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Ob Christentum, Judentum oder Islam - alle monotheistischen Weltreligionen sind Kinder einer Revolution: die Ablösung der vielen Götter durch den alleinigen Gott. Diese Umwälzung brachte für unsere Vorstellung von der Welt, für unser Menschenbild und für unsere Ethik fundamentale Veränderungen mit sich. Dass der Kultur- und Religionstheoretiker Jan Assmann sie zugleich als Quelle von Intoleranz, Gewalt, Hass und Ausgrenzung sieht, macht seinen Essay zu einer explosiven Provokation.

Produktbeschreibung
Ob Christentum, Judentum oder Islam - alle monotheistischen Weltreligionen sind Kinder einer Revolution: die Ablösung der vielen Götter durch den alleinigen Gott. Diese Umwälzung brachte für unsere Vorstellung von der Welt, für unser Menschenbild und für unsere Ethik fundamentale Veränderungen mit sich. Dass der Kultur- und Religionstheoretiker Jan Assmann sie zugleich als Quelle von Intoleranz, Gewalt, Hass und Ausgrenzung sieht, macht seinen Essay zu einer explosiven Provokation.
Autorenporträt
Jan Assmann, geboren 1938, Professor em. für Ägyptologie an der Universität Heidelberg, Professor für Allgemeine Kulturwissenschaft und Religionstheorie an der Universität Konstanz und Ehrendoktor mehrerer Universitäten. Zahlreiche Auszeichnungen, u.a. Deutscher Historikerpreis (1998), Thomas-Mann-Preis (2011), Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa (2016), Karl-Jaspers-Preis (2017, mit Aleida Assmann), Balzan Preis (2017, mit Aleida Assmann), Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (2018, mit Aleida Assmann). Im Carl Hanser Verlag erschienen: Ägypten (1996), Moses der Ägypter (1998), Herrschaft und Heil (2000), Mosaische Unterscheidung (2003) und Die Zauberflöte. Oper und Mysterium (2005).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2003

Ein Streit, der nicht mehr aus der Welt zu schaffen ist
Sollen wir zwischen wahrer und falscher Religion unterscheiden? Jan Assmann fragt nach dem Preis des Monotheismus und antwortet seinen Kritikern / Von Robert Spaemann

Beim Auszug aus Ägypten nahmen die Söhne Israels, wie das Buch Exodus berichtet, goldene und silberne Preziosen als Beute mit. (Vielleicht war es das, was den Pharao bewog, ihnen nachzujagen?) Die spolia Aegyptorum sind seit Augustinus zur Metapher geworden für die Aneignung heidnischer Weisheit, Wissenschaften und Künste durch das neue Israel, die Kirche. Alles, was wahr, gut und schön ist, hat in ihr seinen angemessenen Platz. Und das galt auch für die unmetaphorischen ägyptischen Spolien, die Obelisken in Rom. Auf dem Sockel eines derselben auf der Piazza della Minerva wird daran erinnert, daß es sich um ein Denkmal zu Ehren der "ägyptischen Pallas" (Minerva), nämlich der Isis, handelte, geschmückt mit den Hieroglyphen des "weisen Ägypten". Seine Weihe durch Papst Alexander VII. im Jahre 1667 an die "göttliche Weisheit" hat den Obelisken sozusagen der Erfüllung seiner Bestimmung zugeführt. "Es bedarf eines robusten Geistes, um eine solide Weisheit zu ertragen", so schließt die Inschrift.

Sie kontrastiert scheinbar dramatisch mit der 1586 angebrachten Inschrift unter dem Obelisken am Petersplatz, wo es heißt, dieser sei durch eine entsühnende Weihe dem "unreinen", "abergläubischen" Götterkult entrissen worden. "Gesiegt hat der Löwe vom Stamme Juda" - das triumphale Zitat aus der Apokalypse ist ein unübersehbarer Hinweis auf die jüdische Filiation, deren sich die Kirche immer bewußt war. Aber um einen Widerspruch handelt es sich nur auf den ersten Blick. Der abergläubische, unreine Kult, damit ist nicht Ägypten gemeint, sondern der Kult der römischen Kaiser, die den Obelisken in die urbs gebracht haben und deren Namen auf ihm selbst verewigt sind. Immerhin kann auf dem Petersplatz von exklusivem Monotheismus im Sinne Jan Assmanns, auf der Piazza della Minerva von inklusivem die Rede sein.

Mit seinem "Moses der Ägypter" hat der Heidelberger Ägyptologe Jan Assmann 1998 eine Debatte angestoßen, die er nun mit einem neuen Buch beschließt: "Die Mosaische Unterscheidung. Der Preis des Monotheismus". Darin sind auch die wichtigsten Beiträge der Debatte dokumentiert. Assmanns Verteidigung seiner Thesen hat den Charakter einer retractatio. Er behandelt das gleiche Thema noch einmal. Das neue Buch ist ohne Kenntnis des früheren lesbar. Aber er bekennt, dazugelernt zu haben, und zwar sowohl über die Sache als auch über sein eigenes Buch. Sein hermeneutisches Prinzip der Wirkungsgeschichte wendet er auch auf "Moses der Ägypter" an. Was dieses Buch sagt, darüber entscheidet nicht die Intention des Autors, sondern die Rezeption. Assmann stellt klar: Er will als Religionshistoriker weder Ereignisgeschichte treiben, also wie Freud die Frage klären, wer "der Mann Moses" wirklich war und ob es überhaupt jemanden gab, der als "Referent" der Mosesgeschichten in Betracht kommt, noch die philosophische und theologische Frage erörtern, ob denn der Unterscheidung von wahr und falsch in religiösen Kontexten wahre oder falsche Annahmen über die Wirklichkeit zugrunde liegen, ob es also jemanden gibt, der als Referent des Wortes "Gott" in Betracht kommt. Denn nur wenn es Gott gibt, können Sätze über ihn wahr oder falsch sein.

Assmanns Versuch, die Rolle dessen, der als Religionshistoriker eine "Gedächtnisspur" nachzeichnet, scharf abzugrenzen gegen die Rolle dessen, der Ereignisse rekonstruiert, oder dessen, der etwas Wahrheitsfähiges über Gott behauptet, kann allerdings nicht vollständig gelingen. Denn wenn auch der Ursprung einer Gedächtnisspur im dunkeln bleibt, so ist doch die Erinnerung ihrerseits ein historisches Faktum, das selbst auch wieder Ereignisse hervorbringt. Und wenn auch Assmann als Historiker mit Bezug auf die Unterscheidung von wahr und falsch in Religionssachen Abstinenz übt, so übt er sie doch nicht mit Bezug auf die Unterscheidung von gut und schlecht, wünschenswert und nicht wünschenswert, wohltätig und nicht wohltätig.

Entgegen der Ansicht seiner Kritiker fallen diese beiden Unterscheidungen für ihn allerdings nicht zusammen. Er bekennt sich in seinem neuen Buch vielmehr, wenn auch eher beiläufig, als Christ, also als offenbarungsgläubiger Monotheist, indem er zugleich seine wissenschaftlich notwendige Empathie mit dem verteidigt, was er im Anschluß an Theodor Sundermeier als "primäre", das heißt naturwüchsige Religion bezeichnet. Assmann hält nach wie vor die Einführung der Disjunktion von wahr und falsch in die Sphäre der Religion für verhängnisvoll, aber dieses Verhängnis für unvermeidlich. Er setzt nun diese Einführung in Parallele zu der gleichen Disjunktion im Bereich des Epistemischen durch die Griechen des fünften Jahrhunderts vor Christus. Zwar unterscheiden sie nicht, wie Assmann schreibt, zwischen "wahrem und falschem Wissen", sondern zwischen Meinungen, die wahr oder falsch sein können, und Wissen, das per definitionem wahr ist, das weiß, daß es wahr ist, und deshalb auch, im Unterschied zu den Meinungen selbst, weiß, ob diese wahr oder falsch sind. Assmanns Lapsus ist aber nicht von ungefähr. Denn die moderne empirische Wissenschaft hat den platonischen Wissensanspruch längst aufgegeben und kennt nur noch mehr oder weniger bewährte Meinungen, das heißt Hypothesen. Sie ist zwar weiterhin intolerant, aber ihre Intoleranz ist nicht mehr eigentlich theoretisch, sondern eher von der Art der political correctness, die Abweichungen von bestimmten Paradigmen mit wirksamen Sanktionen besiegt.

Seinen Kritikern hält Assmann vor, daß die einen die Einführung der "mosaischen Unterscheidung" gegen ihn bestreiten, die anderen aber gegen ihn verteidigen. Er selbst gibt der "intoleranten" Unterscheidung nun eher den Status eines Weberschen Idealtypus, der fast immer nur tendenziell verwirklicht war. Wenn man Assmanns Kriterien folgt, dann gäbe es eigentlich nur eine "reine" Verwirklichung: den Islam. Er ist, im Unterschied zum Judentum, konsequent universalistisch. Er kennt, im Unterschied zum Christentum, keine der Gottheit dargebrachten Opfer - für Assmann Kennzeichen "primärer", kosmotheistischer Religionen. Er ist eine reine Offenbarungsreligion ohne Anknüpfung an natürliche, auch den "Heiden" zugängliche Evidenzen metaphysischer und moralischer Art. Er ist intolerant, nicht nur im Sinne der Selbstausgrenzung wie das Judentum und nicht nur im Sinne der passiven Verweigerung der Glaubensverleugnung, wie das Christentum, sondern im Sinne aktiver und gewaltsamer Durchsetzung der Gottesherrschaft. Hinsichtlich der letzteren sind die Juden nur Schreibtischtäter, die biblischen Massaker haben vermutlich nicht stattgefunden, und die christlichen Gewalttätigkeiten widersprechen im Unterschied zu den islamischen unmittelbar Geist und Wortlaut der eigenen heiligen Bücher.

Die Intoleranz des Römischen Reiches gegen den Monotheismus der Christen kann allerdings nicht einfach als Abwehr gegen die religiöse "Intoleranz" der Christen betrachtet werden. Die Verfolgung der Christen geschieht nicht unter Berufung auf deren Unduldsamkeit, sondern aufgrund ihrer "Unfrömmigkeit". Wer die heimischen Götter nicht ehrt, kann kein guter Bürger sein. Er ist das, als was die Christen sich selbst bezeichnen: ein Fremdling in dieser Welt. Ein Reich aus lauter Fremdlingen aber kann keinen Bestand haben. Darum sind die Christen "Feinde des Menschengeschlechts". Aber das waren auch schon die Juden. "Auf dem Sinai ist der Haß zu den Völkern gekommen", zitiert Assmann den Babylonischen Talmud. "Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert" - lautet eines der vermutlich authentischen Worte Jesu. Daß die Opfer - Juden oder christliche Märtyrer - an ihrem Schicksal selbst schuld sind, die Sorge vor dieser Interpretation hält doch Assmann zum Glück nicht davon ab, seine These vorzutragen. Wir müssen endlich lernen, die Frage nach historischen Ursachen für das, was geschah, zu trennen von der Frage nach der moralischen Schuld derer, die dafür verantwortlich waren, daß diese Ursachen  diese Wirkungen, nämlich Verbrechen, zur Folge hatten. Es gibt in der Geschichte keinen den Naturwissenschaften vergleichbaren Ursache-Wirkung-Konnex. Der Historiker muß uninteressiert daran sein, ob seine Ergebnisse für diejenigen nachteilig sind, die später zu Opfern von Verbrechen wurden.

Assmanns Hypothese über den Ursprung des ägyptischen "Antisemitismus" ist in dieser Hinsicht übrigens neutral. Ob nun die Juden, wie es die Bibel will, ihre Auswanderung ertrotzten oder ob sie, wie andere antike Quellen berichten, vertrieben wurden, ihre Diskriminierung hat mit ihnen selbst eigentlich gar nichts zu tun. Ihr Monotheismus rührt vielmehr an das Echnaton-Trauma, das, gerade wegen der offiziellen Tilgung jeder Erinnerung an diesen monotheistischen Ikonoklasten, gedächtnisgeschichtlich weiterwirkte. Der ägyptische Antisemitismus ist Antimonotheismus. Diese These hat viel für sich. Vor allem unterscheidet sie sich vorteilhaft von Freuds psychologischem Lamarckismus, der nur die Alternative bewußter Erinnerung einerseits, biologischer Vererbung erworbener Engramme andererseits kennt. Assmann macht es plausibel, daß es Sinn hat, von kollektiver Verdrängung und von Präsenz des Verdrängten in einem kollektiven unbewußten Gedächtnis zu sprechen, einem Gedächtnis, das sich empirisch aufweisen und in seine Instanzen verifizieren läßt.

Einen ganz anderen Einwand allerdings hat Assmann, wie es scheint, nicht bedacht, nämlich daß der Konflikt gar nicht primär geistesgeschichtliche, sondern sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Ursachen gehabt haben könnte. Daß die Söhne Isaaks aufgrund der staatsmonopolistischen Manipulationen Josephs zunächst einen privilegierten Status genossen, berichtet ja die Bibel selbst. Der Umschlag aber von Privilegierung zu Diskriminierung ist uns aus der Geschichte genügend bekannt. Schon der Alttestamentler Rendtorff hat darauf hingewiesen - und Assmann weicht diesem Hinweis eher aus -, daß Ägypten im Alten Testament gar nicht als religiöser Antipode, sondern als politischer erscheint, als "Haus der Knechtschaft". Die spirituelle Interpretation dieser Knechtschaft und entsprechend des Exodus ist erst die Eigentümlichkeit der christlichen Metaphorik. Eine die wirtschaftlichen Faktoren einbeziehende Deutung macht die These Assmanns nicht falsch, aber vermindert vielleicht ihr Gewicht, weil sie insgesamt dem, was Marx den Überbau nennt, geringeres ätiologisches Gewicht beimißt.

Assmann schreibt als Religionshistoriker, und was ihn nach wie vor bewegt, ist der Zusammenhang des Monotheismus mit der Einführung der Disjunktion von wahr und falsch in den religiösen Diskurs sowie der Preis dieser Einführung: Intoleranz. Daß Intoleranz schlecht ist, ist für ihn ein nicht weiter begründungsbedürftiges Axiom. Die Debatte über diese nicht an einen bestimmten historischen Kontext gebundene These ist mit Assmanns neuem Buch nicht zu Ende, sondern könnte eigentlich erst beginnen. Was den Monotheismus betrifft, so schränkt Assmann seine These nun deutlich ein auf den exklusiven, ikonoklastischen Monotheismus Echnatons und Moses', der für ihn immer nur eine "sekundäre" Religion ist und deshalb, wenn er nicht Elemente der primären Religiosität aufnimmt, von außen als Irreligiosität wahrgenommen wird.

Assmann sympathisiert mit einer immanenten Entwicklung des "Polytheismus" kosmotheistischer Art, der die Götterwelt als notwendige Brechung einer fundamentalen Einheit versteht. Das Prinzip dieser Einheit kann sowenig wie das Licht als es selbst vergegenwärtigt werden, sondern immer nur in den Spektralfarben seiner Brechung. Und die Weltgeschichte hat nicht einen "Herrn der Geschichte", sondern viele, die "Mächte und Gewalten", aus deren unvorhersehbaren Interferenzen das resultiert, was am Ende geschieht. Das Faktum ist kein Subjekt. Nun kennt allerdings auch der biblische Monotheismus solche überirdischen Mächte und Gewalten, und sogar Augustinus ist es gleichgültig, ob man sie Götter nennt oder nicht, solange nur feststeht, daß es sich um Geschöpfe des einen Gottes und nicht um dessen Konkurrenten handelt, daß sie also allemal eher zum Kosmos gehören als zu dessen transzendentem Grund, Ursprung und Ziel.

Assmanns Idealbild eines pluralistischen Kosmotheismus, für dessen konkrete Ausformung sich die Wahrheitsfrage nicht stellt, ist nun allerdings das typische Produkt einer intellektuellen Reflexion über Religion, die als Religion gar nicht zu denken ist. Er kann freilich anknüpfen an analoge Reflexionen der Neuplatoniker und überhaupt von Intellektuellen der ersten Jahrhunderte nach Christus, die sich in den offiziellen Kulten zwanglos bewegten, ohne doch den Adressaten dieser Kulte Wirklichkeit im gewöhnlichen Sinne des Wortes zuzuschreiben.

Wahre und falsche Religion, das kann zweierlei bedeuten. Religion kann als Oberbegriff verstanden werden, wie zum Beispiel der Begriff "Überzeugungen", unter den wahre und falsche Überzeugungen subsumiert werden, die doch alle wirkliche Überzeugungen sind. Es kann aber auch bedeuten, daß falsche Religionen aus der Sicht derer, die sie für falsch halten, eben nicht wirklich Religion sind, so wie "falsches Wissen" kein Wissen ist und falsches Geld kein Geld. Religion in diesem Verständnis ist nicht eine Gesamtheit kollektiver Überzeugungen und Normen, sondern reale Bindung an eine überweltliche Gottheit, was sie nur sein kann, wenn die andere Seite dieser Relation wirklich und nicht imaginär ist. Dies ist der klassische Begriff von religio, den wir bei Cicero ebenso finden wie bei Thomas von Aquin, für den religio eine persönliche Tugend ist, und zwar als Teil der Gerechtigkeit: Gerechtigkeit nämlich gibt jedem das Seine, Religion aber gibt Gott das Seine. Die Wahrheitsfrage mag ihren Preis haben. Nur: sie, wenn sie einmal gestellt ist, nicht zu ersticken gehört zum Menschsein des Menschen. Der Preis der Unterscheidung zwischen wahrer und falscher Religion ist der Preis des Menschseins.

Man muß meines Erachtens sehen, daß der moderne "neutrale" Religionsbegriff dem Phänomen der "mosaischen Unterscheidung" nicht gerecht werden kann. Diese Unterscheidung aber ergibt sich aus dem älteren Religionsbegriff zwingend. Wenn die "andere Seite" der religiösen Relation sich selbst gezeigt, gesprochen und einen Bund gestiftet hat - und zwar, wie Augustinus sagt, "von Anbeginn des Menschengeschlechtes" -, dann ist die Frage, ob dies Intoleranz zur Folge hat oder umgekehrt Toleranz zu den Forderungen der "anderen Seite" gehört, zwar eine wichtige, aber sekundäre Frage, und Assmann hält je einen im bürgerlichen Sinne toleranten Monotheismus nicht nur für wünschenswert, sondern auch für möglich. Nur kann die mosaische Unterscheidung - zu der übrigens auch die Möglichkeit des Atheismus gehört, der Religion als solche für falsch hält - nicht mehr zur Disposition gestellt werden, sowenig wie die theoretische Intoleranz, die sich aus der Wissenschaft ergibt. Die Konfliktträchtigkeit der Religion ist nicht vermeidbar. Sie ist nur die Spitze der Konfliktträchtigkeit, die durch das Menschsein in die Welt gekommen ist. Was Menschen wichtig ist, darüber streiten sie. Was wir anstreben sollten, ist deshalb nur, daß der Streit sich in zivilisierten, ja, in freundlichen Formen abspielt. Alles, was ich hier sage, hat Jan Assmann in seinem neuen Buch neben vielem Belehrenden und Erleuchtenden irgendwie auch gesagt - aber zur Schonung seiner Pointe etwas zu zaghaft.

Jan Assmann: "Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus". Edition Akzente. Hanser Verlag, München 2003. 286 S., br., 19,90 [Euro].

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"ist sicher eines der intelligentesten Bücher."
Stephan Sattler, Focus, 05.01.04

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Friedrich Niewöhner bescheinigt Jan Assmann ein wenig abfällig, hier "ein schönes und einsichtiges" Programm vorgelegt zu haben: "Irgendwie erinnert es an Ludwig Feuerbach und an Karl Marx." Denn seine Untersuchungen liefen, befindet der Rezensent, auf die Konsequenz hinaus, dass Toleranz nur sein könne, "wenn die Bedingungen für die Intoleranz nicht mehr gegeben sind". Und das heiße, "die Beseitigung des Monotheismus, die Aufhebung und Abschaffung der drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam." Probleme hat der Rezensent damit vor allem, weil Assmann, wie er meint, um zu diesen Konsequenzen zu kommen, "mit einem Phantom", einem "ahistorischen Konstrukt" arbeite - auch wenn Assmann selbst einräume nur auf der Ebene "kulturtypischer Klischees" zu forschen. Assmann folgert hier am Beispiel und in Weiterführung von Freuds Deutung des mosaischen Glaubens, wie wir von Niewöhner erfahren, dass jeder Monotheismus "auf der Unterscheidung von wahrer und falscher Religion" fuße und darum sozusagen strukturell intolerant sei.

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