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Kat Kaufmanns zweiter Roman - eine rasant erzählte Road Novel
Ernst hinterlässt seinem Enkel Jonas 5000 Euro und eine Notiz, die sagt: Finde diesen Mann. Dazu nur ein Name: Valerij Butzukin. Jonas hat nie von diesem Mann gehört. Hat sich Opa Ernst einen Scherz erlaubt, den er nicht mehr auflösen wird, weil er tot ist? Oder war es das Delirium? Die Wahnvorstellung eines senilen Menschen? Um Jonas weht der Kalte Krieg 4.0, und hier, inmitten von immer mehr Grenzen, die sich schließen, beginnt für ihn eine Odyssee, die ihn - ob er will oder nicht - immer tiefer in ein fremdes Land und zu…mehr

Produktbeschreibung
Kat Kaufmanns zweiter Roman - eine rasant erzählte Road Novel

Ernst hinterlässt seinem Enkel Jonas 5000 Euro und eine Notiz, die sagt: Finde diesen Mann. Dazu nur ein Name: Valerij Butzukin.
Jonas hat nie von diesem Mann gehört. Hat sich Opa Ernst einen Scherz erlaubt, den er nicht mehr auflösen wird, weil er tot ist? Oder war es das Delirium? Die Wahnvorstellung eines senilen Menschen? Um Jonas weht der Kalte Krieg 4.0, und hier, inmitten von immer mehr Grenzen, die sich schließen, beginnt für ihn eine Odyssee, die ihn - ob er will oder nicht - immer tiefer in ein fremdes Land und zu fremden Menschen führt: in die Russisch Asiatische Union. Mit Stas und Juri, die er auf der Suche nach Passfälschern kennenlernt, begibt er sich in ein Labyrinth, das Urgroßvater, Großvater, Jonas und den Unbekannten für immer verbinden und trennen wird.

"Die Nacht ist laut, der Tag ist finster" ist ein Roman über das Schicksal der Menschen, aneinander vorbeizuschrammen. Über Verlust, über Freundschaft und über das Wiederauftauchen von Spuren, die im Schnee verweht waren und einen doch nur noch tiefer in die Irre des eigenen Geistes führen. In den Geist, der einem verheimlicht, dass man selbst es war, der alles, was so kommt, wie es kommt, unausweichlich vorgezeichnet hat.
Autorenporträt
Kaufmann, KatKat Kaufmann, geboren in St. Petersburg, lebt als Schriftstellerin, Komponistin und Fotografin in Berlin. Für ihren Roman Superposition erhielt sie 2015 den ZDF-aspekte-Literaturpreis für das beste literarische Debüt des Jahres.
Rezensionen

buecher-magazin.de - Rezension
buecher-magazin.de

Jonas spinnt. Der Held dieses Romans ist gar keiner. Jonas ist vom Leben und den Mitmenschen völlig überfordert. Ob's vom Vater-Mutter-Komplex kommt oder einfach, weil seine innere Stimme endlos rattert, erfährt der Leser nicht. Aber freudsche Analysen interessieren die Autorin auch nicht, sie schreibt Jonas lieber eine Wendung ins Leben, die ihn vielleicht vor der Klapse bewahrt. Großvater Ernst, der Boxer, hinterlässt ihm 5000 Euro und einen Zettel mit dem Namen "Valerij Butzukin". Ist das sein verschwundener echter Vater? Jonas begibt sich auf die Suche, mittendrin in einem explosiven Konflikt zwischen "Ameropa" und der "Russisch-Asiatischen Union". Unfreiwilligen Antrieb liefern ihm die deutsch-russischen Kleinkriminellen Stas und Juri, die es sich nicht nehmen lassen, dem blassen, viel zu netten Deutschen ungebeten unter die Arme zu greifen. Und so entwickelt sich ein vogelwildes, manchmal nervendes Roadmovie durchs weite Russland, und das in einer nahen bedrohlichen Zukunft, inklusive viel Wodka, seltsamer Freundschaft, blutigen Nasen, ganz großer Liebe und dem ganzen anderen Elend. Klingt anstrengend? Ist es auch, gerade für den Leser. Der will aber dennoch nicht aufhören.

© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.05.2017

Du versuchst, Blut zu pumpen
Etwas zu viele Effekte: Kat Kaufmann nimmt ihre Rolle als Covergirl des neuen Buchlabels "Tempo" leider beim Wort

Vor zwei Jahren tauchte plötzlich Kat Kaufmann auf. Sie hatte ihren ersten Roman geschrieben, "Superposition", der im Verlag Hoffmann & Campe erschien. "Alle Personen in diesem Buch haben sich selbst frei erfunden oder wurden von Mutter, Vatter, Schulkameraden, Arschlöchern und Wichsern zu dem gemacht, was sie sind. Und der Jude ist nicht reich. Und der Russe ist nicht kalt. Und Berlin ist nicht Berlin", stand auf der ersten Seite, was eine klare Ansage war und der Hinweis auf einen Ton, der anders zu sein schien als das, was man sonst von jungen Schriftstellerinnen lesen kann. Das Interessante an "Superposition" war dann aber nicht die bloße Härte, Rücksichtslosigkeit oder Vulgarität, sondern der Eindruck, dass Kat Kaufmanns literarische Stimme dabei ohne Posen auskam, sich nicht selbst feierte, in ihre eigene Härte nicht verliebt zu sein schien. Das war neu.

Und dafür wurde sie auch gefeiert. Sie erhielt 2015 den ZDF-aspekte-Literaturpreis für das beste literarische Debüt des Jahres, weil es ihr, wie es in der Begründung der Jury hieß, "in großartiger Weise" gelungen sei, "die großen Fragen unserer Zeit neu zu stellen". Sie schrieb Beiträge für überregionale Zeitungen, für die "Zeit" und auch für dieses Feuilleton über Wut. Und wer die 1981 in St. Petersburg geborene Autorin, Komponistin und Fotografin auf einer Bühne erlebte und dabei zusehen konnte, wie sie den Text ihres Romans laut mit Leben füllte, wollte sich dieser Wirkung gar nicht entziehen.

Jetzt hat sie einen neuen Roman geschrieben, wieder bei Hoffmann & Campe, diesmal in der gerade vom Verlag gegründeten "Tempo"-Reihe, die sich an das Label der in den achtziger Jahren von Markus Peichl und Lo Breier gegründeten Zeitschrift "Tempo" anlehnt. Die Zeitschrift wollte den New Journalism von Tom Wolfe und Hunter S. Thompson nach Deutschland bringen. Maxim Billers gesammelte Zeitschriftenkolumnen "Hundert Zeilen Hass" sind in der neuen Verlagsreihe jetzt als Buch erschienen. Auch der Roman "Die elf Gehirne der Seidenspinnerraupe" des vor kurzem gestorbenen "Tempo"-Autors Uwe Kopf.

Zum Covergirl des neuen Katalogs macht der Verlag aber Kat Kaufmann - mit zurückgeworfenen Haaren, halb geschlossenen Augen und einer Zigarette, die auf der Unterlippe des geöffneten Mundes liegt. "Die Nacht ist laut, der Tag ist finster", heißt der neue Roman, den man natürlich lesen will, auch wenn man zugegebenermaßen ein bisschen Angst davor hat. Zwei Jahre sind keine lange Zeit. Nach einem erfolgreichen Debüt in so kurzer Zeit einen zweiten Roman zu schreiben fällt den allermeisten Autoren schwer. Hoffentlich wird Kat Kaufmann auch darin eine Ausnahme sein.

Sicher ist das nach den ersten Sätzen aber noch nicht, was auch damit zu tun hat, dass die Erzählperspektive des ersten Kapitels eine "Du"-Perspektive ist: "Du versuchst, wieder Blut in deine abgefrorenen Finger zu pumpen, dein Atem sieht aus wie Rauch in der sich nicht wärmen wollenden Luft des U-Bahn-Schachts." Und einem dieses "Du", das es immer wieder, wenn auch selten, in Romanen gibt, einem erst mal suspekt sein muss, weil man nicht weiß, was mit der Nähesuggestion - dieser Vermischung aus: jemand scheint mit sich selbst zu sprechen, könnte zugleich aber auch jemand anderen mitmeinen - bezweckt wird und wer es überhaupt ist, der hier spricht.

"Die Nacht ist laut, der Tag ist finster" hat im Grunde eine ähnliche Versuchsanordnung wie "Superposition". Dort hieß die Erzählerin Izy Lewin, war Russin und Jüdin, eine Musikerin, als Kind Schülerin der Leningrader Musikschule, die sich mit Jazzkonzerten in Berlin Geld verdiente. Sie bewegte sich durch die Stadt mit dem Gefühl, wenn überhaupt nur halb dazuzugehören. Sie tauchte auf einer Russenparty ab; immer mehr Menschen, die sie aus der Kindheit kannte, begegnete sie jetzt in Berlin ("Willkommen im Dschungel!"). Sie protokollierte mit lässiger Beiläufigkeit die Zumutungen, Anfeindungen und Angriffe, denen sie ausgesetzt war, was sie nicht davon abhielt, sich zu wehren, tatsächlich zurückzuschlagen und sich auch weiterhin ins Leben zu stürzen, mitten hinein.

Jetzt geht es um Jonas, und der "Dschungel" ist Moskau. Jedenfalls führt es Jonas dorthin, nachdem - etwas verworrene Geschichte - dieser einen Zettel seines verstorbenen Großvaters gefunden hat: "Finde diesen Mann. Valerij Butzukin". Er weiß weder, wer das ist, noch wie er ihn finden kann, lernt in einem Club zwei russische Jungs kennen, beide ziemlich durchgeknallt, fackelt seine Wohnung ab und reist mit seinen neuen Freunden nach Moskau, der Stadt hinter den Grenzen "im Kalten Krieg 2.0".

Und es ist nicht so, dass Kat Kaufmann die Sicherheit, mit der sie die Melodie ihrer Sätze komponiert, verloren hätte. Nur findet man von allem zu viel. Die Geschichte ist zu verwickelt, der Ton zu laut, zu breitbeinig irgendwie. Es wirkt, als würde sie auf jeder Seite noch mal neu Gas geben wollen, um das Ganze noch effektvoller wirken zu lassen, dreckiger, auffälliger. Was der Charme von "Superposition" war, die Abwesenheit von Posen, verschwindet auf diese Weise. Und da das alles in dieser "Du"-Form geschieht, fühlt man sich beim Lesen angerempelt: "Hey yo, liebe Schwachmaten."

"Superposition" war die Bestandsaufnahme einer inneren Zerrissenheit in einer Gesellschaft, die keinen Schutz bietet. Ein Gefühl, das sich, wie Izy es sich erträumte, auflösen könnte in dem, was die Quantenphysik "Superposition" nennt - übereinandergelagerte Zustände, die nur als Gesamtzustand messbar sind: "Sei da und hier und überall sonst zur gleichen Zeit", hieß es im Roman. Aber was "Die Nacht ist laut, der Tag ist finster" ist, wohin dieser Roman einen führen will, das bleibt bis zum Schluss unklar. Und das Geraune vom "Krieg 2.0", von "Ameropa" und "Russasia", von im Internet zusammengerufenen Selbstmordbrigaden, die draußen in den Wäldern agieren, dann wieder von konventionellen Bomben und Bodentruppen bleibt funktionslos und auch völlig im Ungefähren. Alles wird expressionistisch zusammengemixt, ein Krieg in allernächster Zukunft und die irrlichternde Odyssee der Charaktere mit ihrer kraftstrotzenden Rhetorik. Nur sagt das über die Gegenwart so wenig wie über die naheliegende Zukunft. Es geht offenbar vor allem darum, viel herzumachen.

Und man ist enttäuscht und traurig und fragt sich, ob dieser Roman nicht noch viel, viel besser hätte werden können, wenn er nicht so schnell hätte rausgefeuert werden müssen für diese "Tempo"-Reihe? Oder ob er, gerade weil er in die "Tempo"-Reihe sollte, schon beim Schreiben unter dem Druck dieses Labels stand? Ob sie viel sorgsamer hätte lektoriert werden müssen? Kat Kaufmann hat so ein großes Talent und eine besondere Stimme. Aber irgendwie verschwendet sie sie hier.

JULIA ENCKE

Kat Kaufmann: "Die Nacht ist laut, der Tag ist finster". Roman. Tempo. 271 Seiten, 20 Euro

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensentin Nora Voit freut sich über den zweiten Roman der deutsch-russischen Autorin Kat Kaufmann, der ihr die furiose Geschichte eines Antihelden auf Sinnsuche erzählt. Die Kritikerin folgt hier dem vaterlos aufgewachsenen Berliner Jonas, der sich vollgepumpt mit Psychopharmaka gemeinsam mit zwei dubiosen, aber liebevollen Gefährten auf einen Moskau-Trip begibt und dort nicht nur in mafiöse Machenschaften, sondern auch in einen "Kalten Krieg 2.0" gerät. Wie Kaufmann mit "rasanten" Filmschnitten zwischen den Welten switcht, klassische Kriegsmotive mit den "Niederungen der Gegenwart" verknüpft und ihrem Thriller einen Hauch "russischer Wehmut" verleiht, hat der Rezensentin gut gefallen. Dass die Konstruktion der Handlung gelegentlich ein wenig ächzt, verzeiht Voit gern.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Kat Kaufmann entwirft eine nervös-flatternde Welt, in der ein junger Mann seinen Weg und seinen Platz im Leben sucht. In schnellen Schnitten erzählt, rasant und rotzig-gut.« Radio Fritz, 24.05.2017