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Im Hilfesupermarkt
Aktueller könnte das Thema kaum sein. Wenn Hilfsorganisationen zum Spenden auffordern, folgen wir ihrem Ruf nur allzu bereitwillig. Rund 2 Millionen Euro spenden allein die Deutschen jedes Jahr. Doch wissen wir immer, was mit diesem Geld geschieht? Bewirkt es wirklich, was wir damit bezwecken? Wie entscheiden humanitäre Helfer, wer wie viel Hilfe bekommt? Kann Nothilfe in einem Kriegsgebiet überhaupt neutral sein oder verlängert sie nicht automatisch den Konflikt und damit die Gewalt? Noch immer gilt es als ethisch nicht korrekt, Hilfsorganisationen kritische Fragen zu…mehr

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Produktbeschreibung
Im Hilfesupermarkt

Aktueller könnte das Thema kaum sein. Wenn Hilfsorganisationen zum Spenden auffordern, folgen wir ihrem Ruf nur allzu bereitwillig. Rund 2 Millionen Euro spenden allein die Deutschen jedes Jahr. Doch wissen wir immer, was mit diesem Geld geschieht? Bewirkt es wirklich, was wir damit bezwecken? Wie entscheiden humanitäre Helfer, wer wie viel Hilfe bekommt? Kann Nothilfe in einem Kriegsgebiet überhaupt neutral sein oder verlängert sie nicht automatisch den Konflikt und damit die Gewalt?
Noch immer gilt es als ethisch nicht korrekt, Hilfsorganisationen kritische Fragen zu stellen. Schließlich handeln sie doch zumeist mit besten Absichten. Doch eine Diskussion darüber ist mehr als überfällig. Nach wie vor fehlt es der humanitären Gemeinschaft an einer Übereinstimmung über Definitionen und Grundsätze. Ein System, um Leistungen zu verfolgen und zu analysieren, existiert nicht.
Die erfahrene Journalistin Linda Polman kennt die Krisenherde der letzten vier Jahrzehnte aus eigenem Erleben und weiß, dass humanitäre Hilfe voller Widersprüche steckt.
Ein schonungsloses, offenes und im besten Sinne verstörendes Buch mit dem leidenschaftlichen Aufruf zu einer längst überfälligen Debatte über die Verwendung von Hilfsgeldern.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.10.2010

Wohin mit dem Geld?
Linda Polman schaut hinter die Hilfsorganisationen

Weltweit arbeiten siebenunddreißigtausend internationale Hilfsorganisationen. Noch nie gab es so viele wie heute. Wenn Katastrophen ausbrechen, reisen ihre Mitarbeiter in die betroffenen Gebiete, um den Notleidenden zu helfen. Dabei geht es auch um sehr viel Geld. Im Jahr verfügen die Hilfsorganisationen über 120 Milliarden Dollar, die sie von Staaten und privaten Spendern bekommen. "Die Organisationen wetteifern darum, das Geld auszugeben", meint die niederländische Journalistin Linda Polman. "Sie alle wollen ihren Teil an dem Multimilliarden-Dollar-Budget. Diese Hilfsindustrie ist zu groß geworden - wie ein Monster, das nicht länger kontrolliert werden kann."

Polman war selbst in vielen Krisengebieten, kennt die Flüchtlingslager und weiß, wovon sie spricht. Sie war in Sierra Leone, Afghanistan, Äthiopien, Somalia, im Irak und im Kongo. In ihrem Buch über die "Mitleidsindustrie" kritisiert sie Hilfsorganisationen, die unfreiwillig zu Helfern der Kriegsparteien werden. Am Beispiel Ruanda führt sie vor Augen, was sie damit meint. 1994 glaubten die westlichen Fernsehzuschauer, im Lager von Goma in Zaire befänden sich die Opfer des Völkermordes von Ruanda. Tatsächlich waren es aber die Täter. Die Hutu-Milizen, die den Völkermord begangen hatten, waren nun selbst vor der rachenehmenden Tutsi-Armee geflohen.

Die nach dem Grundsatz der Neutralität operierenden Hilfsorganisationen wussten das, brachen ihre Zelte aber trotzdem nicht ab und halfen damit gewollt oder ungewollt der Hutu-Armee. Eine Ausnahme stellte die französische Sektion von "Ärzte ohne Grenzen" dar, die Goma verließ. Sie wurde sofort von zehn anderen Organisationen ersetzt. Polman schreibt: "Weil es so viele Hilfsorganisationen gibt, fällt es den regionalen Kriegsherren leicht, sie zu manipulieren. Die Machthaber wissen: Wenn eine Organisation wegen des Missbrauchs geht, rücken sofort andere nach. Deshalb sind die NGOs so anfällig für Erpressung und Missbrauch." Ihre Hilfeleistungen sind Bestandteil der Kriegsstrategien geworden. Müssen NGOs stur weiterhin helfen, wenn kämpfende Parteien die Hilfe für sich selbst und gegen den Feind gebrauchen? Oder müssen sie abziehen? Was ist auf Dauer das Grausamere? Polman verdeutlicht den Gedanken anhand eines Beispiels: "Nehmen wir einmal an, es ist 1943. Sie sind Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation. Das Telefon klingelt. Es sind die Nazis. Sie dürfen Hilfsgüter in ein Konzentrationslager bringen, aber die Lagerverwaltung darf bestimmen, wie viel davon ans eigene Personal und wie viel an die Gefangenen geht. Was tun Sie?"

Obwohl man stellenweise etwas Zynisches aus ihren Worten herauslesen kann, will Polman die Hilfsorganisationen nicht provozieren, sondern dafür sorgen, dass das Geld, welches ihnen zufließt, besser kontrolliert wird. Sie will Menschen nicht vom Spenden abbringen, sondern sie dazu auffordern, nachzuhaken und die Organisationen zu fragen, wohin das Geld geht, ob es an der richtigen Stelle produktiv eingesetzt wird. Polmans Einblicke in die Arbeit der Hilfsorganisationen, bisweilen desillusionierend, sind notwendig, um sich darüber zu informieren, wie man helfen kann, obwohl man weiß, was hinter den Kulissen der "Mitleidsindustrie" vor sich geht.

LEVKE CLAUSEN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Trotz reißerischer Titel (von Buch und Rezension) geht es Bei Linda Polman nüchtern zu, zumindest erweckt Reinhild Khan in ihrer Besprechung den Eindruck. Die niederländische Journalistin Linda Polman weist auf Fehlentwicklungen bei der Humanitären Hilfe hin, die mitunter dazu führten, dass nicht den Opfern, sondern den Tätern geholfen wird - wie den nach dem Völkermord an den Tutsi in den Kongo geflohenen Hutu (Löbliche Ausnahme: die Ärzte ohne Grenzen zogen sich aus den Flüchtlingscamps zurück). Oder dass die Hilfe bei Militärs oder Rebellen ankommt. Sehr wichtig findet Khan auch den Hinweis, dass die seit Henri Dunant postulierte politischen Neutralität von Hilfsorganisationen in Naivität umschlagen kann. Dass Polman keine Patentlösungen anbietet, geht für die Rezensentin in Ordnung, dafür sei das Problem zu komplex, aber Polmans Forderung nach mehr Transparenz und Rechenschaft kann Reinhild Khan nur unterschreiben.

© Perlentaucher Medien GmbH
Gut gemeint
"Spannend und ergreifend ... Wer dieses Buch gelesen hat, wird nie mehr ohne zweifelnde Hintergedanken Spendengeld auf eines der Konten überweisen, die nach Katastrophenberichten im Fernsehen eingeblendet werden." (Manager Magazin, 01.08.2010)

Widersprüche humanitären Handelns
"Spender vor den Kopf zu stoßen hat Polman mit ihrem Werk nicht im Sinn. Auch nicht, anzuregen, Menschen in Not ihrem Schicksal zu überlassen. Vielmehr ruft sie zu einer Debatte über die Verwendung von Hilfsgeldern auf, die längst fällig ist." (Kleine Zeitung, 19.09.2010)

Bunte Vögel im Käfig
"Ein schonungsloses Abrechnungswerk." (Der Spiegel, 20.09.2010)

Geld für die Warlords
"Polmans spannendes Buch ist ein Standardwerk für jeden, der sich für die Mechanismen internationaler Hilfseinsätze interessiert." (Süddeutsche Zeitung, 27.09.2010)

Wohin mit dem Geld?
"Polmans Einblicke in die Arbeit der Hilfsorganisationen, bisweilen desillusionierend, sind notwendig, um sich darüber zu informieren, wie man helfen kann, obwohl man weiß, was hinter den Kulissen vor sich geht." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2010)

Kollaboration mit dem Elend
"Es braucht Journalisten wie Linda Polman, die sich nicht blenden lassen von Medienspektakeln und gigantischen Zahlen, sondern hartnäckig nachfragen, auch dann noch, wenn die Karawane längst weitergezogen ist. Wir, die Spender, müssen sie dabei mehr denn je unterstützen." (Frankfurter Rundschau, 21.10.2010)

Das Gute, das du heute tust
"Polmans Ergebnisse sollten gerade den so spendenfreudigen Deutschen zu denken geben." (Die Welt, 30.10.2010)

Mitleidsindustrie
"Eine bemerkenswerte Diskussionsgrundlage über die Mechanismen humanitärer Hilfe in Krisenregionen." (Oberösterreichische Nachrichten, 12.11.2010)

Lesen!
"Die Autorin will verdeutlichen, dass Hilfe besser kontrolliert werden muss. Bleibt zu hoffen, dass ihr dies mit ihrem aufrüttelnden und auf positive Weise verstörenden Buch gelingt." (Welt am Sonntag, 12.12.2010)
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