Produktdetails
  • Verlag: Dietrich (Maximilian)
  • Seitenzahl: 378
  • Deutsch
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 454g
  • ISBN-13: 9783871641626
  • ISBN-10: 3871641626
  • Artikelnr.: 22574395
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung

Bayern-Buch
Tod auf dem Scheiterhaufen
Mit einem dämlichen Grinsen schob der Büttel die Daumen des Mädchens Anna Claß zwischen ein Brett und eine Bank, dann drehte er gemächlich die Schrauben zu. Langsam wurden die Glieder zerquetscht, das Annele krümmte sich vor Schmerz. Jetzt pressten die Folterer alles aus ihr heraus, was sie hören wollten. In jenem Jahr 1590 war das schwäbische Dorf Wal von einer Missernte heimgesucht worden. Ein Sündenbock musste her, am besten eine Hexe. Wie im nahe gelegenen Schongau, wo sie der Obrigkeit schon reihenweise ins Netz gegangen waren. Nachdem eine Frau unter Mithilfe des Annele ein behindertes Kind auf die Welt gebracht hatte, war das Schicksal des Mädchens besiegelt. Sie gestand den Folterern, einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben. Das Annele wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Der in Unterdießen lebende Autor Rasso Ronneburger hat diese Geschichte, die er als Roman erzählt, nicht erfunden. Das Staatsarchiv Augsburg besitzt einen schmalen Akt, der das Schicksal der Anna Claß belegt. Denn die Folterer haben für jede ihrer Handlungen Rechnungen geschrieben, die von den Angehörigen des Opfers bezahlt werden mussten. Die Schriftstücke lassen in Abgründe blicken, in die es für uns in Mitteleuropa keinen Zugang mehr gibt. Wir müssten unseren Blick schon weit weg nach Guantanamo oder in ähnliche Folter- und Hinrichtungsstätten wenden, in denen Menschen heute noch willkürlich gequält und ermordet werden.
Oft stockt einem der Atem, wenn man Ronneburgers Roman liest, der ein berührendes Stück Heimatgeschichte widerspiegelt. Welch eine finstere Zeit, denkt man sich, welch ein Gestrüpp aus Unaufgeklärtheit und dumpfem Weltverständnis. Dennoch dürfen wir uns kein Urteil erlauben, sagt Ronneburger. Erst müssten wir die damalige Gesellschaft verstehen lernen. Das ist schwer genug, was schon der vor 20 Jahren erschienene, ebenfalls aus Quellen geschöpfte Hexenroman „Weg ins Feuer” von Michael Kunze gezeigt hat. Ronneburger hätte manche Szene noch hässlicher schildern können. Etwa, als der schwatzhaften Pfarrersköchin die Zähne ausgebrochen werden sollen. Das war eine landesübliche Strafe. Doch auf Voyeurismus legt er keinen Wert. Der Blick auf die Welt der kleinen Leute, wie ihn Ronneburger und Kunze schildern, ist auch so erschreckend genug. Wir lernen daraus, dass die Kulturgeschichte des 16. Jahrhunderts vor allem eine Geschichte menschlicher Verirrungen ist. Hans Kratzer
Rasso Ronneburger, Die Malefikantin, Roman einer Hexe, Maximilian Dietrich Verlag, Memmingen 2007, 380 Seiten, ISBN-13: 97838-7164-162-6, 14,80 Euro.
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