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"An der englischen Küste, in Bournemouth, sucht der alternde Schriftsteller Dencombe Ruhe, um sich von einer Erkrankung zu erholen. Er sitzt am Meer, mit seinem jüngsten Buch in Händen, "Die mittleren Jahre" heißt es, als ihm ein junger Mann auffällt, Privatarzt einer Gräfin, der im gleichen Buch liest. Im Gespräch mit Dencombe erzählt Doktor Hugh von seiner Bewunderung für den Autor, ohne dass er ihn erkennt, ohne dass der sich zu erkennen gibt. Bis der erschöpfte Dencombe das Bewusstsein verliert. Als er wieder erwacht, weiß der Doktor, wen er vor sich hat, und Dencombe offenbart sich ihm in…mehr

Produktbeschreibung
"An der englischen Küste, in Bournemouth, sucht der alternde Schriftsteller Dencombe Ruhe, um sich von einer Erkrankung zu erholen. Er sitzt am Meer, mit seinem jüngsten Buch in Händen, "Die mittleren Jahre" heißt es, als ihm ein junger Mann auffällt, Privatarzt einer Gräfin, der im gleichen Buch liest. Im Gespräch mit Dencombe erzählt Doktor Hugh von seiner Bewunderung für den Autor, ohne dass er ihn erkennt, ohne dass der sich zu erkennen gibt. Bis der erschöpfte Dencombe das Bewusstsein verliert. Als er wieder erwacht, weiß der Doktor, wen er vor sich hat, und Dencombe offenbart sich ihm in all seinen Selbstzweifeln, Ängsten und der Hoffnung auf einen neuen Anlauf, eine zweite Chance."Die mittleren Jahre", 1893 erstmals erschienen, ist das Selbstporträt eines Schriftstellers als alternder Mann, eine von Henry James' intimsten und berührendsten Erzählungen, in der er auf knappem Raum die ganze Meisterschaft seiner Erzählkunst beweist. Sie hat Philip Roth und Colm Tóibín ebenso inspiriert wie Walter Kappacher, der in einem Nachwort erzählt, was sie für ihn und sein Werk so bedeutend macht, dass er sie ins Deutsche übertragen hat."
Autorenporträt
Henry James, 1843 in New York geboren, lebte lange Jahre als Amerikaner in Europa. In seinen 'internationalen Romanen' setzte er sich intensiv mit den Gegensätzen zwischen der Alten und der Neuen Welt auseinander und gilt heute als einer der einflussreichsten Schriftsteller der amerikanischen Literatur. Er starb 1916 in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.11.2015

Gouvernanten und Flugmaschinen

Henry James zum Ersten: Walter Kappacher bringt "Die mittleren Jahre" zum Klingen, Hazel Hutchisons Biographie liest man besser im Original.

Von Mirko Bonné

Henry James, der 1843 in New York geboren wurde, ist unter den bürgerlichen Erzählern der Vereinigten Staaten am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert wohl der bedeutendste, vielleicht auch deshalb, weil er bereits seit langem in Europa lebte, als sich die amerikanische Gesellschaft durch die Öffnung für Millionen von Einwanderern von Grund auf wandelte. Ohne den Blickwinkel des selbstgewählten Pariser und später Londoner Exils erscheinen seine zwanzig Romane und über hundert Erzählungen nicht denkbar. Das Einzigartige an diesem so feinsinnigen wie raffinierten Seelenstilisten ist sein Rückzug auf einen archimedischen Punkt, von dem aus er die Umbrüche der Welt und der Psyche seiner Zeit in Worte zu fassen versuchte. Die Novellen und Romane "Daisy Miller" (1878), "Bildnis einer Dame" (1881), "Die Aspern-Schriften" (1888), "Die Drehung der Schraube" (1898) oder "Die Gesandten" (1903) schlagen nicht nur die Brücke von Poe zu Tschechow, von Hawthorne zu Proust, sie entwickeln eine kompromisslos eigenwillige Sicht auf menschliches Erleben und Sprechen. Besonders ergreifend dargestellt ist diese Perspektive des Außerhalb-des-eigenen-Lebens-Stehens in der 1893 in Scribner's Magazine erstmals veröffentlichten Erzählung "The Middle Years", die kurz vor Henry James' 100. Todestag am 28. Februar 2016 nun auch auf Deutsch erscheint - ein doppelter Glücksfall, hat sie mit Walter Kappacher doch genau der Richtige übersetzt.

Mit einem zauberhaften Kunstgriff öffnet James hier ein poetisches Spiegelkabinett: "Die mittleren Jahre" heißt in der Erzählung nämlich ebenso das jüngste Werk des lange erfolgreichen, inzwischen von Krankheit und Niedergeschlagenheit zermürbten Schriftstellers Dencombe. In Bournemouth hofft er in einem Sanatorium auf "die schwachen Schwingen der Genesung", geht am Ärmelkanal allein spazieren und begegnet so dem jungen Arzt Dr. Hugh, der gemeinsam mit der "teuflischen Gouvernante" Miss Vernham die Entourage einer korpulenten alten Gräfin bildet. Der amüsierte Autor beobachtet die drei und ist überzeugt, allein dadurch alles von dem Trio zu wissen.

Zu Dencombes Verblüffung liest Hugh, als sie nebeneinander auf einer Bank sitzen, "Die mittleren Jahre", und bald kommen sie ins Gespräch, der von dem Buch begeisterte Arzt - Dencombe hält ihn für "ein Scheusal von einem Rezensenten" - und der alte Erzähler, der sich an keinen Satz aus der eigenen Feder erinnert und heilfroh ist, unerkannt zu bleiben. Doch ihm geht allzu viel durch den Sinn, Dencombe verliert das Bewusstsein, und als ihn Dr. Hugh zurückbringt ins Sanatorium, erfährt der, wen er da soeben gerettet hat.

James' Erzählung ist schmal, jeder Satz hat Gewicht und trägt dank fein ausbalancierter Syntax die äußere Handlung ebenso voran wie die psychologische Öffnung der Figuren - die Leistung von Kappachers Übertragung wird anhand kleinster Verschiebungen am deutlichsten. Denn erst allmählich, dann aber mit Vehemenz tritt zutage, worunter Dencombe wirklich leidet und was er Hugh als erstem Menschen anvertrauen mag. Er will "eine Verlängerung", "noch einen Anlauf". In einem bewegenden Gespräch gesteht Dencombe: "Verstehen Sie nicht? Ich möchte, was man leben nennt."

In ihrer 2012 im englischen Original und nun auf Deutsch erschienenen Biographie beschreibt Hazel Hutchison, schottische Mitherausgeberin des Gesamtwerks von Henry James, den großen Erzähler als einen, der zeitlebens allein blieb. Hutchison überlässt das Interpretieren den Lesern von James' Büchern, macht jedoch neugierig auf "Washington Square" (1881) oder "What Maisie Knew" (1897) und zitiert maßvoll aus James' Briefen und seinem poetologischen Opus magnum "The Art of Fiction" (1884), wo er schreibt, "dass das Gebiet der Kunst alles Leben, alles Fühlen, alle Beobachtung, alle Vision" umfasse. Romane gebe es nicht, um moralische Lektionen zu erteilen, sondern um "die Farbe des Lebens selbst" einzufangen. Das gelingt auch Hutchisons Biographie, etwa wenn sie beschreibt, wie James wegen einer chronischen Sehnenscheidenentzündung eine Sekretärin einstellte, die jedoch beim Romandiktat auf einer Schreibmaschine bestand - eine Klangkulisse, die James' Zeichensetzung und Satzbau nachhaltig beeinflusst habe. Sehr bedauerlich ist Ute Astrid Ralls nicht selten haarsträubende Übersetzung von Hutchisons Buch, die hölzern am Unlesbaren dahinschrammt und so an die Gräfin aus "Die mittleren Jahre" erinnert, denn für Dencombe hat diese "eine konfuse Ähnlichkeit mit einer abgestürzten Flugmaschine".

Die alte Gräfin und die zänkische Miss Vernham sind Frauengestalten, wie Henry James sie mit geringstem Aufwand lebendig werden lässt. Der junge Doktor hingegen ist ein für James ebenso typischer "Widerspiegler": nicht der Erzähler, genauso wenig aber bloß Figur. Hutchison sieht im Jamesschen "Reflector" jemanden, "dessen Beobachtungen und Reaktionen schlussendlich interessanter sind als das Drama selbst". Dr. Hugh ist der Leser eines am Ende enttäuschenden Lebens, und wohl darum klingt sein Name wie "you".

Walter Kappacher fügt seiner Übersetzung ein kurzes und sehr schönes Nachwort bei, in dem er auch auf seine zu Recht vielgerühmte Novelle "Der Fliegenpalast" zu sprechen kommt. Was der resignierte H., der alte Hofmannsthal, darin von sich sagt, hätte auch Henry James in "Die mittleren Jahre" von seinem Alter Ego Dencombe sagen können: "Mein Problem, das unüberwindlich scheint, ist, dass ich immer aus allem sofort etwas machen will."

Henry James: "Die mittleren Jahre". Erzählung.

Aus dem Englischen von Walter Kappacher. Verlag Jung und Jung, Salzburg 2015. 66 S., geb., 12,- [Euro].

Hazel Hutchison: "Henry James". Biografie.

Aus dem Englischen von Ute Astrid Rall. Parthas Verlag, Berlin 2015. 224 S., geb., 24,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lothar Müller freut sich, dass eine Reihe von Neuübersetzungen und frischen Ausgaben das Werk von Henry James in Deutschland wieder etwas zugänglicher machen. James ist für den Rezensenten eine außerordentliche Erscheinung: Jemand, der in Europa so zuhause ist wie in Amerika, der die Moderne mit all ihren technischen Neuerungen beobachtet und beschreibt (Passagierdampfer, Unverwasserkabel nennt Müller als Beispiel), und der sich für die gesellschaftlichen Folgen dieser Modernisierung ebenso interessiert wie für die Finanzen seiner Protagonisten. "Die mittleren Jahre", 1893 erschienen", hat im Deutschen keine sechzig Seiten, aber die Kunst der "außerordentlichen Verdichtung", wie James es selbst nannte, kann man hier ausgezeichnet studieren, so Müller, der die Neuübertragung von Walter Kappacher "makellos" findet.

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