Marktplatzangebote
8 Angebote ab € 15,00 €
  • Broschiertes Buch

Die Präsenz und die kulturelle Blüte des Islam in Südspanien während fast acht Jahrhunderten war keine Randepisode der europäischen Geschichte. Ganz abgesehen vom Glanz einer eigenständigen arabischen Kultur, der bis heute in den Bauten und Kunstwerken des maurischen Spanien zu bewundern ist, abgesehen auch von den großen literarischen und wissenschaftlichen Leistungen, die die klassische arabische Kultur mit der alten europäischen verbinden, hat sie das frühmittelalterliche Europa entscheidend geprägt und die Geschichte Spaniens nachhaltig beeinflußt. Hottingers grundlegendes Buch verbindet…mehr

Produktbeschreibung
Die Präsenz und die kulturelle Blüte des Islam in Südspanien während fast acht Jahrhunderten war keine Randepisode der europäischen Geschichte. Ganz abgesehen vom Glanz einer eigenständigen arabischen Kultur, der bis heute in den Bauten und Kunstwerken des maurischen Spanien zu bewundern ist, abgesehen auch von den großen literarischen und wissenschaftlichen Leistungen, die die klassische arabische Kultur mit der alten europäischen verbinden, hat sie das frühmittelalterliche Europa entscheidend geprägt und die Geschichte Spaniens nachhaltig beeinflußt.
Hottingers grundlegendes Buch verbindet diese drei Aspekte, indem er die Geschichte und Geistesgeschichte der Muslime in Spanien nachzeichnet und ihre Wirkung auf Nordspanien und das restliche Europa präzise beschreibt.
Autorenporträt
Arnold Hottinger, geboren 1926 - fließend sprachkundiger Arabist und Orientalist - war von 1961 - 1991 Korrespondent der "NZZ" im Nahen Osten. Zahlreiche Fachveröffentlichungen und Berichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.12.1995

Spanien bleibt arabisch
Arnold Hottingers maßvolle Huldigung an die maurische Kultur

Alle Muslime, aber auch alle Orientalisten träumen von Andalusien. Dort, wo der Granatapfel blüht, im Schatten der Giralda von Sevilla und des Generalife von Granada ist für sie das verlorene Paradies, ein Ort, an dem noch am ehesten etwas verwirklicht worden ist, das man als multikulturelle Synthese dreier Weltreligionen bezeichnen könnte: das relativ harmonische Zusammenleben von Islam, Judentum und Christentum. Doch war es wirklich so? Muß nicht die gründliche historische Nachforschung ein komplexeres und damit realistischeres Bild ergeben?

Zu einem Zeitpunkt, da historische Romane über das sterbende Granada der Mauren Konjunktur haben, hat Arnold Hottinger sich dieses Themas in einem umfangreichen, fast fünfhundert Seiten starken Werk angenommen. Hottinger, dreißig Jahre lang Nahost-Korrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung" und lange Zeit das unbestrittene Haupt der deutschsprachigen Orient-Berichterstattung, ist nach Erreichen der Altersgrenze ausgeschieden und hat sich in Spanien, von wo aus er früher über die arabische und iberische Welt berichtete, niedergelassen. Man merkt seinem Buch "Die Mauren. Arabische Kultur in Spanien" an, daß er es schon immer schreiben wollte.

Hottingers Werk wird für lange Zeit eine gültige Zusammenfassung und Deutung Arabo-Spaniens für einen gebildeten Leserkreis bleiben. Souverän und virtuos beherrscht er seine Quellen, vor allem die epochalen Arbeiten Américo Castros, Evariste Lévi-Provençals, die orientalistischen Standardwerke von Wilhelm Hoenerbach und Reinhard Dozy, in denen ein großer Teil der authentischen Überlieferungen arabischer Geschichtsschreiber aus al Anadalus zusammengefaßt worden ist. Hinzu kommen arabische Originalquellen und die Zeugnisse arabisch-muslimischer und spanisch-christlicher Kultur.

Hottinger folgt im wesentlichen Américo Castros These, daß die arabisch-muslimische Epoche Iberiens nach der Reconquista, die 1492 endgültig abgeschlossen war, auch das moderne Spanien und die spanische Mentalität tief geprägt hat. Diese These ist nicht unwidersprochen geblieben, sie ist aber auch nicht widerlegt worden. Hottingers Hinweise und Deutungen sind im großen und ganzen überzeugend. In ausführlich angelegten Kapiteln schildert der Autor zunächst die Ereignisgeschichte. Sie beginnt im Jahre 711 mit dem Überschreiten der Meerenge von Gibraltar durch den Feldherrn Tariq Ibn Ziyad ("Dschebel al Tariq") und endet, was die maurische Zeit angeht, mit dem Abzug Boabdils, der den Truppen Ferdinands und Isabellas von Kastilien schließlich erlegen war, aus Granada im Jahre 1492. Dazwischen liegen das Kalifat der Omajjaden von Cordoba mit den beiden bedeutenden Herrschern Abdurrahman III. und al-Hakam II., die Periode der Reyes de Taifas, in der das Kalifat in Duodezfürstentümer zerfiel, die Zeit der Almoraviden und Almohaden, schließlich die Spätblüte der Nasriden in Granada.

Trotz der späteren Erfolge der aus Marokko herübergekommenen Almoraviden und Almohaden zeigte die Rückeroberung Toledos durch die Christen im Jahre 1085 schon die Richtung der Geschichte an. Die Nasriden konnten ihr zusammengeschmolzenes Reich im Gebiet der Sierra Nevada in der Südostecke der Halbinsel nur dadurch bewahren, daß sie zunächst eine geschickte Schaukelpolitik zwischen den Christen im Norden und den Mariniden von Fes praktizierten und sich später zu Vasallen der Kastilier machen ließen.

Der Autor unternimmt ausführliche Ausflüge in die hochentwickelte muslimisch-andalusische Kultur. Er behandelt neben der Baukunst vor allem die Dichtung (bemerkenswert sind die freizügigen Liebesromanzen), die in Nordafrika noch heute populäre andalusische Musik, die Philosophie (von Ibn Tufail bis zu Averroes) und die Mystik, vor allem Ibn Arabi und seine Schüler. Mit allem haben die "Mauren" tief auf Europa eingewirkt, und natürlich erst recht auf Spanien. Eine Ehrenrettung erfahren bei Hottinger die Reyes de Taifas, die aus arabischer Sicht immer als Exponenten einer Verfallszeit angesehen werden, aber eine Hochblüte der Kunst hervorbrachten.

Das arabische al Andalus wird von Hottinger mit Interesse, ja Zuneigung, aber nicht verklärt dargestellt. Schon der Juden-Pogrom von 1066 macht deutlich, daß auch im Schatten des Granatapfelbaumes nicht alles Gold war, was glänzte. Auch die arabische Geschichte Spaniens war kein Arkadien, sondern erzitterte bisweilen vor Gewalt. Toleranz war ein relativer Begriff, der nur auf die damalige Zeit selbst bezogen werden kann. Vom modernen Toleranz-Begriff war auch die großartige Kultur der Mauren im allgemeinen weit entfernt. Erst recht galt dies nach ihrer Vertreibung, als die Christen - vor allem die "conversos", die neu zum Christentum Bekehrten - die Moriskenprozesse und die Inquisition betrieben. Kultureller Umbruch und kulturelles Erbe schufen eine Atmosphäre, ohne die das goldene Zeitalter Spaniens - im Guten wie im Schlechten - nicht entstanden wäre. WOLFGANG GÜNTER LERCH

Arnold Hottinger: "Die Mauren". Arabische Kultur in Spanien. Wilhelm Fink Verlag, München / Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1995. 495 S., Abb., geb., 88,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr