Diese Studie untersucht die Erneuerung des Rechtsradikalismus in den USA, Frankreich und Deutschland. Die neue radikale Rechte resultiert aus dem in den meisten westlichen Demokratien zu beobachtenden Modernisierungsschub sozialen und kulturellen Wandels seit den sechziger Jahren einerseits und in spezifischen Mobilisierungsphasen aus dem in den jeweiligen Ländern vorhandenen politischen und sozialen Kontext andererseits. Sie repräsentiert dabei den rechten Pol einer neuen, quer zu alten Konfliktlinien verlaufenden ideologischen und organisatorischen Polarisierung. Dies stellt eine grundlegend neue Situation dar, in der Rechtsradikalismus wieder anschlußfähig - und damit politikfähig - werden kann. In den USA dominiert eine bewegungsförmige Ausprägung der neuen radikalen Rechten mit christlich-fundamentalistischen und fremdenfeindlichen Tendenzen, in Frankreich die parteiförmige Organisation des Front national mit seinem Konzept einer ethnokulturellen französischen Nation. Das deutsche Szenario ist dagegen durch die Ideologie eines autoritären und völkischen Nationalismus mit einem schwachen Parteiensektor und hoher Militanz und Gewaltbereitschaft am rechten Rand gekennzeichnet. "(...) Michael Minkenberg ist eine beachtliche, empirisch gut unterfütterte Studie gelungen, die sich wohltuend von der oftmals eindimensionalen Rechtsradikalismusforschung abhebt. (...)" Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, März 1999
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.04.1999Äpfel, Birnen, Kraut, Rüben
Früchte politisch korrekter Politikwissenschaft in Deutschland
Michael Minkenberg: Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland. Westdeutscher Verlag Opladen/Wiesbaden, 1998. 411 Seiten, 17 Abbildungen, 62 Tabellen, 49,80 Mark.
Die Früchte der Politikwissenschaft finden reichlich Absatz, denn im Talkshow-Geschäft herrscht immer Nachfrage nach ideologischen Sprechblasen. Ein reiches Sortiment von akademisch veredelten Leerformeln bietet das hier anzuzeigende Buch: Da geht es um den "neurechten Diskurs", um die Gegenbewegungen zu den jüngsten "Modernisierungsprozessen", um die "Konfliktlinie" zwischen den progressiven Protagonisten "postmaterialistischer" Werte und den Anhängern der "Agenda der Alten Politik" und ähnliches.
Es handelt sich um die Druckfassung einer 1997 in Göttingen angenommenen Habilitation, vom Autor deklariert als "historisch informierte sozialwissenschaftliche Vergleichsstudie". Der Vorzug eines Vergleiches liegt darin, daß man alles mit allem vergleichen kann. Nur sollte man bei einem Vergleich nicht alles in einen Topf werfen, Äpfel und Birnen, Kraut und Rüben. Die vom Autor in ihrem Einfluß weit überschätzte "religiöse Rechte" in den Vereinigten Staaten hat mit der intellektuellen Strömung des exliberalen Neokonservativismus nichts gemein, zwischen den frommen Evangelikalen in Amerika und den neuheidnischen Intellektuellen in Le Pens "Front national" liegen Welten. Schließlich sind amerikanische Fundamentalisten kaum auf denselben Begriff zu bringen wie rechtsradikale Tendenzen in der entchristlichten Gesellschaft der Ex-DDR. Zur Erklärung derartiger Phänomene taugt weder der Begriff der "versäumten" noch der "nachzuholenden Modernisierung".
Was meint der Autor, wenn er als Vergleichselemente die Antithese von "Modernisierung" und "Horror vor modernen Werten" (Zeev Sternhell) einführt? Modernisierung wird in mancherlei Anläufen definiert, vorwiegend als "Übergang zum wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus bzw. zur postindustriellen Gesellschaft". Was denn nun? Der "wohlfahrtsstaatliche Kapitalismus", das heißt die keynesianische Ära, ging in den Vereinigten Staaten in der Amtszeit Reagans zu Ende, in Deutschland aber hängt man quer durch die Parteien (Ausnahme FDP) von den Reps bis zur PDS an den höchst materiellen Werten des Wohlfahrtsstaats. Was soll dann die Rede von den "modernen" postmaterialistischen Werten, die der Autor mit Vorliebe auch als "Ideen von 1968" rubriziert: "Frieden, Umwelt, soziale Gleichheit, Menschen- und Minderheitenrechte und selbstbestimmte Arbeit"? Wirklich? Der Frieden verschwand im Golfkrieg 1991 aus der "neulinken Agenda", die Sorge um die Umwelt entspringt seit je einem romantisch-antiindustriellen Weltgefühl, von "selbstbestimmter Arbeit" reden in Zeiten schrumpfender Arbeit vorzugsweise Akademiker im öffentlichen Dienst.
Daß hier die komplexe Wirklichkeit politisch korrekt ausgedeutet werden soll, liegt auf der Hand. Es geht um die Abwehr eines "populistischen und romantischen Ultranationalismus", um die Durchsetzung des Konzepts einer "politischen Nation à la USA", mithin um den angeblich "richtigen" Begriff von Demokratie: demos statt ethnos. Was Deutschland betrifft, so sieht der Autor das "demokratische Projekt" allenthalben durch neurechte Tendenzen gefährdet: "Hinter den Reden von der deutschen Souveränität und der Normalisierung lauert zum einen stets der historische Revisionismus, der letztlich die besondere deutsche Verantwortung für den Holocaust in Frage stellt, und zum anderen die antiliberale Philosophie eines Carl Schmitt . . ."
Wer mit solcher Emphase den "wissenschaftlichen Diskurs" betreibt, schert sich wenig um logische Widersprüche. Eine "politische Nation", die sich auf ihre "besondere deutsche Verantwortung" gründet, ist nichts anderes als eine historisch-ethnische Nation. Von allen anderen Ärgernissen des Buches, von historischen Ungenauigkeiten über entstellte Namen ("Janenser" für "Jansenisten") und zweifelhafte Belege aus einschlägiger Antifa-Literatur bis hin zu völlig verkorkster Syntax, sei hier abgesehen.
HERBERT AMMON
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Früchte politisch korrekter Politikwissenschaft in Deutschland
Michael Minkenberg: Die neue radikale Rechte im Vergleich. USA, Frankreich, Deutschland. Westdeutscher Verlag Opladen/Wiesbaden, 1998. 411 Seiten, 17 Abbildungen, 62 Tabellen, 49,80 Mark.
Die Früchte der Politikwissenschaft finden reichlich Absatz, denn im Talkshow-Geschäft herrscht immer Nachfrage nach ideologischen Sprechblasen. Ein reiches Sortiment von akademisch veredelten Leerformeln bietet das hier anzuzeigende Buch: Da geht es um den "neurechten Diskurs", um die Gegenbewegungen zu den jüngsten "Modernisierungsprozessen", um die "Konfliktlinie" zwischen den progressiven Protagonisten "postmaterialistischer" Werte und den Anhängern der "Agenda der Alten Politik" und ähnliches.
Es handelt sich um die Druckfassung einer 1997 in Göttingen angenommenen Habilitation, vom Autor deklariert als "historisch informierte sozialwissenschaftliche Vergleichsstudie". Der Vorzug eines Vergleiches liegt darin, daß man alles mit allem vergleichen kann. Nur sollte man bei einem Vergleich nicht alles in einen Topf werfen, Äpfel und Birnen, Kraut und Rüben. Die vom Autor in ihrem Einfluß weit überschätzte "religiöse Rechte" in den Vereinigten Staaten hat mit der intellektuellen Strömung des exliberalen Neokonservativismus nichts gemein, zwischen den frommen Evangelikalen in Amerika und den neuheidnischen Intellektuellen in Le Pens "Front national" liegen Welten. Schließlich sind amerikanische Fundamentalisten kaum auf denselben Begriff zu bringen wie rechtsradikale Tendenzen in der entchristlichten Gesellschaft der Ex-DDR. Zur Erklärung derartiger Phänomene taugt weder der Begriff der "versäumten" noch der "nachzuholenden Modernisierung".
Was meint der Autor, wenn er als Vergleichselemente die Antithese von "Modernisierung" und "Horror vor modernen Werten" (Zeev Sternhell) einführt? Modernisierung wird in mancherlei Anläufen definiert, vorwiegend als "Übergang zum wohlfahrtsstaatlichen Kapitalismus bzw. zur postindustriellen Gesellschaft". Was denn nun? Der "wohlfahrtsstaatliche Kapitalismus", das heißt die keynesianische Ära, ging in den Vereinigten Staaten in der Amtszeit Reagans zu Ende, in Deutschland aber hängt man quer durch die Parteien (Ausnahme FDP) von den Reps bis zur PDS an den höchst materiellen Werten des Wohlfahrtsstaats. Was soll dann die Rede von den "modernen" postmaterialistischen Werten, die der Autor mit Vorliebe auch als "Ideen von 1968" rubriziert: "Frieden, Umwelt, soziale Gleichheit, Menschen- und Minderheitenrechte und selbstbestimmte Arbeit"? Wirklich? Der Frieden verschwand im Golfkrieg 1991 aus der "neulinken Agenda", die Sorge um die Umwelt entspringt seit je einem romantisch-antiindustriellen Weltgefühl, von "selbstbestimmter Arbeit" reden in Zeiten schrumpfender Arbeit vorzugsweise Akademiker im öffentlichen Dienst.
Daß hier die komplexe Wirklichkeit politisch korrekt ausgedeutet werden soll, liegt auf der Hand. Es geht um die Abwehr eines "populistischen und romantischen Ultranationalismus", um die Durchsetzung des Konzepts einer "politischen Nation à la USA", mithin um den angeblich "richtigen" Begriff von Demokratie: demos statt ethnos. Was Deutschland betrifft, so sieht der Autor das "demokratische Projekt" allenthalben durch neurechte Tendenzen gefährdet: "Hinter den Reden von der deutschen Souveränität und der Normalisierung lauert zum einen stets der historische Revisionismus, der letztlich die besondere deutsche Verantwortung für den Holocaust in Frage stellt, und zum anderen die antiliberale Philosophie eines Carl Schmitt . . ."
Wer mit solcher Emphase den "wissenschaftlichen Diskurs" betreibt, schert sich wenig um logische Widersprüche. Eine "politische Nation", die sich auf ihre "besondere deutsche Verantwortung" gründet, ist nichts anderes als eine historisch-ethnische Nation. Von allen anderen Ärgernissen des Buches, von historischen Ungenauigkeiten über entstellte Namen ("Janenser" für "Jansenisten") und zweifelhafte Belege aus einschlägiger Antifa-Literatur bis hin zu völlig verkorkster Syntax, sei hier abgesehen.
HERBERT AMMON
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"Die Untersuchung ist ein gelungener Beitrag zu sehen, zu erklären auf welchem Hintergrund moderner Gesellschaften sich mit bewegungsanalytischem und politikwissenschaftlichem Blick Kulturen, Strukturen und Prozesse einer radikalen Rechten herausbilden..." (Soziologische Revue 3/99)