"Ich glaube, dass einer der Gründe, die einen dazu bringen, dass man versucht, Schriftsteller zu werden, in der mehrmals nach- und eindrücklich gemachten Erfahrung der Sprachlosigkeit liegt, weil man begreift, dass die Sprache als Vermittlungssystem nicht funktioniert, dass, um es anders, mit Urs Widmer, auszudrücken, der Schriftsteller entdeckt, dass er mit der Sprache nicht zurechtkommt, dass er sie nicht beherrscht."Klaus Hoffer, das hat sich herumgesprochen, ist einer der gründlichsten Kafka-Leser der deutsch-sprachigen Literatur. Aber er ist, an diesem hohen Maßstab geschult, demzufolge Bücher eine Axt für das gefrorene Meer in uns sein sollten, überhaupt ein genauer und gründlicher Leser, von Büchern und Kunstwerken, von sich selbst und von anderen Autoren. Und auch sein berühmter Roman Bei den Bieresch ist unter anderem ein Roman über das Lesen,"nur dass Hoffer den abendländischen Kanon bis ins kafkaesk Kenntliche'verwandelt'hat"(Hermann Wallmann). Die Nähe des Fremden versammelt Essays und Vorträge zu autobiographischen Themen, zur Bildenden Kunst (John Baldessari, Fritz Panzer, Peter Pongratz, Peter Weibel) und zur Literatur, genauer: zu Elias Canetti, Heinrich Heine, Franz Kafka, Kurt Vonnegut und Urs Widmer. Und Kafka, Freud und zentrale Gedanken der Systemtheorie liefern auch die wichtigsten Instrumente zum Verständnis und zur Analyse der Werke.
Der Grazer Autor Klaus Hoffer ist in den achtziger Jahren bekannt geworden durch seinen vor kurzem wieder aufgelegten Roman "Bei den Bieresch". In ihm gerät der Held in eine Gegenwelt, die Züge einer tatsächlich bis über die Mitte des letzten Jahrhunderts hinaus im Osten Österreichs bestehenden Gesellschaft von besitzlosen Landarbeitern trägt. Doch um einen historischen Bericht geht es nicht, sondern um fiktionale Ethnographie, die das Leben dieser aus der Gesellschaft abgedrängten Parias zum Gegenbild der Selbstverständlichkeiten macht, aus denen der Leser geschüttelt wird. Es sei ein Reiseroman, schrieb der Autor einmal und kam nach kurzen Verneigungen vor Peter Handke und Kurt Vonnegut gleich auf Kafkas fremd-vertraute Welten, in der sich Reisende aufhalten und vermeintliche Landvermesser. Diesen Essay kann man nun gemeinsam mit anderen nachlesen. Kafka schwebt über allem, Vonnegut ist eine Hommage gewidmet, bildenden Künstlern - Peter Pongratz, Fritz Panzer, John Baldessari - gelten interpretierende Parcours. Vom Rückgriff auf Psychologie im Allgemeinen, Psychoanalyse und Gruppendynamik im Besonderen ist die Rede. Man muss sich dadurch nicht abschrecken lassen. Die Kafka-Imprägnierung hält dieser Neigung stand. (Klaus Hoffer: "Die Nähe des Fremden". Essays. Droschl Verlag, Graz 2008. 224 S., Abb., geb., 24,- [Euro].) hmay
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