Marktplatzangebote
6 Angebote ab € 9,90 €
  • Gebundenes Buch

Der Zweite Weltkrieg, die vielleicht größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte, forderte mehr als 50 Millionen Menschenleben; darunter waren 25 bis 30 Millionen Zivilisten. Die politische und moralische Hauptverantwortung für die europäische Komponente dieses Ereignisses und seine Folgen trägt die nationalsozialistische Führung Deutschlands. Aus dieser Verantwortungszuschreibung folgt jedoch nicht, dass sich Fragen nach der Mitverantwortung der am Krieg beteiligten Staaten erübrigten. Allein die unvorstellbaren Opferzahlen lassen es geboten erscheinen, die geschichtliche Aufarbeitung dieses…mehr

Produktbeschreibung
Der Zweite Weltkrieg, die vielleicht größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte, forderte mehr als 50 Millionen Menschenleben; darunter waren 25 bis 30 Millionen Zivilisten. Die politische und moralische Hauptverantwortung für die europäische Komponente dieses Ereignisses und seine Folgen trägt die nationalsozialistische Führung Deutschlands.
Aus dieser Verantwortungszuschreibung folgt jedoch nicht, dass sich Fragen nach der Mitverantwortung der am Krieg beteiligten Staaten erübrigten. Allein die unvorstellbaren Opferzahlen lassen es geboten erscheinen, die geschichtliche Aufarbeitung dieses Geschehens auch unter dem Blickwinkel von Handlungsalternativen zu betreiben.
Der Krieg der Alliierten, insbesondere der Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland, gilt heute als der Prototyp eines gerechten Krieges. Sowohl humanitäre Interventionen als auch Präventivkriege wurden in den letzten Jahren unter Berufung auf das Wirken der Anti-Hitler-Koalition und die mutmaßlichen Lehren des Kampfes gegen Hitler gerechtfertigt. Damit wurde eine Legitimationsressource geschaffen, die sich bei Bedarf scheinbar problemlos
abrufen lässt. Ist dieses Vorgehen in jeder Hinsicht akzeptabel?
Der Denkansatz des Buches beruht auf einem unstrittigen Grundsatz: nämlich, dass auch ein gerechtfertigter Verteidiger bei seiner Verteidigung Regeln zu beachten hat. Diese Regeln sind teils völkerrechtlicher, teils moralischer Natur.
Das Anliegen des Buches ist es, am Beispiel der westalliierten Flächenbombardements die Begründungslast aufzuzeigen, die zu tragen hat, wer die alliierte Kriegführung pauschal als legitim betrachtet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2007

Adolfs Angst und Winstons Wut
Lothar Fritzes problematische Sicht auf die alliierten Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg

Die Flächenbombardierungen, mit denen Briten und Amerikaner das Deutsche Reich während der zweiten Hälfte des Zweiten Weltkrieges überzogen, werden ungeachtet davon abweichender Einschätzungen des schrecklichen Sachverhalts zunehmend kritisiert, abgelehnt und verurteilt. In dieser Perspektive konstatiert Lothar Fritze mit großer Entschiedenheit: "Der strategische Bombenkrieg gegen die Zivilbevölkerung war von Anfang an völkerrechtlich unzulässig." Insofern erhebt der Autor beredte Anklage gegen den Chef des britischen Bomberkommandos, den 1946 zum Luftmarschall beförderten Arthur Harris, der auch im eigenen Land niemals unumstritten war.

Weit darüber hinaus zieht er die amerikanischen Präsidenten Harry S. Truman und Franklin D. Roosevelt sowie den britischen Premierminister Winston Churchill zur grundlegenden Rechenschaft - den einen, weil er mit dem Befehl zum Abwurf der Atombomben über Japan die Moral der Machtpolitik geopfert habe; den anderen, weil er mit seiner Forderung nach bedingungsloser Kapitulation ein vorzeitiges Kriegsende unmöglich gemacht habe; und den Dritten, weil er auf Hitlers angebliche Bereitschaft zu einem Verständigungsfrieden nicht eingegangen sei. Mit dieser Weigerung habe vor allem der englische Staatsmann maßgeblich zur Ausdehnung und Brutalisierung des Krieges beigetragen: "Angenommen", so argumentiert der Verfasser im Hinblick auf den sich im Krieg vollziehenden Genozid an der jüdischen Bevölkerung Europas, "angenommen, es ließe sich plausibel machen, dass ein Verbrechen - beispielsweise das der Judenvernichtung - nicht auf einen konkreten Plan und einen Befehl Hitlers zurückgeführt werden kann, sondern etwa als Resultat eines Prozesses ,kumulativer Radikalisierung' zu begreifen ist, eines Vorganges, der außerhalb des Krieges so kaum vorstellbar gewesen wäre - obgleich der Krieg auch Tarnung für Verbrechen bieten konnte -, dann führte diese Erkenntnis selbstverständlich nicht zu einer Relativierung der Schuld der Täter. Sie verdeutlichte aber - und dies ist gleichsam das Generalthema dieses Buches - die immense Verantwortung, die ein Verteidiger im Kampf gegen einen verbrecherischen Aggressor notgedrungen zu tragen hat. Gerade weil er als ,Gerechter' moralisch ansprechbar ist, kann von ihm erwartet werden, bei der Fixierung seiner eigenen Strategie gegen das Unrecht eine mögliche Radikalisierung des zu allem entschlossenen Feindes mit zu bedenken."

Dieses mehr als problematische Gedankenexperiment basiert auf Annahmen, die mit der Realität des Zweiten Weltkrieges wenig zu tun haben und gleichwohl die gesamte Darstellung durchziehen: Ein totaler Krieg wie derjenige in den Jahren zwischen 1939 und 1945 kann nicht am "Kriterium der Verhältnismäßigkeit" im Sinne eines friedensüblichen Gerichtsverfahrens gemessen werden. Der Ausgangspunkt des Verfassers nimmt sich durchgehend so theoretisch aus, dass er die Wirklichkeit eher verfehlt als trifft: "Hingegen sind die Ahndung von Unrecht durch Vergeltung und Bestrafung, die Abschreckung potentieller Feinde, die Furcht vor im Entstehen begriffenen Gefahren, die Befreiung eigener Staatsbürger aus den Fängen ausländischer Mächte, die Herstellung oder Bewahrung eines Machtgleichgewichts, die Einführung oder Durchsetzung einer humaneren Sozialordnung, die Entmachtung eines Diktators und selbst die Etablierung eines demokratischen Verfassungsstaates", postuliert der Autor, "keine zum Kriegführen moralisch legitimierenden Gründe. Zum Kriegführen legitimiert weder das Streben nach politischer oder ökonomischer Macht noch nach nationaler Größe, weder nach kultureller oder religiöser Vorherrschaft noch nach rassischer oder weltanschaulicher Hegemonie."

Fritzes fundamentale Verurteilung der europäischen Geschichte seit den Tagen des Peloponnesischen Krieges entbehrt des praktischen Bezugs und geht an den tatsächlichen Verhältnissen internationaler Politik und Kriegführung schlicht vorbei. Mehr noch: Die radikale Perspektive, auch den Täter zu verstehen, ja in Schutz zu nehmen, verführt im speziellen Zusammenhang des Untersuchungsgegenstandes zu Feststellungen, die über dem Bemühen um subjektives Verständnis den objektiven Befund schlankweg ignorieren: "Überhaupt war der größere Teil des Hitlerschen Wollens der Abwehr drohender Gefahren gewidmet, die er selbst identifiziert hatte." In dieser Perspektive wird letztlich jedwedes Handeln als ein aus Angst geborenes Prävenire missverstanden: "Selbst die Massenerschießungen durch die sogenannten SS-Einsatzgruppen hinter der Ostfront", so lautet die alles in allem mehr als fragwürdige These des Verfassers, "folgten der Idee einer präventiven Bekämpfung von Feinden."

Ohne Zweifel hat es auch auf alliierter Seite Kriegsverbrechen gegeben, und gewiss haben die Sieger des Zweiten Weltkrieges im Umgang damit Fehler gemacht. Gleichwohl besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen den Kriegsverbrechen der Briten und Amerikaner auf der einen und Hitlers Massenmorden auf der anderen Seite. Diese "erkennt man als solche gerade daran, dass sie keine Kriegsverbrechen waren", diagnostizierte bereits vor etlichen Jahren Sebastian Haffner diesen nicht miteinander zu verwechselnden Tatbestand und fährt fort: "Massaker an Kriegsgefangenen in Drang und Hitze der Schlacht; Geiselerschießungen im Partisanenkrieg; Bombardierungen reiner Wohngebiete im ,strategischen' Luftkrieg; Versenkung von Passagierdampfern und neutralen Schiffen im U-Boot-Krieg: das alles sind Kriegsverbrechen, fürchterlich gewiss, aber nach dem Kriege nach allgemeiner Übereinkunft besser allseits vergessen. Massenmord, planmäßige Ausrottung ganzer Bevölkerungsgruppen, ,Ungeziefervertilgung' begangen an Menschen, ist etwas ganz anderes." Zudem und eine Spur grundsätzlicher: Eine rigorose Unterwerfung internationaler Politik unter juristische Verfahrensweisen muss nicht notgedrungen zu einer besseren, friedlichen Welt führen; auch die Tugend läuft, wie wir spätestens seit den Tagen der Französischen Revolution wissen, nicht selten Amok. Die Diktatur einer universalen Gerichtsbarkeit kann, weil gerade unbeirrbar Rechtschaffene vor Extremismus nicht gefeit sind, leicht zum universalen Krieg führen.

KLAUS HILDEBRAND.

Lothar Fritze: Die Moral des Bombenterrors. Alliierte Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg, Olzog Verlag, München 2007. 347 S., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Höchst fragwürdig erscheint Rezensent Ulrich Teusch diese Kritik am Bombenkrieg der Alliierten gegen die Deutschen, die Lothar Fritze vorgelegt hat. Die Richtung, die der Autor einschlägt, behagt dem Rezensenten überhaupt nicht. Zwar sieht er bei Fritze den deutschen Angriffskrieg und die Verbrechen Nazideutschlands nirgendwo in Abrede gestellt. Aber er hält ihm vor, "gleichsam unterhalb dieser Schwelle" das gesamte zweifelhafte Repertoire von "fadenscheinigen" Argumenten zur Entlastung der deutschen Politik bzw. Belastung der britischen und amerikanischen Politik ins Feld zu führen. "Unter dem Schleier der Moralphilosophie" würden hier alle nur denkbaren rechts-revisionistischen Argumente, Behauptungen und Ressentiments ausgebreitet.

© Perlentaucher Medien GmbH