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Es gibt Bücher, bei deren Erscheinen man sich wundert, dass es sie nicht schon lange gibt. FAZ Als Johannes Mohn 1887 das Erbe von Bertelsmann antrat, übernahm er einen Gesangbuchverlag und eine Druckerei. Nur drei Generationen später steht die Familie Mohn einem Medienimperium der Superlative vor: größtes Verlagshaus der Welt, größter Fernsehanbieter Europas, größter Zeitschriftenverlag Europas. Durch die Bertelsmann Stiftung reicht ihr Einfluss weit in die deutsche Politik hinein. Heute steht Bertelsmann am Wendepunkt. Die Familie ist zerrissen. Hinter den Kulissen entspinnen sich Machtkämpfe um das Erbe des Konzerns.…mehr

Produktbeschreibung
Es gibt Bücher, bei deren Erscheinen man sich wundert, dass es sie nicht schon lange gibt. FAZ Als Johannes Mohn 1887 das Erbe von Bertelsmann antrat, übernahm er einen Gesangbuchverlag und eine Druckerei. Nur drei Generationen später steht die Familie Mohn einem Medienimperium der Superlative vor: größtes Verlagshaus der Welt, größter Fernsehanbieter Europas, größter Zeitschriftenverlag Europas. Durch die Bertelsmann Stiftung reicht ihr Einfluss weit in die deutsche Politik hinein. Heute steht Bertelsmann am Wendepunkt. Die Familie ist zerrissen. Hinter den Kulissen entspinnen sich Machtkämpfe um das Erbe des Konzerns.
Autorenporträt
Thomas Schuler, geboren 1965, ist Absolvent der Columbia Journalism School in New York. Er war als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung und der Berliner Zeitung tätig und lebt heute als Journalist in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2004

Schein und Sein in Gütersloh
Eine Biographie der Familie Mohn zeigt die Brüche in der Unternehmenskultur von Bertelsmann

Thomas Schuler: Die Mohns. Die Familie hinter Bertelsmann. Campus Verlag, Frankfurt 2004, 24,90 Euro.

Es gibt Bücher, bei deren Erscheinen man sich wundert, daß es sie nicht schon lange gibt. Thomas Schulers Familiensaga über die Eigentümer des Gütersloher Medienkonzerns Bertelsmann ist so eines. Man mag es kaum glauben, aber der Journalist ist der erste unabhängige Autor, der den Aufstieg der Mohns zu einer der mächtigsten deutschen Unternehmerfamilien in umfassender und breiter Form darstellt. Und dies, obwohl der mittlerweile 82 Jahre alte Konzern-Patriarch Reinhard Mohn der mit Abstand prominenteste unter den noch lebenden großen deutschen Nachkriegsunternehmern ist. Aus einem Familienverlag in der nordrhein-westfälischen Provinz machten er und seine Manager den einzigen deutschen Medienkonzern, der in der Weltliga mitspielt.

Doch was das Thema Mohn für einen größeren Leserkreis interessant macht als nur für die Insider der Medienbranche, ist, daß der Name Bertelsmann immer für eine ganz besondere Form eines Familienunternehmens stand. Mohns wieder und wieder von ihm selber öffentlich formuliertes unternehmerisches Credo läßt sich ungefähr so zusammenfassen: Die Eigentümerfamilie kann selbst nicht über Generationen hinweg ein Unternehmen erfolgreich führen. Deshalb braucht sie Führungskräfte, die keine Gefolgsleute sind, sondern selbst den Freiraum bekommen, unternehmerisch zu handeln.

Leistung zahlt sich aus, lautete die Verheißung, die Bertelsmann in den sechziger Jahren zu einem Magneten für hoffnungsvolle Management-Talente machte. Schuler beschreibt, wie es Mohn damals über simple Zeitungsannoncen, die aber genau dies versprachen, gelang, am Anfang ihrer Karriere stehende spätere Spitzenkräfte wie Mark Wössner und Gerd Schulte-Hillen ins verschlafene Gütersloh zu locken. Der Erfolg gab Mohn recht: Fruchtbarer als er und sein Vorstandschef Wössner in den achtziger und neunziger Jahren haben selten Eigentümer und Spitzenmanager zusammengearbeitet. Zeitweilig war Bertelsmann damals der größte Medienkonzern der Welt.

Mohns Thesen vom Delegieren und dezentralen Entscheiden hat er freilich in seinen eigenen Büchern bereits hinlänglich ausgebreitet. Was Schulers Biographie interessant macht, ist, daß sie die Brüche im Bertelsmann-Mythos vom aufgeklärten, an Leistung und nicht Familienherkunft orientierten Unternehmertum offenlegt. Der Autor zeigt, daß Mohn, der sendungsbewußte Konstrukteur der Bertelsmann-Welt, der für sein Werk immer auch einen Vorbildcharakter reklamierte, es mit den eigenen Grundsätzen nicht so genau genommen hat. "Er predigte Wasser und trank Wein", wird Mohns erste Frau Magdalene in dem Buch zitiert. Gemünzt ist dies zwar in erster Linie auf Mohns Verhalten im Privaten, das der Autor ebenfalls ausbreitet. Es hat aber auch im Unternehmerischen Gültigkeit. Wer Querbezüge zwischen den Kapiteln herstellt, stößt auf die Widersprüche. So mußte 2003 Aufsichtsratschef Schulte-Hillen gehen, weil er sich zu stark in die Arbeit von Vorstandschef Gunter Thielen eingemischt haben soll. Zu seiner Zeit nahm sich Mohn im selben Amt freilich ganz selbstverständlich dieses Recht. "Ich verstehe die Aufsichsratsarbeit als eine absolut aktive Tätigkeit, die einen Mann voll beschäftigen sollte", sagte er 1979.

Nach Schulers Schilderung folgte Mohn über die Jahre hinweg keineswegs unbeirrt seinen Erkenntnissen über eine vorbildliche Unternehmensführung. Statt dessen zeigt das Buch Mohn an vielen Stellen schwankend zwischen allmächtigem Familienunternehmer und den selbstproklamierten Leitlinien von der "partizipativen" Führung. Deshalb vor allem ist der Grat, auf dem Spitzenmanager bei Bertelsmann wandeln, seit jeher schmal. Schon von seinem Generalbevollmächtigten Manfred Köhnlechner, einem langjährigen Vertrauten, trennte sich Mohn 1970 abrupt, weil der, wie Schuler schreibt, "zu eigenmächtig handelte". Magdalene Mohn zitiert der Autor mit den Worten, Köhnlechner sei "irgendwann abgehoben und übergeschnappt". Vorwürfe, die eine verblüffende Ähnlichkeit haben mit der Kritik, die Mohn Jahrzehnte später gegenüber seinem Konzernchef Thomas Middelhoff äußerte, mit dem er sich 2002 überwarf.

Eines der plastischsten Beispiele für die Inkonsequenz Reinhard Mohns ist eine Szene aus dem Jahr 1989, die Schuler wiedergibt. Damals trug Mohn seinem Sohn Andreas, dem jüngsten seiner sechs Kinder, die Nachfolge an der Unternehmensspitze an. Unter Berufung auf ein Gespräch mit Andreas Mohn schreibt Schuler, der Vater habe seinem Jüngsten einen detaillierten Karrierefahrplan bis zur Konzernleitung ausgemalt. Damit brach Mohn offenkundig mit seinem Prinzip, daß bei Personalentscheidungen die Fähigkeiten entscheiden. Andreas war damals gerade 20 Jahre alt und Student, konnte sich also im Geschäft noch gar nicht bewährt haben. Erfüllt hat er die Erwartungen des Vaters später nicht.

Szenen wie diese, die teilweise Jahrzehnte zurückliegen, relativieren die in der Medienberichterstattung über Bertelsmann zuletzt dominierende These, die Familie habe in jüngster Zeit in der Person von Reinhard Mohns zweiter Frau Liz die Macht bei Bertelsmann übernommen. Dieser Deutung schließt sich zwar auch Schuler an: "Es sieht so aus, als sei Bertelsmann auf dem Weg, ein ganz normales Familienunternehmen zu werden", schreibt er im letzten Kapitel. Tatsächlich zeigt er in seinem Buch jedoch selbst an vielen Beispielen, daß Reinhard Mohns Bertelsmann immer schon "normaler" war, als sein Schöpfer glauben machen und wohl auch selber wahrhaben wollte.

MARCUS THEURER

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