Wie bin ich überhaupt zu diesem Lebensthema gekommen? Mein Fremdeln in der Normalität des ostdeutschen Nachkriegsdeutschlands ist gewiss ein Grund. Ich wollte genauer wissen, was es damit auf sich hat und was damit nicht stimmt. Was ich damit auf den Schultern hab und wozu. Ich hab in Ostberlin Philosophie studiert und konnte nun immerhin begründet fremdeln. Mein Fremdeln wurde zur Verweigerung der mit einer Loyalitätsbekundung verbundenen Aufstiegschancen. Wurde zu spielerischen Provokationen zuerst, dann zu ernsthafteren Versuchen, diese demokratische Republik beim Wort zu nehmen, was mich…mehr
Wie bin ich überhaupt zu diesem Lebensthema gekommen? Mein Fremdeln in der Normalität des ostdeutschen Nachkriegsdeutschlands ist gewiss ein Grund. Ich wollte genauer wissen, was es damit auf sich hat und was damit nicht stimmt. Was ich damit auf den Schultern hab und wozu. Ich hab in Ostberlin Philosophie studiert und konnte nun immerhin begründet fremdeln. Mein Fremdeln wurde zur Verweigerung der mit einer Loyalitätsbekundung verbundenen Aufstiegschancen. Wurde zu spielerischen Provokationen zuerst, dann zu ernsthafteren Versuchen, diese demokratische Republik beim Wort zu nehmen, was mich schließlich ins Abseits eines generellen Arbeitsverbots führte und als Konsequenz daraus bis zum Ausreiseantrag. Meine Erzählung "Draußen" erzählt von einem Draußen das unmerklich zum Drinnen wird. Hans wächst in einer Künstlerkolonie am Berliner Stadtrand auf, umgeben von einer rätselhaften Nachkriegslandschaft und -personage, er ist zehn Jahre alt, als die Mauer gebaut wird. Die Erzählung setzt ein, als er dreizehn ist und die Menschen in seiner Umgebung begonnen haben, sich mit dem Teilungsbauwerk abzufinden. Dauer schafft Normalität. Hans erlebt, wie unterschiedlich die Erwachsenen reagieren: Flucht, Depression, Neuorientierung. Seine Eltern lassen sich scheiden, geben ihr Projekt "bürgerliche Familie" auf und wenden sich Partnern "aus dem Volk" zu. Für Hans ist diese Proletarisierung ein Verrat an ihrer Identität, aber er weiß auch, dass sie mit ihrer Anpassung etwas richtig machen.
Martin Ahrends wurde 1951 in (West-)Berlin Zehlendorf geboren, er zog mit den Eltern 1957 nach Kleinmachnow (DDR). Abitur 1970 in Potsdam, Studien der Musik, Philosophie, Theaterregie in Berlin, wo er als Redak-teur einer Zeitschrift für ernste Musik und als wissenschaftlicher Mitarbei-ter an der Komischen Oper tätig war. Nach einem politisch begründeten Arbeitsverbot stellte er 1982 einen Ausreiseantrag, dem 1984 stattgege-ben wurde. In Hamburg war er zwischen 1986 und 94 Redakteur und frei-er Mitarbeiter der Wochenzeitung DIE ZEIT, seither ist er freier Autor. Ne-ben zahlreichen publizistischen Arbeiten hat er literarische Texte veröffent-licht: Erzählungen, Essays, Romane u. a. bei Kiepenheuer & Witsch in Köln, bei Wallstein in Göttingen und im Aufbau Verlag Berlin.
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