Italien im 14. Jahrhundert. Ganz Europa wird von der Pest heimgesucht. Der sizilianische Troubadour Trofaldino wandert auf der Flucht vor dem Schwarzen Tod nach Norden und trifft auf das junge, elternlose Zigeunermädchen Tijar. Die beiden schließen sich einer Truppe von Gauklern an und ziehen durch ein von Todesangst und Wahnsinn gezeichnetes Land. Doch die Pest holt sie schließlich ein. In der Nähe von Florenz finden Trofaldino und Tijar sie sind längst ein Liebespaar Zuflucht in der Burg des Fürsten Barberini, und Trofaldino entdeckt bald, dass sich die Menschen durch gegenseitige Bewachung und Manipulation das Leben zur Hölle machen. In den endlosen Gängen der Burg halten sich seltsame Gestalten auf "Mondkinder", die offenbar das Ergebnis geheimer Experimente des Leibmedicus sind.
Ein seltsam suggestives Buch: Worte scheinen sich in Farben aufzulösen, in Gerüche und Geräusche, in ein Verwirrspiel der Empfindungen. Bildmächtig beschwört der dänische Schriftsteller Ib Michael, 53, in seinem Roman 'Die Nacht des Troubadours' ein abgründiges Mittelalter. Der Held, Narr und Weiser in einer Person, ist ein Troubadour mit Namen Trofaldino. Die Schönheit der Frauen besingt er ebenso wie die Schrecken der Pest. Auf der Flucht vor der Seuche treibt es den Helden und das knabenhafte Zigeunermädchen an seiner Seite sieben Jahre lang durch eine geisterhafte Welt. Mit den Gesetzen der Logik hat Ib Michael nichts im Sinn. Nicht die sogenannte Wirklichkeit ist der Stoff dieses Romans, sondern ein Drunter und Drüber wie aus einer irrlichternden Fieberphantasie. 'Der Spiegel'
Es ist die Zeit des Todes. Während der großen Pest-Epidemie wandert der Troubadour Trofaldino am Ende des Mittelalters durch Europa und berichtet, wie sich angesichts der Katastrophe, die Abertausende das Leben kostet, landauf, landab Erstaunliches ereignet: Wahnsinn wie wilde Lebenslust vereinen sich zu einem bizarren Totentanz. Und der Sänger singt: vom Papst, der auf die reinigende Kraft der Scheiterhaufen vertraut, von den ärzten, die sich Masken mit langen Schnäbeln bauen, um vermeintlich giftige Gase von der Nase fernzuhalten - und von den Narren, deren Geschäfte glänzend gehen. Sehr authentisch, sehr melodiös, sehr lesbar. 'Der Stern'
Die Lust am Lesen - oft nur eine billige Formel, die die Verlagskassen klingeln lassen soll - bei Ib Michael wird sie eingelöst. Sein farbenprächtiger Schelmenroman ist als Triptychon der Heimsuchung stimmig und spannend bis ins letzte Glied. 'Die Welt'
Es ist die Zeit des Todes. Während der großen Pest-Epidemie wandert der Troubadour Trofaldino am Ende des Mittelalters durch Europa und berichtet, wie sich angesichts der Katastrophe, die Abertausende das Leben kostet, landauf, landab Erstaunliches ereignet: Wahnsinn wie wilde Lebenslust vereinen sich zu einem bizarren Totentanz. Und der Sänger singt: vom Papst, der auf die reinigende Kraft der Scheiterhaufen vertraut, von den ärzten, die sich Masken mit langen Schnäbeln bauen, um vermeintlich giftige Gase von der Nase fernzuhalten - und von den Narren, deren Geschäfte glänzend gehen. Sehr authentisch, sehr melodiös, sehr lesbar. 'Der Stern'
Die Lust am Lesen - oft nur eine billige Formel, die die Verlagskassen klingeln lassen soll - bei Ib Michael wird sie eingelöst. Sein farbenprächtiger Schelmenroman ist als Triptychon der Heimsuchung stimmig und spannend bis ins letzte Glied. 'Die Welt'
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.1999Das Leben ist eine Waffel
Ib Michael und "Die Nacht des Troubadours"
Der Roman "Die Nacht des Troubadours" entstand in den frühen achtziger Jahren, im Kometenschweif von Umberto Ecos Rosen-Epos. Die aktuelle Übersetzung läßt darauf schließen, daß das Mittelalter nicht nur eventmäßig, sondern auch literarisch noch immer als sichere Bank gilt, zumal dann, wenn es in "Ib Michaels ganz spezieller Kraftprosa" (ein dänischer Kritiker) daherkommt.
Trofaldino, der Held und Erzähler, ist ein sizilianischer Trovatore mit stierledernem Schrittschoner und "den Trillern von Lerchen in den Augen". Wo er mit seinen Schnabelschuhen hintritt, wächst kein Gras mehr, dafür aber so manche Pestbeule, denn er überträgt die Seuche, ohne selbst an ihr zu erkranken. Als Vorbote des Schwarzen Todes, dessen Greuel ihn zu allerlei schaurig-saftigen Metaphern anregen, durchwandert er das gegeißelte Europa in nördlicher Richtung von Syrakus bis Seeland. An seiner Seite hält sich über eine lange Strecke das Zigeunermädchen Tijar, noch unter zwölf und abgemagert, als man einander im Straßengraben begegnet, dann binnen Jahresfrist frappierend zur Frau herangereift: "Es kurvte und strotzte und spannte gegen den Stoff", was immer "es" gewesen sein mag.
Die kratzbürstige Kleine wird "der Lehrling des Troubadours", wie der vergleichsweise sinnvolle Originaltitel lautet, und nach angemessener Wartezeit auch seine Geliebte. Vorher treibt es der Sänger, der vom Gesang nicht viel zu verstehen scheint, sehr anschaulich mit einer neapolitanischen Hure und mit dem grünbestrumpften Harlekin einer Gauklertruppe: "Er hält inne, dreht sich langsam um, in den Waldseen seiner Augen spiegle ich mich, ein brünstiger Hirschbock." Ob es Sätze wie dieser waren, die ein anderer dänischer Kritiker meinte, als er von Ib Michaels "stilistischer Umarmung mit Dante" schwärmte? Das Infektionsrisiko jedenfalls war damals höher als heute. Auf dem Sterbebett entpuppt sich Harlekin als Adelssproß, in dessen Adern "wildestes, französisches Fürstenblut" fließt. Sein Letzter Wille verpflichtet den Virusträger und seine Gefährtin, um Rom einen Bogen zu machen und statt dessen den toskanischen Herzog Barberini heimzusuchen.
Das "Inferno", das der Autor, kühn von Dante abweichend, hinter das "Purgatorio" gesetzt hat, erlebt der Held auf Barberinis Schloß, in dessen Kellergewölben ein Hofmedikus an finsteren alchimistischen Experimenten tüftelt, während der alternde Fürst sich des Zigeunermädchens bemächtigt. Nach abenteuerlicher Flucht finden Trofaldino und Tijar, nun endlich ein Paar, vorübergehend das Paradies im vieltürmigen, von der Seuche entvölkerten "San G." (heiteres Namenraten für die Toskana-Fraktion!), wo nur noch ein paar Tollhäusler die Stellung halten. Die Beschreibung der schrägen Gegengesellschaft, in der sich die Irren als Europas gekrönte Häupter kostümieren und die Stadt in einen Lustpark verwandeln, zählt zu den Lichtblicken des Romans, auch wenn hier der Jahrmarktskitsch blüht.
Kaum hat es sich ausgetanzt, geht es zu einem Kunstwochenende nach Florenz ("jetzt arbeiten sie ernstlich an der Perspektive") und von dort mit Siebenmeilenstiefeln "ans Ende der Welt": nach Dänemark. Die Pest ist noch schneller und hat den Troubadour überholt, als seine Geliebte in der Heide kurz vor Lübeck mit einem alchimistischen Retortenbaby niederkommt. Dabei kann Ib Michael zeigen, daß er auch zum Science-fiction-Gruselautor taugt; die mittelalterliche Beziehungskiste indes muß daran zerbrechen.
Was kann den Leser trösten, der diese "Farben-, Geruchs- und Sinnenbombe" (schon wieder ein dänischer Kritiker) knapp überlebt hat? Höchstens die Gewißheit, daß es dem Autor in späteren Werken besser gelang, seine Kraftprosa am chronischen Wort-Delirium vorbeizusteuern. KRISTINA MAIDT-ZINKE
Ib Michael: "Die Nacht des Troubadours". Roman. Aus dem Dänischen übersetzt von Sigrid Engeler. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. 360 S., br., 28.- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ib Michael und "Die Nacht des Troubadours"
Der Roman "Die Nacht des Troubadours" entstand in den frühen achtziger Jahren, im Kometenschweif von Umberto Ecos Rosen-Epos. Die aktuelle Übersetzung läßt darauf schließen, daß das Mittelalter nicht nur eventmäßig, sondern auch literarisch noch immer als sichere Bank gilt, zumal dann, wenn es in "Ib Michaels ganz spezieller Kraftprosa" (ein dänischer Kritiker) daherkommt.
Trofaldino, der Held und Erzähler, ist ein sizilianischer Trovatore mit stierledernem Schrittschoner und "den Trillern von Lerchen in den Augen". Wo er mit seinen Schnabelschuhen hintritt, wächst kein Gras mehr, dafür aber so manche Pestbeule, denn er überträgt die Seuche, ohne selbst an ihr zu erkranken. Als Vorbote des Schwarzen Todes, dessen Greuel ihn zu allerlei schaurig-saftigen Metaphern anregen, durchwandert er das gegeißelte Europa in nördlicher Richtung von Syrakus bis Seeland. An seiner Seite hält sich über eine lange Strecke das Zigeunermädchen Tijar, noch unter zwölf und abgemagert, als man einander im Straßengraben begegnet, dann binnen Jahresfrist frappierend zur Frau herangereift: "Es kurvte und strotzte und spannte gegen den Stoff", was immer "es" gewesen sein mag.
Die kratzbürstige Kleine wird "der Lehrling des Troubadours", wie der vergleichsweise sinnvolle Originaltitel lautet, und nach angemessener Wartezeit auch seine Geliebte. Vorher treibt es der Sänger, der vom Gesang nicht viel zu verstehen scheint, sehr anschaulich mit einer neapolitanischen Hure und mit dem grünbestrumpften Harlekin einer Gauklertruppe: "Er hält inne, dreht sich langsam um, in den Waldseen seiner Augen spiegle ich mich, ein brünstiger Hirschbock." Ob es Sätze wie dieser waren, die ein anderer dänischer Kritiker meinte, als er von Ib Michaels "stilistischer Umarmung mit Dante" schwärmte? Das Infektionsrisiko jedenfalls war damals höher als heute. Auf dem Sterbebett entpuppt sich Harlekin als Adelssproß, in dessen Adern "wildestes, französisches Fürstenblut" fließt. Sein Letzter Wille verpflichtet den Virusträger und seine Gefährtin, um Rom einen Bogen zu machen und statt dessen den toskanischen Herzog Barberini heimzusuchen.
Das "Inferno", das der Autor, kühn von Dante abweichend, hinter das "Purgatorio" gesetzt hat, erlebt der Held auf Barberinis Schloß, in dessen Kellergewölben ein Hofmedikus an finsteren alchimistischen Experimenten tüftelt, während der alternde Fürst sich des Zigeunermädchens bemächtigt. Nach abenteuerlicher Flucht finden Trofaldino und Tijar, nun endlich ein Paar, vorübergehend das Paradies im vieltürmigen, von der Seuche entvölkerten "San G." (heiteres Namenraten für die Toskana-Fraktion!), wo nur noch ein paar Tollhäusler die Stellung halten. Die Beschreibung der schrägen Gegengesellschaft, in der sich die Irren als Europas gekrönte Häupter kostümieren und die Stadt in einen Lustpark verwandeln, zählt zu den Lichtblicken des Romans, auch wenn hier der Jahrmarktskitsch blüht.
Kaum hat es sich ausgetanzt, geht es zu einem Kunstwochenende nach Florenz ("jetzt arbeiten sie ernstlich an der Perspektive") und von dort mit Siebenmeilenstiefeln "ans Ende der Welt": nach Dänemark. Die Pest ist noch schneller und hat den Troubadour überholt, als seine Geliebte in der Heide kurz vor Lübeck mit einem alchimistischen Retortenbaby niederkommt. Dabei kann Ib Michael zeigen, daß er auch zum Science-fiction-Gruselautor taugt; die mittelalterliche Beziehungskiste indes muß daran zerbrechen.
Was kann den Leser trösten, der diese "Farben-, Geruchs- und Sinnenbombe" (schon wieder ein dänischer Kritiker) knapp überlebt hat? Höchstens die Gewißheit, daß es dem Autor in späteren Werken besser gelang, seine Kraftprosa am chronischen Wort-Delirium vorbeizusteuern. KRISTINA MAIDT-ZINKE
Ib Michael: "Die Nacht des Troubadours". Roman. Aus dem Dänischen übersetzt von Sigrid Engeler. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1998. 360 S., br., 28.- DM.
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"Dieser Roman hat einfach alles, was eine gute Geschichte haben muss: Drama, Spannung, Liebe, Phantasie, Mystik. Ein großartiger Roman; diese fantastischen Szenerien, Stimmungen während der Pest - Visionen und Träume - alles steht leuchtend klar auf dem Papier, festgehalten in Ib Michaels ganz spezieller Kraftprosa."(Weekendavisen, Dänemark)