Ein großer Erzähler und Stilist Christa Notter wird gejagt. Die 40jährige Frau versteckt sich in Irland und schreibt ihrer Tochter, die ihr nach der Geburt sofort weggenommen wurde. Sie schreibt gegen die Zeit und um ihr Leben, denn sie hat die Sekte verraten, deren Mitglied sie war. Der charismatische Sektenführer wird sie töten. Es sei denn, ihr Geliebter findet sie zuerst. Gekonnt verbindet Schertenleib das Thriller-Genre mit seiner einfühlsam beobachtenden, poetischen Sprache. »Ein geheimnisvolles Buch zu Liebe und Gewalt.« Süddeutsche Zeitung »Ein Thriller mit internationalem Flair, ein schillernder Sektenreport, gut recherchiert, sehr aktuell. ... Eine Intensität und Leichtigkeit, wie man sie sonst nur aus dem Kino kennt.« Tagesspiegel »Knapper kann man eine Geschichte nicht erzählen, spannender auch nicht.« Berner Zeitung
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.2000Berauscht von Blut und Wunden
Antiklerikal: Hansjörg Schertenleibs Roman "Die Namenlosen"
Wer sich zum katholischen Glauben bekennt, lebt gefährlich in Hansjörg Schertenleibs neuem Roman. Nichts ahnende Kirchgänger werden von einem Glockenklöppel erschlagen oder bei der Kommunion mit Hostien vergiftet; Ordensleute fallen einem erstickenden Zierkissen zum Opfer; ein junger Priester wird langsam zu Tode gefoltert, indem ihm erst ein Finger ab- und dann die Kehle durchgeschnitten wird, und schließlich soll auch noch Papst Johannes Paul II. durch ein sorgsam geplantes Attentat ins Jenseits befördert werden.
Ersonnen hat diese Grausamkeiten der Sektenführer Fisnish, ein sonnengebräunter Ire, der nach Puderzucker und Weihwasser riecht. Der sektiererische Duft ist eines der Erkennungszeichen der wenigen Getreuen, die dieser fanatische Kämpfer gegen alles Katholische um sich geschart hat: "Wir benutzen weder Seife noch Parfum. Der Geruch, der uns umgibt, ist der Geruch des Zölibats. Wir riechen anders als die anderen." Kein Wunder, dass sich die vierzigjährige Christa während der dreißigtägigen Einkehr, die ihr von Fisnish auferlegt wurde, bei erster Gelegenheit an den Schminktöpfen vergreift und sich ausgiebig mit Körperlotion versorgt. Eingeweihte können sie trotzdem noch als Anhängerin des charismatischen Iren erkennen, denn in die Sohle ihres linken Fußes ist das V-förmige Symbol der Sekte eingebrannt, dasselbe Zeichen, das die Priestermörder als blutige Inschrift am Tatort zurücklassen und das der Verlag - ein hübsches Detail - dem Buchdeckel eingeprägt hat.
Soll die sorgfältige äußere Ausstattung des Romans mit seinem gewalttätigen Inhalt versöhnen? Dort ist wenig Platz für ästhetische Erwägungen, denn die missionarische Botschaft der Heldin besteht im Wesentlichen aus diffusen Begriffen wie Hass, Rache und Stärke. Das sind wahre Schlag-Wörter, wie Christa immer wieder demonstriert. Begnügt sie sich in der ersten Hälfte des Buches noch damit, einen Kanarienvogel in der Hand zu zerdrücken und einen streunenden Hund mit einem Fausthieb zu erledigen, trennt sie bei fortschreitender Handlung einem harmlosen Weideschaf den Kopf ab und ermordet schließlich kaltblütig den alten Priester, der sie in ihrer Kindheit gepeinigt hat. Nur vor dem befohlenen Papst-Attentat schreckt sie zurück - nicht etwa aus Mitleid mit dem Heiligen Vater, sondern weil ihr das eigene Leben plötzlich doch als allzu kostbar erscheint.
Über weite Strecken erzählt Schertenleib das blutrünstige Geschehen aus der Perspektive Christas, die sich in ein irisches Bauernhaus verkrochen hat, um dort vor der sicher erwarteten Hinrichtung durch den Sektenführer ihre Lebensbeichte niederzuschreiben. Adressiert sind diese Bekenntnisse an ihre unbekannte Tochter, die sie im Alter von sechzehn zur Welt brachte. Dass der Klerus bei der Zeugung dieses Kindes nicht nur seine Finger im Spiel hatte, versteht sich mittlerweile von selbst. Doch so detailliert Schertenleib auch über das Verhältnis der Jugendlichen mit einem verklemmten Vikar, über Schwangerschaft, Geburt und Sexualität zu schreiben versucht - all das bleibt so unanschaulich, dass man gern der Selbstbeschreibung Christas zustimmt, "eigentlich habe sie den Körper eines Mannes". In Zeiten allgegenwärtiger Debatten über die soziale Determiniertheit der Geschlechtscharaktere mag der literarische Rollentausch einen besonderen Reiz ausüben; überzeugen kann er hier nicht.
Christas Aufzeichnungen werden ergänzt von den Erinnerungen ihres jungen Liebhabers. Der österreichische Feuerschlucker Erich führt in Südfrankreich das Leben eines Vagabunden und wohnt zusammen mit einigen schrägen Gestalten in einem improvisierten Zeltlager. Die Kontraste könnten kaum schärfer ausfallen: hier das Faulenzen in den Tag hinein, ermöglicht durch kleine Diebstähle und gewürzt mit Drogenkonsum; dort der asketische Alltag der Sekte, der durch unbedingten Gehorsam und harte Bußübungen bestimmt wird. Schon länger erkundet Schertenleib Möglichkeiten des kollektiven Zusammenlebens. In seinem Jugendbuch "Zeitpalast" (1998) hatte er eine Hand voll verhaltensauffälliger Teenager in ein erlebnispädagogisches Zeltlager geschickt.
Von pädagogischem oder aufklärerischem Impetus ist in diesem Roman nichts zu bemerken. Nicht die psychischen Verletzungen, die Menschen aus ihrer gewohnten Bahn werfen und in die Gewalt totalitärer Systeme treiben können, interessieren den Autor, vielmehr beschränkt er sich allein auf den Nervenkitzel, den die pralle Schilderung der Gewalttaten hervorrufen mag. Um das genießen zu können, muss man allerdings gehöriges Ressentiment gegen die katholische Kirche verspüren, die nach Ansicht der Romanfiguren ausschließlich perverse und schwache Naturen vereint.
Es überrascht nicht, dass bei solchen Pauschalisierungen auch die sprachliche Sorgfalt auf der Strecke bleibt. Immer wieder lässt Schertenleib die Polizei "von etwas ausgehen" - als ob sich die Gesetzeshüter mit dieser leeren Phrase selbst strafen wollten; und in Christas monologischen Bekenntnissen sind die Anreden an die ferne Tochter mit solch monotoner Präzision über den Text verstreut, dass sie mit hoher Trefferquote vorhersagbar sind. Bei alledem verzichtet Schertenleib durchaus nicht auf kulturkritische Exkurse. Die Einführung der neuen Rechtschreibung betrachtet er ebenso skeptisch wie die Abschaffung des alten Bleisatzes vor etlichen Jahren. Hier spiegeln sich die persönlichen Erfahrungen des 42-jährigen Autors, der in seiner Jugend selbst eine Lehre zum Schriftsetzer absolvierte. Aber was verbindet die nostalgischen Erinnerungen an ein ausgestorbenes Handwerk mit den bluttriefenden antiklerikalen Gewaltphantasien?
Am Ende muss man es bedauern, dass der duftende Sektenführer Fisnish sich und seine Jünger nicht schon dreihundert Seiten früher aus der Welt geschafft hat. Den unschuldigen Opfern der mörderischen Sekte wie den Lesern des Romans wäre so einiges erspart geblieben.
SABINE DOERING
Hansjörg Schertenleib: "Die Namenlosen". Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2000. 317 S., geb., 39,90 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Antiklerikal: Hansjörg Schertenleibs Roman "Die Namenlosen"
Wer sich zum katholischen Glauben bekennt, lebt gefährlich in Hansjörg Schertenleibs neuem Roman. Nichts ahnende Kirchgänger werden von einem Glockenklöppel erschlagen oder bei der Kommunion mit Hostien vergiftet; Ordensleute fallen einem erstickenden Zierkissen zum Opfer; ein junger Priester wird langsam zu Tode gefoltert, indem ihm erst ein Finger ab- und dann die Kehle durchgeschnitten wird, und schließlich soll auch noch Papst Johannes Paul II. durch ein sorgsam geplantes Attentat ins Jenseits befördert werden.
Ersonnen hat diese Grausamkeiten der Sektenführer Fisnish, ein sonnengebräunter Ire, der nach Puderzucker und Weihwasser riecht. Der sektiererische Duft ist eines der Erkennungszeichen der wenigen Getreuen, die dieser fanatische Kämpfer gegen alles Katholische um sich geschart hat: "Wir benutzen weder Seife noch Parfum. Der Geruch, der uns umgibt, ist der Geruch des Zölibats. Wir riechen anders als die anderen." Kein Wunder, dass sich die vierzigjährige Christa während der dreißigtägigen Einkehr, die ihr von Fisnish auferlegt wurde, bei erster Gelegenheit an den Schminktöpfen vergreift und sich ausgiebig mit Körperlotion versorgt. Eingeweihte können sie trotzdem noch als Anhängerin des charismatischen Iren erkennen, denn in die Sohle ihres linken Fußes ist das V-förmige Symbol der Sekte eingebrannt, dasselbe Zeichen, das die Priestermörder als blutige Inschrift am Tatort zurücklassen und das der Verlag - ein hübsches Detail - dem Buchdeckel eingeprägt hat.
Soll die sorgfältige äußere Ausstattung des Romans mit seinem gewalttätigen Inhalt versöhnen? Dort ist wenig Platz für ästhetische Erwägungen, denn die missionarische Botschaft der Heldin besteht im Wesentlichen aus diffusen Begriffen wie Hass, Rache und Stärke. Das sind wahre Schlag-Wörter, wie Christa immer wieder demonstriert. Begnügt sie sich in der ersten Hälfte des Buches noch damit, einen Kanarienvogel in der Hand zu zerdrücken und einen streunenden Hund mit einem Fausthieb zu erledigen, trennt sie bei fortschreitender Handlung einem harmlosen Weideschaf den Kopf ab und ermordet schließlich kaltblütig den alten Priester, der sie in ihrer Kindheit gepeinigt hat. Nur vor dem befohlenen Papst-Attentat schreckt sie zurück - nicht etwa aus Mitleid mit dem Heiligen Vater, sondern weil ihr das eigene Leben plötzlich doch als allzu kostbar erscheint.
Über weite Strecken erzählt Schertenleib das blutrünstige Geschehen aus der Perspektive Christas, die sich in ein irisches Bauernhaus verkrochen hat, um dort vor der sicher erwarteten Hinrichtung durch den Sektenführer ihre Lebensbeichte niederzuschreiben. Adressiert sind diese Bekenntnisse an ihre unbekannte Tochter, die sie im Alter von sechzehn zur Welt brachte. Dass der Klerus bei der Zeugung dieses Kindes nicht nur seine Finger im Spiel hatte, versteht sich mittlerweile von selbst. Doch so detailliert Schertenleib auch über das Verhältnis der Jugendlichen mit einem verklemmten Vikar, über Schwangerschaft, Geburt und Sexualität zu schreiben versucht - all das bleibt so unanschaulich, dass man gern der Selbstbeschreibung Christas zustimmt, "eigentlich habe sie den Körper eines Mannes". In Zeiten allgegenwärtiger Debatten über die soziale Determiniertheit der Geschlechtscharaktere mag der literarische Rollentausch einen besonderen Reiz ausüben; überzeugen kann er hier nicht.
Christas Aufzeichnungen werden ergänzt von den Erinnerungen ihres jungen Liebhabers. Der österreichische Feuerschlucker Erich führt in Südfrankreich das Leben eines Vagabunden und wohnt zusammen mit einigen schrägen Gestalten in einem improvisierten Zeltlager. Die Kontraste könnten kaum schärfer ausfallen: hier das Faulenzen in den Tag hinein, ermöglicht durch kleine Diebstähle und gewürzt mit Drogenkonsum; dort der asketische Alltag der Sekte, der durch unbedingten Gehorsam und harte Bußübungen bestimmt wird. Schon länger erkundet Schertenleib Möglichkeiten des kollektiven Zusammenlebens. In seinem Jugendbuch "Zeitpalast" (1998) hatte er eine Hand voll verhaltensauffälliger Teenager in ein erlebnispädagogisches Zeltlager geschickt.
Von pädagogischem oder aufklärerischem Impetus ist in diesem Roman nichts zu bemerken. Nicht die psychischen Verletzungen, die Menschen aus ihrer gewohnten Bahn werfen und in die Gewalt totalitärer Systeme treiben können, interessieren den Autor, vielmehr beschränkt er sich allein auf den Nervenkitzel, den die pralle Schilderung der Gewalttaten hervorrufen mag. Um das genießen zu können, muss man allerdings gehöriges Ressentiment gegen die katholische Kirche verspüren, die nach Ansicht der Romanfiguren ausschließlich perverse und schwache Naturen vereint.
Es überrascht nicht, dass bei solchen Pauschalisierungen auch die sprachliche Sorgfalt auf der Strecke bleibt. Immer wieder lässt Schertenleib die Polizei "von etwas ausgehen" - als ob sich die Gesetzeshüter mit dieser leeren Phrase selbst strafen wollten; und in Christas monologischen Bekenntnissen sind die Anreden an die ferne Tochter mit solch monotoner Präzision über den Text verstreut, dass sie mit hoher Trefferquote vorhersagbar sind. Bei alledem verzichtet Schertenleib durchaus nicht auf kulturkritische Exkurse. Die Einführung der neuen Rechtschreibung betrachtet er ebenso skeptisch wie die Abschaffung des alten Bleisatzes vor etlichen Jahren. Hier spiegeln sich die persönlichen Erfahrungen des 42-jährigen Autors, der in seiner Jugend selbst eine Lehre zum Schriftsetzer absolvierte. Aber was verbindet die nostalgischen Erinnerungen an ein ausgestorbenes Handwerk mit den bluttriefenden antiklerikalen Gewaltphantasien?
Am Ende muss man es bedauern, dass der duftende Sektenführer Fisnish sich und seine Jünger nicht schon dreihundert Seiten früher aus der Welt geschafft hat. Den unschuldigen Opfern der mörderischen Sekte wie den Lesern des Romans wäre so einiges erspart geblieben.
SABINE DOERING
Hansjörg Schertenleib: "Die Namenlosen". Roman. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2000. 317 S., geb., 39,90 DM.
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