Die Verbindung von traditioneller Küche und Haute Cuisine, von Eleganz und Rustikalität, Einfachheit und Raffinesse macht den Reiz von Harald Rüssels Kochkunst aus. Dabei greift der mit einem Michelinstern ausgezeichnete Spitzenkoch äußerst gern auf regionale Produkte und Spezialitäten zurück. Bewusst stellt er sich damit gegen eine abgehobene Gourmetküche und ihre Exklusivität. Raffiniert gelingt es ihm auch aus einfachen Lebensmitteln neue, aromatische Geschmacksvariationen zu erfinden. Inspiration erhält Rüssel in der malerischen Landschaft, die sein Landhaus St. Urban an der Mosel umgibt und von seiner Familie. Gemeinsam mit seiner Frau sorgt er für ein harmonisch abgestimmtes Ambiente, in dem sich seine Gäste wohlfühlen. Das neue Buch zeigt deutlich den individuellen Stil von Rüssels Küche. Anhänger seiner regionalen Gourmetküche und Neugierige finden darin kulinarische Inspiration, um selbst bewusster mit Lebensmitteln umzugehen und aus einfachen Produkten aromatische Gerichte zuzubereiten. Der Gault Millau über Harald Rüssel: "Große Küche wird nicht zelebriert, sondern kommt frisch, jugendlich, leicht und scheinbar unkompliziert daher. - Ausgefeilte Harmonie trotz komplizierter Kombinationen macht seine Küche besonders reizvoll."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.12.2009Die Schatztruhe des Metzgers Müller
Provinzialität ist in der Küche kein Schimpfwort, sondern ein Adelsprädikat. Franzosen, Spaniern oder Italienern muss man das nicht erklären, denn sie achten und verehrten die regionalen Spezialitäten ihrer Heimat mit zärtlicher Hingabe. In Deutschland hingegen wird das Provinzielle oft mit dem Profanen und Primitiven gleichgesetzt - die Schweinshaxe ist eine derbe Kalorienkost in Folkloretracht, aber niemals eine Delikatesse. Zum Glück gibt es bei uns leidenschaftliche Provinzler wie Harald Rüssel, den radikalsten Regionalisten unter den deutschen Meisterköchen, der mit diesem großartigen Buch sein Opus magnum vorgelegt hat. Kein anderer sucht so konsequent die Zutaten für seine Küche rund ums eigene Haus - Flusskrebse im Bach hinter seinem Restaurant "Landhaus St.Urban" in Naurath, Waller und Zander in der nahen Mosel, Kraut und Rüben beim Gemüsestand an der Landstraße Richtung Longuich, das Fleisch beim Metzger Müller aus Mehring. Und kein anderer belebt mit solcher Verve vergessene kulinarische Traditionen wieder, etwa die des Geiztraubensafts, den er von einem Moselwinzer produzieren lässt und den man - wenn überhaupt - unter seinem französischen Namen Verjus kennt; er wird aus unreifen Trauben gepresst, ist milder als Essig, feiner als Zitronensaft und war jahrhundertelang ein fester Bestandteil der guten Regionalküche. Natürlich ist Rüssel kein Fanatiker, Kakao, Kreuzkümmel, Szechuan-Pfeffer, Safran, Bulgur sind für ihn nicht Teufelszeug aus der Ferne, sondern gern gesehene Zutaten. Und seine Prägung durch Frankreichs Haute Cuisine verleugnet er nie. Das alles führt zu den glücklichsten Resultaten, zum Beispiel wenn es Huhn gibt. Dann kommt kein Grillhendel mit Bratkartoffeln und Krautsalat auf den Tisch, mit dem man in so vielen Landgasthöfen gequält wird, sondern Sot l'y laisse von der heimischen Freilandpoularde, also das winzige Filet aus dem Rücken des Geflügels, dazu geräucherter Rhabarber, marinierter Fenchel, Lebervinaigrette und Sauce Financier. Wer braucht da noch Hauptstädte?
str.
"Die neue Landküche" von Harald Rüssel. Collection Rolf Heyne, München 2009. 316 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Gebunden, 49,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Provinzialität ist in der Küche kein Schimpfwort, sondern ein Adelsprädikat. Franzosen, Spaniern oder Italienern muss man das nicht erklären, denn sie achten und verehrten die regionalen Spezialitäten ihrer Heimat mit zärtlicher Hingabe. In Deutschland hingegen wird das Provinzielle oft mit dem Profanen und Primitiven gleichgesetzt - die Schweinshaxe ist eine derbe Kalorienkost in Folkloretracht, aber niemals eine Delikatesse. Zum Glück gibt es bei uns leidenschaftliche Provinzler wie Harald Rüssel, den radikalsten Regionalisten unter den deutschen Meisterköchen, der mit diesem großartigen Buch sein Opus magnum vorgelegt hat. Kein anderer sucht so konsequent die Zutaten für seine Küche rund ums eigene Haus - Flusskrebse im Bach hinter seinem Restaurant "Landhaus St.Urban" in Naurath, Waller und Zander in der nahen Mosel, Kraut und Rüben beim Gemüsestand an der Landstraße Richtung Longuich, das Fleisch beim Metzger Müller aus Mehring. Und kein anderer belebt mit solcher Verve vergessene kulinarische Traditionen wieder, etwa die des Geiztraubensafts, den er von einem Moselwinzer produzieren lässt und den man - wenn überhaupt - unter seinem französischen Namen Verjus kennt; er wird aus unreifen Trauben gepresst, ist milder als Essig, feiner als Zitronensaft und war jahrhundertelang ein fester Bestandteil der guten Regionalküche. Natürlich ist Rüssel kein Fanatiker, Kakao, Kreuzkümmel, Szechuan-Pfeffer, Safran, Bulgur sind für ihn nicht Teufelszeug aus der Ferne, sondern gern gesehene Zutaten. Und seine Prägung durch Frankreichs Haute Cuisine verleugnet er nie. Das alles führt zu den glücklichsten Resultaten, zum Beispiel wenn es Huhn gibt. Dann kommt kein Grillhendel mit Bratkartoffeln und Krautsalat auf den Tisch, mit dem man in so vielen Landgasthöfen gequält wird, sondern Sot l'y laisse von der heimischen Freilandpoularde, also das winzige Filet aus dem Rücken des Geflügels, dazu geräucherter Rhabarber, marinierter Fenchel, Lebervinaigrette und Sauce Financier. Wer braucht da noch Hauptstädte?
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"Die neue Landküche" von Harald Rüssel. Collection Rolf Heyne, München 2009. 316 Seiten, zahlreiche Farbfotos. Gebunden, 49,90 Euro.
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