Mit der Umwandlung zur autonomen Stiftungsuniversität 2008 ist die Frankfurter Goethe-Universität zu ihren Wurzeln zurückgekehrt: 1914 wurde sie von Bürgern für Bürger gegründet. Zugleich hat sie sich mit dem neuen Status an die Spitze der deutschen Reformbewegung gesetzt. Diese zielt seit 16 Jahren auf mehr Wettbewerb und Differenzierung im deutschen Wissenschaftssystem. Das Buch versteht sich als Plädoyer für den "Frankfurter Weg", der in seiner Art bundesweit einmalig ist. Es stellt erreichte Erfolge der vergangenen Jahre ebenso dar wie Probleme und Herausforderungen und kann damit auch jenen Orientierung geben, die sich auf einem ähnlichen Weg befinden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2015Warnung vor dem "Rollback"
Zwischenbilanz der Autonomie
Es ist schon Tradition, dass frühere Frankfurter Uni-Präsidenten nach dem Ausscheiden ein Buch über ihre einstige Wirkungsstätte publizieren. Werner Meißner hat es getan, Rudolf Steinberg und nun auch Werner Müller-Esterl. Im Falle Meißners stimmt das mit der Wirkungsstätte nicht so ganz, denn in seinem Band erklärt er, wie die Goethe-Uni ins IG-Farben-Haus kam, und das wurde erst 2001 zu einem Ort der Wissenschaft, als seine Amtszeit schon zu Ende war. Steinberg wiederum schrieb über die "neue Universität", die vor allem im Westend entstand und deren Wachstum er acht Jahre lang mitgestaltete. In seine Ägide fiel auch die Umwandlung der Hochschule in eine Stiftung öffentlichen Rechts und damit deren Entlassung aus der Fachaufsicht des Landes. Wie diese neue Freiheit genutzt wurde, damit befasst sich Steinbergs Nachfolger Müller-Esterl: Zusammen mit seiner früheren Referentin Christine Burtscheidt zieht er knapp acht Jahre nach Inkrafttreten des Autonomiegesetzes eine Zwischenbilanz der Reform.
Dass dieses Fazit überwiegend positiv ausfällt, überrascht nicht. Von der Tauglichkeit des Stiftungsmodells, das unter anderem auf ein starkes Präsidium setzt, ist Müller-Esterl ebenso überzeugt wie Steinberg. Große Teile seines Buches bestehen denn auch aus Aufzählungen der Erfolge, die die Universität seit 2008 errungen hat - etwa beim Einwerben privater Stiftungsgelder, in Forschungswettbewerben und in der Verbesserung der Lehre.
Müller-Esterl benennt aber auch die Gebiete, auf denen er die Autonomie noch unzureichend verwirklicht oder sogar durch "Rollback"-Tendenzen gefährdet sieht. Noch immer ist das Land der wichtigste Geldgeber der Universität; daran hat auch das Wachstum des Stiftungskapitals nichts geändert. Und was Hessen zahlt, reicht nach Überzeugung des Präsidenten a. D. nicht immer aus, um den Herausforderungen etwa durch die steigenden Studentenzahlen gerecht zu werden. Trotz aller Anstrengungen habe sich etwa die Betreuungsrelation in den besonders begehrten Fächern verschlechtert (siehe Meldung auf dieser Seite).
Gleichzeitig gebe es in der Politik Bestrebungen, den Hochschulen Teile des gewährten Spielraums wieder wegzunehmen. Das sei nicht nur in Nordrhein-Westfalen zu beobachten, sondern auch in Hessen. So habe sich das Ministerium mit der jüngsten Novelle des Hochschulgesetzes das Recht gesichert, Einfluss auf die Vergütung hauptamtlicher Präsidiumsmitglieder und - in Konfliktfällen - auf den Budgetplan der Universität zu nehmen.
Auch wenn diese Beispiele nicht dramatisch klingen, so hat Müller-Esterl doch recht, wenn er mahnt, den Anfängen zu wehren. Vor allem darf die Freiheit der Hochschulen kein Gut sein, das zur Disposition steht, wenn die Koalition in Wiesbaden wechseln sollte. Sehr wohl überdacht werden darf - auch hierin ist dem Autor zuzustimmen - das kategorische Nein zu Studiengebühren. Zumindest auf eine nachgelagerte Erhebung bei Absolventen, die gut verdienen, sollte sich die Gesellschaft verständigen können. Vielleicht erlebt ja Müller-Esterls Nachfolgerin Birgitta Wolff noch die Anfänge einer solchen Diskussion und kann sie eines Tages in einem Buch beschreiben.
SASCHA ZOSKE.
Werner Müller-Esterl, Christine Burtscheidt: "Die mündige Universität", 159 Seiten, Campus-Verlag, 18,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zwischenbilanz der Autonomie
Es ist schon Tradition, dass frühere Frankfurter Uni-Präsidenten nach dem Ausscheiden ein Buch über ihre einstige Wirkungsstätte publizieren. Werner Meißner hat es getan, Rudolf Steinberg und nun auch Werner Müller-Esterl. Im Falle Meißners stimmt das mit der Wirkungsstätte nicht so ganz, denn in seinem Band erklärt er, wie die Goethe-Uni ins IG-Farben-Haus kam, und das wurde erst 2001 zu einem Ort der Wissenschaft, als seine Amtszeit schon zu Ende war. Steinberg wiederum schrieb über die "neue Universität", die vor allem im Westend entstand und deren Wachstum er acht Jahre lang mitgestaltete. In seine Ägide fiel auch die Umwandlung der Hochschule in eine Stiftung öffentlichen Rechts und damit deren Entlassung aus der Fachaufsicht des Landes. Wie diese neue Freiheit genutzt wurde, damit befasst sich Steinbergs Nachfolger Müller-Esterl: Zusammen mit seiner früheren Referentin Christine Burtscheidt zieht er knapp acht Jahre nach Inkrafttreten des Autonomiegesetzes eine Zwischenbilanz der Reform.
Dass dieses Fazit überwiegend positiv ausfällt, überrascht nicht. Von der Tauglichkeit des Stiftungsmodells, das unter anderem auf ein starkes Präsidium setzt, ist Müller-Esterl ebenso überzeugt wie Steinberg. Große Teile seines Buches bestehen denn auch aus Aufzählungen der Erfolge, die die Universität seit 2008 errungen hat - etwa beim Einwerben privater Stiftungsgelder, in Forschungswettbewerben und in der Verbesserung der Lehre.
Müller-Esterl benennt aber auch die Gebiete, auf denen er die Autonomie noch unzureichend verwirklicht oder sogar durch "Rollback"-Tendenzen gefährdet sieht. Noch immer ist das Land der wichtigste Geldgeber der Universität; daran hat auch das Wachstum des Stiftungskapitals nichts geändert. Und was Hessen zahlt, reicht nach Überzeugung des Präsidenten a. D. nicht immer aus, um den Herausforderungen etwa durch die steigenden Studentenzahlen gerecht zu werden. Trotz aller Anstrengungen habe sich etwa die Betreuungsrelation in den besonders begehrten Fächern verschlechtert (siehe Meldung auf dieser Seite).
Gleichzeitig gebe es in der Politik Bestrebungen, den Hochschulen Teile des gewährten Spielraums wieder wegzunehmen. Das sei nicht nur in Nordrhein-Westfalen zu beobachten, sondern auch in Hessen. So habe sich das Ministerium mit der jüngsten Novelle des Hochschulgesetzes das Recht gesichert, Einfluss auf die Vergütung hauptamtlicher Präsidiumsmitglieder und - in Konfliktfällen - auf den Budgetplan der Universität zu nehmen.
Auch wenn diese Beispiele nicht dramatisch klingen, so hat Müller-Esterl doch recht, wenn er mahnt, den Anfängen zu wehren. Vor allem darf die Freiheit der Hochschulen kein Gut sein, das zur Disposition steht, wenn die Koalition in Wiesbaden wechseln sollte. Sehr wohl überdacht werden darf - auch hierin ist dem Autor zuzustimmen - das kategorische Nein zu Studiengebühren. Zumindest auf eine nachgelagerte Erhebung bei Absolventen, die gut verdienen, sollte sich die Gesellschaft verständigen können. Vielleicht erlebt ja Müller-Esterls Nachfolgerin Birgitta Wolff noch die Anfänge einer solchen Diskussion und kann sie eines Tages in einem Buch beschreiben.
SASCHA ZOSKE.
Werner Müller-Esterl, Christine Burtscheidt: "Die mündige Universität", 159 Seiten, Campus-Verlag, 18,90 Euro.
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