Philipp wohnt mit seinem Vater am Rande des Waldes, gleich hinter den Dünen. Seine Mutter hat er kaum gekannt. Eines Abends wollte sie kurz im Meer schwimmen und ist nicht zurückgekehrt. Aber sie lebt als Meerjungfrau weiter in der Geschichte, die sein Vater ihm erzählt: Eines Tages hat sein Vater am Strand eine verletzte Meerjungfrau gefunden und sie zu Hause in der Badewanne gesund gepflegt. Doch obwohl sich die beiden ineinander verliebten, konnte die Meerjungfrau nicht bleiben. Sie sehnte sich zu stark nach dem Meer. Das kann Philipp gut verstehen. Und so erfindet er selbst Geschichten, denn es ist ein wundervoller Gedanke, dass seine Mutter im Meer lebt. Auf den Brief, den er ihr per Flaschenpost schickt, gibt er sich eben selbst Antwort: 'Danke für all deine geheimen Küsse. Ich weiß, wann einer unterwegs ist. Dann höre ich über mir ein Plumpsen und dann wirbelt dein Kuss nach unten und ich fange ihn mit den Händen auf und drücke ihn mir ganz sanft auf den Mund.'
Eine poetische Erzählung über das Glück, ein kleiner Junge zu sein
Philipp wohnt mit seinem Vater in einem großen Haus am Waldrand, gleich hinter den Dünen. Und genau dort hat er einen Geheimplatz, wo er ganz alleine für sich ist. Und aufs Meer schauen kann. Nach seiner Mutter zum Beispiel. Denn die, das hat ihm sein Vater erzählt, war eine Meerjungfrau, die er eines Tages verletzt gefunden und dann gepflegt hatte. Irgendwann war sie aus dem Fischschwanz gestiegen, bei ihm geblieben und Philipp kam zur Welt. Eines Tages aber war ihre Sehnsucht nach dem Meer zu groß, sie ist wieder ins Wasser zurückgegangen.
Philipps Vater kann Geschichten erzählen, dass man fast glaubt, sie sind wahr. Immerhin hat Philipp an jedem Fuß zwei Schwimmzehen. Ein Erbe seiner Mutter? Eines Tages wirft er eine Flaschenpost ins Meer: „Mama! Post für dich!” Ja, das Meer ist für Philipp faszinierend. „Wie groß ist das Meer”, hatte er eines Tages seinen Vater gefragt. „ Das wissen wir nicht. So groß ist das Meer”, hatte der geantwortet.
Aber Philipps Leben besteht nicht nur aus Empfindungen für das Meer und seine Mutter. Da gibt es noch seine heimliche Freundin Doro, Martha das Baby oder die Schwarze Witwe, die gar keine ist. Philipp ist ein wacher Junge, der seine Umgebung genau betrachtet, der zwischen den vielen Geschichten seines Vaters und dem spannenden Leben hin und her läuft. Der weiß, dass das Leben zwar eine Geschichte ist, aber nicht immer ein Märchen. Vieles aber endet dennoch gut. Zum Beispiel findet Philipp eines Tages sein Lied. Denn jeder Mensch hat sein Lied, das weiß er von seinem Vater. Seines klingt wie das Meer: es kommt und geht. Und sein Herz? Für wen oder was schlägt das eigentlich? Philipp denkt nach und weiß es dann: für seinen Geschichtenpapa, für die Meerjungfraumama, für das Meer, den Wind, für sich, für seine Geheimnisse.
Koos Meinderts, man erinnert sich an sein wunderschönes Buch Sag Leen zu mir , hat eine einfühlsame Geschichte geschrieben, bei der nur der nichts sagende und in die Irre führende Allerweltstitel stört. (ab 8 Jahre)
STEFAN WILFERT
KOOS MEINDERTS: Die Meerjungfrau in der Badewanne. Mit Illustrationen von Annette Fienieg. Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann. Sauerländer Verlag 2003. 86 Seiten, 9,90 Euro.
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'Ein wunderbares, poetisches Buch' (Trouw, Niederlande)