In der Mitte des Alten Testaments steht die Beziehung zwischen Jahwe als dem Gott Israels und Israel als dem Volk Jahwes. Wo diese Beziehung zuerst in einem Satz formuliert wird, beim Propheten Hosea, geschieht es in scharfer Verneinung: "Ihr seid nicht mein Volk, und ich bin nicht euer Gott." Die nachprophetische Theologie ist in der Hauptsache der Versuch, dieses Nein, in dem Hosea Seite an Seite mit seinem Zeitgenossen Amos steht, zu überwinden, indem jene Beziehung einerseits schon in die mosaische Zeit zurück-, andererseits in Form einer Verheißung in die Zukunft vorausprojeziert wird: "Ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein." Von diesem Ausgangspunkt her untersucht Rudolf Smend in den hier zusammengestellten Aufsätzen zentrale Texte und Themen aus verschiedenen Bereichen, stets mit dem Ziel theologischen Erkenntnisgewinns über die inneralttestamentliche Exegese hinaus. Besonderen Wert legt er dabei auf die Einbeziehung der neuzeitlichen forschungs-, theologie- und geistesgeschichtlichen Zusammenhänge. Dieser Band stellt somit einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über Einheit und 'Mitte' des Alten Testaments dar und enthält mehrere Thesen, so zum Beispiel die über eine 'nomistische' Redaktion im deuteronomistischen Geschichtswerk, die bereits richtungsweisende Wirkung gezeigt haben.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
"Auf kein Geschichtswerk ist so viel Deutungsarbeit verwendet worden wie auf die Geschichtsbücher des Alten Testaments", schreibt Friedemann Voigt und ist daher sehr erfreut darüber, dass der Göttinger "Alttestamentler" Rudolf Smend seine bereits 1970 erschienene und längst vergriffene Studie über die "Mitte" dieses Werks überarbeitet und "in leicht veränderter Zusammenstellung" nun neu aufgelegt hat. Geradezu "tugendhaft" geht der Forscher, so der Rezensent, in seinen Aufsätzen dem Alten Testament und der Geschichte seiner Erforschung auf den Grund. Dabei lege Smend Wert darauf, das "Format der Interpretation" bei Spinoza, Buber, Herder und anderen zu erkunden. Besonders überzeugend findet Voigt, dass der Autor das Alte Testament nicht unter statischen, sondern unter dynamischen Gesichtspunkten betrachte, denn nur so lasse sich, stimmt auch der Rezensent zu, Geschichte und Theologie in einen sinnvollen Zusammenhang bringen. Mit "exegetischer Feinarbeit", die in den vierzehn Aufsätzen "versiert" durchgeführt wird, präsentiert Smend einerseits "Spezialkenntnisse", befriedigt aber andererseits auch ein "allgemeines Bildungsbedürfnis", lobt Voigt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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