Die 17jährige Marie Le Flem wird von den Bewohnern von Port-en-Bessin, einem kleinen Fischerort an der Atlantikküste, nur die „Heimlichtuerin“ genannt. Niemand weiß, was in ihr vorgeht. Keiner vermag, ihre Gedanken zu erraten.
Das hübsche Mädchen und ihre vier Geschwister stehen plötzlich
elternlos da. Vor zwei Jahren war die Mutter verstorben und nun trägt man den Vater Jules zu…mehrDie 17jährige Marie Le Flem wird von den Bewohnern von Port-en-Bessin, einem kleinen Fischerort an der Atlantikküste, nur die „Heimlichtuerin“ genannt. Niemand weiß, was in ihr vorgeht. Keiner vermag, ihre Gedanken zu erraten.
Das hübsche Mädchen und ihre vier Geschwister stehen plötzlich elternlos da. Vor zwei Jahren war die Mutter verstorben und nun trägt man den Vater Jules zu Grabe.
Marie ist Kellnerin im „Café de la Marine“, sie kann also zukünftig selbst für ihr Aus-kommen sorgen. Die Erziehung ihrer drei jüngeren Geschwister würde allerdings ihre Möglichkeiten überschreiten, daher werden diese von Verwandten aufgenommen. Maries ältere Schwester Odile dagegen lebt seit einiger Zeit mit ihrem Liebhaber Henry Chatelard im benachbarten Cherbourg, wo die beiden ein ausschweifendes Leben führen.
Odile ist mit Henry zur Beerdigung des Vaters nach Port-en-Bessin gekommen, wo am Nachmittag auch ein Fischkutter versteigert wird. Die Versteigerung der „Jeanne“ ist beinahe noch beklemmender als die Beerdigung am Morgen, denn niemand will den alten Kahn mit gebrochenem Mast haben. Schließlich ersteigert Chatelard das halbe Wrack und ist damit stolzer Schiffseigner.
Während seines Aufenthaltes in Port-en-Bessin verliebt sich Chatelard in die stille Marie und bietet ihr eine Stelle in seinem vornehmen „Café Chatelard“ in Cherbourg an. Marie lässt sich jedoch von dem Angebot nicht beeindrucken, sie will unbedingt in dem kleinen Fischerort bleiben. Die naive Odile dagegen bemerkt überhaupt nicht, dass ihr Freund ein Auge auf ihre Schwester geworfen hat.
Durch die notwendige Reparatur der „Jeanne“ - u.a. ist die Nockenwelle gebrochen - weilt Chatelard in den kommenden Tagen häufig in Port-en-Bessin und macht dabei Marie weiterhin den Hof. Je öfter ihn Marie abweist, desto mehr fühlt sich der 35jährige in seiner Ehre gekränkt. Ihre Nichtbeachtung feuert seine Leidenschaft noch mehr an und so merkt er nicht, wie er zum Spielball der unnahbaren Schönen wird.
Meisterhaft schildert Simenon die Entstehung der erotischen Beziehung zwischen der jungen Marie und dem gestandenen Chatelard, in einer leisen Sprache lässt er den Leser an der knisternden Atmosphäre teilhaben, an den Träumen vom Glück und von einem besseren Leben. Weitere Schwerpunkte des Romans sind die Darstellung des schwesterlichen Verhältnisses und das Lokalkolorit des kleinen Fischerortes in der Normandie, die einen besonderen Menschenschlag hervorgebracht hat.
Der Roman, der 1949 mit Jean Gabin in der Rolle des Henry Chatelard verfilmt wurde, erschien 1938 unter dem Originaltitel „La Marie du port“, während die deutsche Erstausgabe erstmals 1989 im Diogenes Verlag veröffentlicht wurde. Für die vorliegende Edition der „Ausgewählten Romane“ wurde diese Übersetzung noch einmal überarbeitet.
Manfred Orlick