Britischer Humor par excellence: sehr skurril, höchst originell
Oskar ist Komponist moderner Stücke, wie etwa seinen Variationen über Trambahnfahrpläne, und mit einer amerikanischen Kunsthändlerin verheiratet. Er lebt in einer osteuropäischen Hauptstadt mit seinen beiden Katzen, die er nach russischen Komponisten benannt hat. Aber eigentlich geht es in diesem Buch nicht um Oskar, denn der ist gerade in Kalifornien, um sich scheiden zu lassen. Deshalb beauftragt er einen alten Freund aus Studienzeiten, in seiner Abwesenheit auf die exquisit eingerichtete Wohnung aufzupassen, auf dass seine Katzen und besonders der kostbare Holzboden keinen Schaden nehmen. Aber natürlich geht schief, was schiefgehen kann, eine Katastrophe reiht sich an die nächste, und trotzdem geht die Geschichte dann am Ende gut aus.
Oskar ist Komponist moderner Stücke, wie etwa seinen Variationen über Trambahnfahrpläne, und mit einer amerikanischen Kunsthändlerin verheiratet. Er lebt in einer osteuropäischen Hauptstadt mit seinen beiden Katzen, die er nach russischen Komponisten benannt hat. Aber eigentlich geht es in diesem Buch nicht um Oskar, denn der ist gerade in Kalifornien, um sich scheiden zu lassen. Deshalb beauftragt er einen alten Freund aus Studienzeiten, in seiner Abwesenheit auf die exquisit eingerichtete Wohnung aufzupassen, auf dass seine Katzen und besonders der kostbare Holzboden keinen Schaden nehmen. Aber natürlich geht schief, was schiefgehen kann, eine Katastrophe reiht sich an die nächste, und trotzdem geht die Geschichte dann am Ende gut aus.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2013Von den Tücken des Objekts
Fast zu viel Humor: Der britische Autor Will Wiles klärt uns in seinem Roman nicht nur über "Die nachhaltige Pflege von Holzböden" auf
Wer Menschen zum Lachen bringen will, braucht dreierlei: Phantasie, Beobachtungsgabe und darstellerisches Geschick. Hochentwickelte Phantasie hilft immens, um die Frage aller Fiktionen, "Was wäre, wenn?", auf möglichst ungewöhnliche Weise zu beantworten. Präzises Beobachten erlaubt es, eine Situation als realistisch und logisch vorzuführen mit dem einzigen Zweck, diesen Eindruck hernach zu zerstören. Und schließlich bedarf es schauspielerischer Fähigkeiten, um andere so überraschend wie schnell zum Lachen zu bringen und damit ein Gefühl der Überlegenheit zu erzeugen.
Der britische Autor Will Wiles hat die Eigenschaften des Humoristen. Das beweist sein Debütroman. Der deutsche Titel "Die nachhaltige Pflege von Holzböden" ist zwar noch sperriger als der des 2012 erschienenen Originals, "Care of Wooden Floors". Deswegen aber wirkt es noch angenehmer, zwischen den Buchdeckeln kunstvoll Erdachtes zu finden. Das Buch gewinnt nicht zuletzt dadurch, dass der 1978 geborene Autor seine Kenntnisse in Architektur und Design einbringt.
Was also wäre, wenn ein erfolgreicher, pedantischer Musiker seinen chaotischen Freund aus Studienzeiten, einen Möchtegern-Schriftsteller, bittet, ein paar Wochen auf eine teuer eingerichtete Wohnung achtzugeben? Die Erwartung zu bedienen, dass das misslingt, ist nicht schwierig. Dabei eine nuancierte und unterhaltsame Abfolge von Geschehnissen zu ersinnen ist dagegen hohe Kunst. Wiles vermag das, indem er das Klischee der zu erwartenden Turbulenzen entlarvt. Der verreiste Musiker Oskar taucht nur in den Erinnerungen seines wohnungshütenden Freundes auf, der die Geschehnisse schildert. Der Name des Freundes bleibt ebenso ungenannt wie die Zeit und der Ort, an dem sich die Ereignisse zutragen (eine osteuropäische Hauptstadt der postsowjetischen Ära muss Pate gestanden haben). Die Suche nach Identität, nach Zusammenhängen der - persönlichen - Historie und nach (Un-)Tiefen ausnehmender Zuneigung erhält so den angemessenen allgemeingültigen Charakter. Der Rest ist grandiose Burleske.
Natürlich gelingt es dem Erzähler nicht, den wertvollen Holzboden oder das edle Piano in Oskars Domizil von Flecken zu verschonen; mal fließt Rotwein, und natürlich stolpert der aus London eingeflogene Held über seine allzu menschlichen Schwächen. Er ist vergesslich, agiert schusselig und ungeschickt, erweist sich als trinkfreudig, unmotiviert und selbstgerecht; das sorgt für Amüsement. Und nach acht Tagen und Nächten löst sich alles in Wohlgefallen auf, die Lehre hinterlassend: Maß und Mitte führen zu Glück und Zufriedenheit.
Bezaubernd an dem Roman ist, dass Wiles seinen Humor durchhält. In der Wohnung wirken sogar die Staubkörner "ordentlich und geregelt in ihren Flugbahnen". Wie "als Antwort auf die Feuchtigkeit in den Achselhöhlen und im Kreuz" fängt einmal gar der Himmel an, "Regen zu schwitzen vor lauter Mühe, seine Wischlappenwolken über das Firmament zu schleifen". Und in der Bar ist klar: "Die Luft roch nach vierzig Prozent Raumspray, vierzig Prozent Zigarettenrauch, zehn Prozent schalem Bier, fünf Prozent Schweiß und fünf Prozent Gemeinheit."
Sabine Lehmann hat die immer rasanter rotierende Satire sehr gut übersetzt. Als der Erzähler glaubt, in einem klassischen Konzert zu sterben, stellt er sich bereits das Ergebnis der Autopsie vor: "Es war das lange Sitzen. Das konnten sie nicht ausstehen." Und als der Besucher fürchtet, dass die zwei Katzen, die er versorgen soll, Wein getrunken haben, wünscht er ihnen einen "Kater", kann jedoch keinen "Katzenjammer" feststellen. Das tröstet über anderes Geschmackloses hinweg, das der Autor seinem Protagonisten in den Mund legt.
Weniger wäre hier mehr gewesen. Denn auch so verfängt die Geschichte, weil sie Murphys Gesetz illustriert, dass alles, was schiefgehen kann, schiefgehen wird, und indem sie Jacques Tatis Kritik am modernen Wohnen und sein Spiel mit der Tücke des Objekts variiert. Als der Erzähler am Ende abreist, hat er den Kampf gegen Oskars überall in der Wohnung verteilte Zettel mit Anweisungen, Appellen, Tipps und Geständnissen gewonnen. Und den Plan, dank eines Ortswechsels seine Schreibblockade zu lösen, hat er auch bald verwirklicht.
THOMAS LEUCHTENMÜLLER
Will Wiles: "Die nachhaltige Pflege von Holzböden".
Roman.
Aus dem Englischen von Sabine Lohmann. Verlag Carl's Books, München 2013. 288 S., geb., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fast zu viel Humor: Der britische Autor Will Wiles klärt uns in seinem Roman nicht nur über "Die nachhaltige Pflege von Holzböden" auf
Wer Menschen zum Lachen bringen will, braucht dreierlei: Phantasie, Beobachtungsgabe und darstellerisches Geschick. Hochentwickelte Phantasie hilft immens, um die Frage aller Fiktionen, "Was wäre, wenn?", auf möglichst ungewöhnliche Weise zu beantworten. Präzises Beobachten erlaubt es, eine Situation als realistisch und logisch vorzuführen mit dem einzigen Zweck, diesen Eindruck hernach zu zerstören. Und schließlich bedarf es schauspielerischer Fähigkeiten, um andere so überraschend wie schnell zum Lachen zu bringen und damit ein Gefühl der Überlegenheit zu erzeugen.
Der britische Autor Will Wiles hat die Eigenschaften des Humoristen. Das beweist sein Debütroman. Der deutsche Titel "Die nachhaltige Pflege von Holzböden" ist zwar noch sperriger als der des 2012 erschienenen Originals, "Care of Wooden Floors". Deswegen aber wirkt es noch angenehmer, zwischen den Buchdeckeln kunstvoll Erdachtes zu finden. Das Buch gewinnt nicht zuletzt dadurch, dass der 1978 geborene Autor seine Kenntnisse in Architektur und Design einbringt.
Was also wäre, wenn ein erfolgreicher, pedantischer Musiker seinen chaotischen Freund aus Studienzeiten, einen Möchtegern-Schriftsteller, bittet, ein paar Wochen auf eine teuer eingerichtete Wohnung achtzugeben? Die Erwartung zu bedienen, dass das misslingt, ist nicht schwierig. Dabei eine nuancierte und unterhaltsame Abfolge von Geschehnissen zu ersinnen ist dagegen hohe Kunst. Wiles vermag das, indem er das Klischee der zu erwartenden Turbulenzen entlarvt. Der verreiste Musiker Oskar taucht nur in den Erinnerungen seines wohnungshütenden Freundes auf, der die Geschehnisse schildert. Der Name des Freundes bleibt ebenso ungenannt wie die Zeit und der Ort, an dem sich die Ereignisse zutragen (eine osteuropäische Hauptstadt der postsowjetischen Ära muss Pate gestanden haben). Die Suche nach Identität, nach Zusammenhängen der - persönlichen - Historie und nach (Un-)Tiefen ausnehmender Zuneigung erhält so den angemessenen allgemeingültigen Charakter. Der Rest ist grandiose Burleske.
Natürlich gelingt es dem Erzähler nicht, den wertvollen Holzboden oder das edle Piano in Oskars Domizil von Flecken zu verschonen; mal fließt Rotwein, und natürlich stolpert der aus London eingeflogene Held über seine allzu menschlichen Schwächen. Er ist vergesslich, agiert schusselig und ungeschickt, erweist sich als trinkfreudig, unmotiviert und selbstgerecht; das sorgt für Amüsement. Und nach acht Tagen und Nächten löst sich alles in Wohlgefallen auf, die Lehre hinterlassend: Maß und Mitte führen zu Glück und Zufriedenheit.
Bezaubernd an dem Roman ist, dass Wiles seinen Humor durchhält. In der Wohnung wirken sogar die Staubkörner "ordentlich und geregelt in ihren Flugbahnen". Wie "als Antwort auf die Feuchtigkeit in den Achselhöhlen und im Kreuz" fängt einmal gar der Himmel an, "Regen zu schwitzen vor lauter Mühe, seine Wischlappenwolken über das Firmament zu schleifen". Und in der Bar ist klar: "Die Luft roch nach vierzig Prozent Raumspray, vierzig Prozent Zigarettenrauch, zehn Prozent schalem Bier, fünf Prozent Schweiß und fünf Prozent Gemeinheit."
Sabine Lehmann hat die immer rasanter rotierende Satire sehr gut übersetzt. Als der Erzähler glaubt, in einem klassischen Konzert zu sterben, stellt er sich bereits das Ergebnis der Autopsie vor: "Es war das lange Sitzen. Das konnten sie nicht ausstehen." Und als der Besucher fürchtet, dass die zwei Katzen, die er versorgen soll, Wein getrunken haben, wünscht er ihnen einen "Kater", kann jedoch keinen "Katzenjammer" feststellen. Das tröstet über anderes Geschmackloses hinweg, das der Autor seinem Protagonisten in den Mund legt.
Weniger wäre hier mehr gewesen. Denn auch so verfängt die Geschichte, weil sie Murphys Gesetz illustriert, dass alles, was schiefgehen kann, schiefgehen wird, und indem sie Jacques Tatis Kritik am modernen Wohnen und sein Spiel mit der Tücke des Objekts variiert. Als der Erzähler am Ende abreist, hat er den Kampf gegen Oskars überall in der Wohnung verteilte Zettel mit Anweisungen, Appellen, Tipps und Geständnissen gewonnen. Und den Plan, dank eines Ortswechsels seine Schreibblockade zu lösen, hat er auch bald verwirklicht.
THOMAS LEUCHTENMÜLLER
Will Wiles: "Die nachhaltige Pflege von Holzböden".
Roman.
Aus dem Englischen von Sabine Lohmann. Verlag Carl's Books, München 2013. 288 S., geb., 14,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Thomas Leuchtenmüller bescheinigt dem britischen Autor Will Wiles alle drei wesentlichen Eigenschaften eines Komikers: Phantasie, Beobachtungsgabe und darstellerisches Geschick. In seinem Roman "Die nachhaltige Pflege von Holzböden" bittet ein pedantischer Musiker seinen Freund, einen chaotischen Möchtegern-Schriftsteller, seine nicht minder pedantische Wohnung zu hüten. Das geht schief, soviel dürfte klar sein, fasst der Rezensent zusammen. Nicht ganz klar ist allerdings, wie es Wiles gelingt, einerseits Murphys Gesetz mustergültig zu inszenieren und gleichzeitig "das Klischee der zu erwartenden Turbulenzen" zu entlarven, wie Leuchtenmüller es ihm lobend attestiert. Vielleicht, weil der Chaot am Ende obsiegt. Was den Rezensenten erstaunt, ist, dass Wiles seinen Humor bis zu diesem Ende aufrecht erhält.
© Perlentaucher Medien GmbH
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