemessen ist. Allerdings wirken die Dialoge streckenweise sehr aufgesetzt und gekünstelt und lesen sich nicht immer wie ein tatsächliches Gespräch.
Abgesehen von der Grundidee, die trotz der gescheiterten Umsetzung schon sehr cool bleibt, kann man dem Roman zumindest zugutehalten, dass er sich sehr schnell liest. Man ist durchaus an einem Nachmittag damit durch.
Der Roman verspricht viel und hält wenig davon. Sehr schade, denn die Grundidee hat auf jeden Fall etwas. Der Gewinner des #erzaehlesuns Awards 2016 von Piper auf Wattpad hat auf jeden Fall extrem viel Luft nach oben und nur wenig nach unten. Man sollte den Roman also auf keinen Fall unter onomastischen Gesichtspunkten lesen, denn dem kann er nicht standhalten.