Der Tod des verrückten alten Ringler wirbelt das beschauliche Leben in Falkenhofen gehörig durcheinander: Gerüchte behaupten, dass der frühere Seebär steinreich war - und irgendwo seinen Schatz versteckt hat. Der 10-jährige Hagen und sein bester Freund Robbie sind wie elektrisiert. Am ersten Tag der Sommerferien stehen sie mit ihren Brüdern im Morgengrauen bereit, den Garten der Ringler-Villa umzugraben. Mit von der Partie sind allerdings auch alle übrigen Kinder des Dorfes. Anfangs scheint es, dass ihnen die anderen immer einen Schritt voraus sind, vor allem die freche Eleanor. Aber Hagen zieht aus den letzten Worten des alten Ringler scharfsinnige Schlüsse und bringt seine Bande auf die Spur des Mondes ...
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2016Alles nur eine Frage der Phantasie
Man glaubt schon, der Weg sei das Ziel. Dann finden "Die Mondschatzjäger" von Boris Koch doch, wonach sie suchen. Nur die Leser nicht.
Von Fridtjof Küchemann
Hagen ist ratlos. Nach fast dreihundert Seiten schönster Schatzsuche voller Spannung und Slapstick muss sich der Ich-Erzähler aus Boris Kochs Kinderroman "Die Mondschatzjäger" von einem Polizeibeamten sagen lassen, der könne sich einfach nicht vorstellen, dass der alte Ringler sein Vermögen tatsächlich im Wald vergraben haben soll, todkrank, wie der war. "Ich verstand nicht, warum jemand mit so wenig Vorstellungskraft in der Abteilung für Schätze arbeiten konnte."
Dabei waren die Zeichen, denen Hagen, sein kleiner Bruder Axel und sein bester Freund Robbie zwei Tage lang über Stock und Stein gefolgt sind, doch eindeutig. Dabei haben die drei am Ende doch wirklich einen Schatz gefunden, Gold und Geschmeide, wie es sich gehört, in einer alten Kiste. Dabei hatte Xaver Jeremias Ringler doch wirklich so etwas wie ein Testament in der "Oberkirchburger Allgemeinen" abdrucken lassen: "Bevor meine lieben Verwandten auch nur einen halben Cent bekommen, schieße ich mein Vermögen lieber zum Mond. Und wenn's der Mann im Mond oder Neil Armstrong oder sonst wer findet, soll der es meinetwegen behalten."
Man kann sich gut vorstellen, was danach los war in Falkenhofen. Man kann es sich aber noch besser erzählen lassen vom zehnjährigen Bandenchef der "Wandelnden Geister". Hagens zum Trio geschrumpftes Quartett schickt erst die anderen Kinder des Dorfs in die Irre, um sich dann in die entgegengesetzte Richtung auf den Weg zu machen, schnurstracks den abstrusesten Zeichen folgend, auch wenn der Weg durch den Swimmingpool des verfeindeten Bandenchefs führt, durch verfallende Gebäude oder Wasserfälle hinauf. Nur Robbies Cousine Eleanor lässt sich nicht beirren und taucht hartnäckig immer wieder bei den drei Schatzsuchern auf. Sie gewinne immer, ist das Credo der Kleinen. Dass Robbie auch daran glaubt, macht die Sache nicht besser.
Die hochmütige Zicke ist nicht die einzige Karikatur in der Geschichte. Hagens Bande bekommt es mit dem geldgierigen Neffen des alten Ringler zu tun, mit einem brutalen Bauern und herzlosen Reichen, mit einer überkandidelten Esoterikerin, einer Großtante, die ihre Überzeugung, dass Zuneigung durch den Magen geht, hemmungslos an den Kindern auslässt - und immer wieder mit der besorgten Mutter, die in den ungünstigsten Momenten anruft, um sich zu erkundigen, ob sich die Kinder bei der Hitze auch verabredungsgemäß vor der Sonne schützen. Der phantasielose Polizist passt nur zu gut ins Bild, genau so der kleine Bruder mit den großen Nehmerqualitäten, der alles tut, um dabei sein zu dürfen.
Eingangs erzählt Hagen treuherzig, wie er ihn immer wieder mal durchaus auch mit den Mitteln der Phantasie vor den besorgten Eltern in Schutz nimmt, beteuert dann aber, nichts von der Geschichte ihrer Schatzsuche sei auch nur ein winziges bisschen übertrieben. Ehrlich. Da klingeln dem Leser gleich die Ohren, und sie klingeln wieder, wenn Hagen später erzählt, wie der Gestank des nahen Misthaufens Weinblätter an einer Hauswand welken und Trauben zu Rosinen schrumpeln lässt, wie die drei Helden beim Durchqueren eines Maisfelds nicht nur einem Mähdrescher knapp entkommen, sondern dabei auch noch ein strampelndes Rehkitz retten, wie Axel beim Klettern unter einem Scheunendach abstürzt und im Fallen für einen Moment mit seinem Ohr an einem Nagel hängenbleibt, gerade lang genug, dass die beiden anderen ihn doch noch zu packen bekommen. Das ist alles schön und gut, temporeich und unterhaltsam. Und doch gibt der Autor Boris Koch damit ein Versprechen, das er letztlich nicht einlöst: dass sich sein Erzähler noch irgendwie im Gespinnst und Gespinne seiner eigenen Geschichte verfangen könnte, dass er als Phantast aufflöge oder zumindest in Erklärungsnot geriete und sich mit einer weiteren, besonders waghalsigen Wendung aus der Affäre ziehen müsste.
Die nüchternen Worte des Polizeibeamten, der im Fund der Kinder am ehesten einen Schatz aus dem Dreißigjährigen Krieg vermutet, sind immerhin auch nicht das Ende vom Lied. Bedeuten sie doch entweder, dass der Schatz vom alten Ringler noch irgendwo sein muss, oder zumindest doch, dass es vielleicht noch mehr Truhen aus dem siebzehnten Jahrhundert zu finden geben könnte. Die Phantasie dazu hätte die Bande immerhin.
Boris Koch: "Die Mondschatzjäger".
Verlag Heyne fliegt, München 2016. 304 S., geb., 12,99 [Euro]. Ab 10 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Man glaubt schon, der Weg sei das Ziel. Dann finden "Die Mondschatzjäger" von Boris Koch doch, wonach sie suchen. Nur die Leser nicht.
Von Fridtjof Küchemann
Hagen ist ratlos. Nach fast dreihundert Seiten schönster Schatzsuche voller Spannung und Slapstick muss sich der Ich-Erzähler aus Boris Kochs Kinderroman "Die Mondschatzjäger" von einem Polizeibeamten sagen lassen, der könne sich einfach nicht vorstellen, dass der alte Ringler sein Vermögen tatsächlich im Wald vergraben haben soll, todkrank, wie der war. "Ich verstand nicht, warum jemand mit so wenig Vorstellungskraft in der Abteilung für Schätze arbeiten konnte."
Dabei waren die Zeichen, denen Hagen, sein kleiner Bruder Axel und sein bester Freund Robbie zwei Tage lang über Stock und Stein gefolgt sind, doch eindeutig. Dabei haben die drei am Ende doch wirklich einen Schatz gefunden, Gold und Geschmeide, wie es sich gehört, in einer alten Kiste. Dabei hatte Xaver Jeremias Ringler doch wirklich so etwas wie ein Testament in der "Oberkirchburger Allgemeinen" abdrucken lassen: "Bevor meine lieben Verwandten auch nur einen halben Cent bekommen, schieße ich mein Vermögen lieber zum Mond. Und wenn's der Mann im Mond oder Neil Armstrong oder sonst wer findet, soll der es meinetwegen behalten."
Man kann sich gut vorstellen, was danach los war in Falkenhofen. Man kann es sich aber noch besser erzählen lassen vom zehnjährigen Bandenchef der "Wandelnden Geister". Hagens zum Trio geschrumpftes Quartett schickt erst die anderen Kinder des Dorfs in die Irre, um sich dann in die entgegengesetzte Richtung auf den Weg zu machen, schnurstracks den abstrusesten Zeichen folgend, auch wenn der Weg durch den Swimmingpool des verfeindeten Bandenchefs führt, durch verfallende Gebäude oder Wasserfälle hinauf. Nur Robbies Cousine Eleanor lässt sich nicht beirren und taucht hartnäckig immer wieder bei den drei Schatzsuchern auf. Sie gewinne immer, ist das Credo der Kleinen. Dass Robbie auch daran glaubt, macht die Sache nicht besser.
Die hochmütige Zicke ist nicht die einzige Karikatur in der Geschichte. Hagens Bande bekommt es mit dem geldgierigen Neffen des alten Ringler zu tun, mit einem brutalen Bauern und herzlosen Reichen, mit einer überkandidelten Esoterikerin, einer Großtante, die ihre Überzeugung, dass Zuneigung durch den Magen geht, hemmungslos an den Kindern auslässt - und immer wieder mit der besorgten Mutter, die in den ungünstigsten Momenten anruft, um sich zu erkundigen, ob sich die Kinder bei der Hitze auch verabredungsgemäß vor der Sonne schützen. Der phantasielose Polizist passt nur zu gut ins Bild, genau so der kleine Bruder mit den großen Nehmerqualitäten, der alles tut, um dabei sein zu dürfen.
Eingangs erzählt Hagen treuherzig, wie er ihn immer wieder mal durchaus auch mit den Mitteln der Phantasie vor den besorgten Eltern in Schutz nimmt, beteuert dann aber, nichts von der Geschichte ihrer Schatzsuche sei auch nur ein winziges bisschen übertrieben. Ehrlich. Da klingeln dem Leser gleich die Ohren, und sie klingeln wieder, wenn Hagen später erzählt, wie der Gestank des nahen Misthaufens Weinblätter an einer Hauswand welken und Trauben zu Rosinen schrumpeln lässt, wie die drei Helden beim Durchqueren eines Maisfelds nicht nur einem Mähdrescher knapp entkommen, sondern dabei auch noch ein strampelndes Rehkitz retten, wie Axel beim Klettern unter einem Scheunendach abstürzt und im Fallen für einen Moment mit seinem Ohr an einem Nagel hängenbleibt, gerade lang genug, dass die beiden anderen ihn doch noch zu packen bekommen. Das ist alles schön und gut, temporeich und unterhaltsam. Und doch gibt der Autor Boris Koch damit ein Versprechen, das er letztlich nicht einlöst: dass sich sein Erzähler noch irgendwie im Gespinnst und Gespinne seiner eigenen Geschichte verfangen könnte, dass er als Phantast aufflöge oder zumindest in Erklärungsnot geriete und sich mit einer weiteren, besonders waghalsigen Wendung aus der Affäre ziehen müsste.
Die nüchternen Worte des Polizeibeamten, der im Fund der Kinder am ehesten einen Schatz aus dem Dreißigjährigen Krieg vermutet, sind immerhin auch nicht das Ende vom Lied. Bedeuten sie doch entweder, dass der Schatz vom alten Ringler noch irgendwo sein muss, oder zumindest doch, dass es vielleicht noch mehr Truhen aus dem siebzehnten Jahrhundert zu finden geben könnte. Die Phantasie dazu hätte die Bande immerhin.
Boris Koch: "Die Mondschatzjäger".
Verlag Heyne fliegt, München 2016. 304 S., geb., 12,99 [Euro]. Ab 10 J.
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"Zum Glück gibt es Boris Koch. Sein neues Buch Die Mondschatzjäger bringt die Leser zum Lachen!" Süddeutsche Zeitung