Warum kam man erst im späten 20. Jahrhundert auf die Idee, Räder unter Reisekoffer zu montieren - obwohl es das Rad schon seit fünftausend Jahren gibt? Wären wir womöglich nie auf den Mond gelangt ohne das Wissen amerikanischer Näherinnen? Und wie sähe eigentlich eine Welt aus, in der Frauen genauso viel Gehör finden wie Männer? Die schwedische Bestsellerautorin Katrine Marçal zeigt mit viel Verve, was die Menschheit über die Jahrhunderte verloren (oder erst viel später erfunden) hat, weil eine Hälfte von ihr - die Frauen - nicht mitreden, mitbestimmen, miterfinden durfte. Und sie dreht die Perspektive um: Was wäre denn, wenn wir einmal nicht von der frühgeschichtlichen «Bronzezeit» sprächen, sondern von der «Keramikzeit»? Würde sich unsere Sicht auf alles Nachfolgende ändern - und vielleicht auch etwas daran, dass heute nur drei Prozent des globalen Wagniskapitals weiblichen Gründerinnen anvertraut werden? Würden wir am Ende gar Lösungen finden, um der planetaren Zerstörung,die die Menschheit in Gang gesetzt hat, etwas entgegenzusetzen? Viel zu lange haben wir die negativen Folgen der fixen Ideen von Männlichkeit und Weiblichkeit unterschätzt. Ein starkes Manifest - und ein erfrischend neuer Blick auf die Geschichte der Innovationen.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Katrine Marcal ruft in ihrem Buch auf eindringliche und trotzdem "charmante" Weise zu einem Perspektivwechsel auf, erklärt Rezensent Gerrit Stratmann. Anhand zahlreicher, ausführlich recherchierter Beispiele zeigt Marcal, welchen Einfluss Geschlechtszuschreibungen auf die Entwicklung technischer Innovationen haben und hatten, was dem männlichen Blick auf Technik in der Geschichte schon alles entgangen ist, und welche Chancen wir heute immer noch dadurch vertun, dass vor allem Männer den Lauf der Technikgeschichte bestimmen. Ihr angenehm informeller Ton macht diesen starken Appell zum Umdenken umso überzeugender, so der angetane Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Katrine Marçal beschreibt erschreckend deutlich, wie die Welt brillante Ideen von Frauen bislang ignoriert - und erhebliches Potenzial vergibt. Handelsblatt 20221007
Rezensentin Marlen Hobrack lässt sich sehr gerne von Katrine Marçal über allerlei Gender-Stereotpype aufklären, die den Bereich der Erfindung dominieren und "blockieren". So liest sie etwa, dass der erste Benziner trotz offenkundiger Nachteile - beim riskanten Kurbelstart etwa konnte man schon mal seinen Kiefer verlieren, wie Hobrack aus einer "gruseligen" Anekdote erfährt - sich nur gegen das E-Auto durchsetzte, weil letzteres weiblich konnotiert war: viel Platz für ausladende Kleider, ein leichter Motorstart per Hebel, und eine begrenzte Reichweite für häusliche Frauen, resümiert Hobrack amüsiert. Selbiges galt für den bequemen, frauenfreundlichen Rollkoffer, der lange von Männern abgelehnt wurde. Und manche wichtigen Erfindungen von Frauen wurden lieber gleich einem Mann zugeschrieben, wie etwa das Teflon, das die Idee der Französin Colette Grégoire und nicht die ihres Mannes war, liest Hobrack. Ein "zutiefst unterhaltsames wie erhellendes Buch", lobt sie.
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