Der Wüstenbewohner spürt am meisten von allen Menschenkindern die Erbarmungslosigkeit der Gespaltenheit des Menschen. Ist doch seine Wanderung, sein endloses Umherstreifen eine ewige Reise auf der Suche nach der Freiheit und der Rückkehr zu Gott. Und die krankhafte Sehnsucht, deren Brennen er mit den kummervollen Assahar-Liedern zu lindern sucht, ist das Streben nach der verlorenen Heimat, eine schüchterne Bitte um Verzeihung bei einer Mutter, die ihn allein dadurch verlor, dass sie ihn in der kahlen Weite, der Wüste, gebar. Es ist, mit einem mutigen Ausdruck, die Sehnsucht, sesshaft zu werden. Und die Sesshaftigkeit ist das Leichentuch, ist die natürliche Vorbereitung auf den Tod.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Mit seinem "mächtigen, über tausendseitigen" Werk (das sich aus dem Hauptwerk "Die Magier" und den ergänzenden Episoden "Die steinerne Herrin" zusammensetzt) hat der Tuareg Ibrahim al-Koni den weißen Fleck, als der die Sahara auf unseren literarischen Landkarten prangte, erobert und seinem Volk, das sich "an der Schwelle zum Aussterben" befindet, eine "Überlieferung" gegeben, erklärt die Rezensentin Dorothea Dieckmann. Und in der Tat, so Dieckmann, entfalten sich von den ersten Seiten an die "Konstanten der Wüste", einerseits die der Natur und andererseits, mit dem Auftauchen der Karawane, die der Menschen. Letztere wirken wie Gesichter hinter Turbanen: "halb allegorisch verborgen, halb realistisch enthüllt". Aufwendig erzählt, drehe sich die Geschichte jedoch um einen klar umrissenen Kern: die Dreiecksgeschichte zwischen der Prinzessin Tenere, dem Notablen Ocha und dem Asket Udad. Alle drei, so die Rezensentin, wählen im Laufe der Erzählung den Tod, denn sie gehen an einer für ihr Geschlecht fatalen Situation zugrunde: Die Männer haben ihre Freiheit zugunsten einer Frau aufgegeben, und die Frau hatte die Freiheit zu wählen. Zum Vorwurf der Misogynie, der al-Koni gemacht wurde, bemerkt Dieckmann nur soviel, dass die "destruktiven Kräfte" in den weiblichen Figuren "kulminieren", insofern sie die Männer vom rechten Pfade abbringen. Und der rechte Pfad sei für den Tuareg der "Geist des Nomadentums", die nicht-abgesteckte "Weglosigkeit", das Wandern, das keinen Stillstand erlaubt - oder die Seele preisgibt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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